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#Divigate: Verbände weisen Theorie um gefälschte Corona-Intensivbettenzahlen zurück

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Von: Alexander Seipp

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Verschwörungstheorien ranken sich derzeit um die Krankenhausbetreiber in der Corona-Pandemie. #Divigate ist aber kaum mehr als heiße Luft.

Berlin – Die Vorwürfe klingen hart: Nichts dran sei an den Versorgungsengpässen auf den Intensivstationen aufgrund der Corona-Pandemie. Die milliardenschweren Ausgleichszahlungen des Bundes an die Krankenhäuser seien „Subventionsbetrug und zweifelhafte Verwendung von Fördermitteln“. Um dies zu legitimieren seien offizielle Statistiken manipuliert worden. Zu diesem Schluss kommt ein Papier von zehn Medizinern, Juristen, Versorgungsforschern und anderen Gesundheitsexperten, welches derzeit unter dem Hashtag Divigate besonders in rechten Foren im Dunstkreis der AfD die Runde macht. Die Zeitung Die Welt hatte als erstes über das Papier berichtet.

Die Autorengruppe um den Mediziner Matthias Schrappe, einem ehemaligen Vorstandsmitglied des Sachverständigenrates Gesundheit, vermutet in dem Papier, dass die Zahl der Intensivbetten in Deutschland nicht stimmen könne. Ambulante Fälle seien außerdem zu häufig im Krankenhaus behandelt worden. Damit schwingt der Vorwurf mit, dass Ärzte nur deshalb Patienten auf Intensivstationen der Krankenhäuser verlegt hätten, um damit Kasse zu machen.

#Divigate: Viele Behauptungen, keine Beweise für Manipulationen in der Corona-Pandemie

Wirkliche Beweise legt das Papier für diese Vorwürfe aber nicht vor, berichtet RP-online. Ebenso wenig für den Vorwurf des Betrugs bei den Statistiken der Corona-Intensivbetten. Es wird etwa darauf hingewiesen, dass am 30. Juli 2020 3000 Betten aus der Statistik verschwunden seien. Damals habe man noch 33.367 gemeldete Intensivbetten sehen können, heute seien dort nur 30.340 Betten verzeichnet. Schrappe vermutet eine nachträgliche Frisierung der Statistik.

Corona-Patient auf einer Intensivstation in Niedersachsen.
Corona-Patient auf einer Intensivstation in Niedersachsen. © Ole Spata/dpa

Die Zahlen sind in der Tat richtig, stellen mehrere Verbände um die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) klar, zu denen neben der Divi selbst auch der Marburger Bund Bundesverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft gehört. Dies habe aber auch einen einfachen Grund: Bei den 3000 Betten handele es sich um die Betten auf den Kinderintensivstationen, welche für die Behandlung von Erkrankten keine Rolle spielten und deshalb aus dieser Statistik verschwunden seien, heißt es in einer Mitteilung des Verbands. Es handele sich dabei etwa um Betten auf Frühchenstationen und für schwerstkranke Kleinkinder. Darauf sei aber in „sämtlichen Statistiken auch explizit hingewiesen“ worden. Daraus eine Verschwörungstheorie entwickeln zu wollen, sei einfach Unsinn.

#Divigate: „Schlag ins Gesicht“ für die Krankenhausbelegschaften

Die Vorwürfe seien ein „Schlag ins Gesicht“ für die Belegschaft der Krankenhäuser, teilt die Divi in einer Pressemitteilung mit. Die Verfasser:innen des Papiers hätte Aussagen basierend auf „Fehleinschätzungen und mangelnder Kenntnis der tatsächlichen Lage in den Kliniken“ getroffen, heißt es weiter. Denn angesichts der Lage in Nachbarländern wie Italien, der Schweiz und Frankreich habe man sehen können, wie schnell die Intensivbettenkapazitäten an ihre Grenzen kommen. Kurzfristig seien daher im Frühjahr 2020 so viele Intensivbetten wie möglich aufgestellt und Personal sei in Kurzlehrgängen weitergebildet worden wie möglich, um auf die Versorgung von Beatmungspatienten auf den Intensivstationen vorbereitet zu werden. Dies sei aufgrund des Personalmangels aber nur eingeschränkt möglich gewesen

Zudem handele es sich bei den angegebenen Betten nicht um die Gesamtanzahl aller Betten mit Beatmungsgerät, sondern um die Betten die tatsächlich für die Behandlung von Coronapatienten einsatzbereit seien. „Ein intensivmedizinischer Behandlungsplatz gilt als betreibbar/betriebsfähig, wenn ein vorgesehener Raum, funktionsfähige Geräte und Material pro Bettenplatz, Betten, und personelle Besetzung mit pflegerischem und ärztlichem Fachpersonal vorhanden sind und eingesetzt werden können“, heißt es in der Mitteilung der Divi. Die sinkenden Zahlen bei den Intensivbetten seien auch mit einer Diversifizierung der Statistik zu erklären, etwa indem Notfallreserven separat angegeben werden.

Corona-Pandemie in Deutschland: Keiner der Vorwürfe von #Divigate ist haltbar

Die in dem Papier gestellte Frage, weshalb man nicht mehr Personal qualifiziert hätte und Operationen verschoben hätte, wird von der Divi ebenfalls stark kritisiert. Denn genau dies habe man ja getan. Zeitweise sei Deutschlandweit wegen Corona 40 Prozent weniger operiert worden als in „normalen“ Jahren. Dies haben etwa Studien der AOK und des Bundesgesundheitsministeriums belegt. Kurzum: Schaue man genauer hin, sei kein einziges von Schrappes Argumenten tatsächlich haltbar. „Pflegekräfte und Ärztinnen und Ärzte haben in den vergangenen Monaten unter höchster Belastung große Leistungen vollbracht und viele Leben gerettet“, so die Mitteilung der Divi. Die Vorwürfe Schrappes und der anderen Verfasser des Papiers weise man „aufs Schärfste“ zurück.

Auch dem Bundesgesundheitsministerium liegen keinerlei Belege für eine Manipulation der Zahlen der Intensivbetten vor, berichtet die dpa. „Es ist auch nicht erkennbar, welche Anreize für derartige Manipulationen bestanden haben sollten“, sagte ein Sprecher am Montag der Welt. Schrappes Thesen seien „zum großen Teil nicht durch Fakten unterlegt“, sie basierten auf „Annahmen und Unterstellungen“, nicht auf „Fakten“, hieß es vom Ministerium. (als mit dpa)

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