Digitale Behörden: Wenn der Staat duzt

Österreich ist Deutschland weit voraus. Für das Engagement des Landes gibt es aber noch einen anderen Grund als die Liebe zum Digitalen.
Die Ministerin schaltet sich ungefragt aus der ersten Reihe ein. „Das kann ich gleich erklären“, sagt Margarete Schramböck, österreichische Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, bei der Präsentation des „eGovernment Monitor 2021“, der die Digitalangebote der staatlichen Verwaltungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz vergleicht.
Schramböck hat viel zu erläutern an diesem Montagabend Mitte Oktober in Berlin. Denn in fast allen Kategorien liegt Österreich in der Studie vorn - etwa bei der Auffindbarkeit des Behördenportals im Internet, der Bekanntheit unter Bürgerinnen und Bürgern und der Zufriedenheit der Nutzer:innen.
Auch bei den Älteren setzt die Republik Akzente: 77 Prozent der über 55-Jährigen in Österreich greifen auf das Onlineportal der Verwaltung zu, in der Schweiz sind es in der entsprechenden Altersgruppe nur 55, in Deutschland lediglich 43 Prozent.
Den Anfang macht ein analoges Angebot: das „Café Digital“ bildet Ältere weiter
Schramböck erklärt den digitalen Erfolg in ihrer Heimat mit einem Begriff: „Café Digital“ ist ein analoges Angebot, das Älteren in der Gesellschaft digitale Angebote näherbringt von Facetime bis zur digitalen Verwaltung. In Corona-Zeiten lief das Format im Fernsehen weiter. Und den digitalen Crashkurs lieferte ohnehin der Pandemiealltag.
„Alle, die aus Österreich kommen, dürfen sich jetzt schon mal freuen. Für alle anderen wird’s schmerzhaft“, sagt Lena-Sophie Müller von der Initiative D21 bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Das Netzwerk aus Politik und Wirtschaft, das sich seit gut zwei Jahrzehnten für digitale Strukturen in Deutschland einsetzt, hatte die Studie zum „eGovernment“ in Auftrag gegeben.
Zur Präsentation wurde zum Govtech-Campus eingeladen, einem Start-up-Bau im Berliner Stadtteil Wedding, dort also, wo die Hauptstadt sich gerade erst aufmacht, schick zu werden. Und so wird sich auf dem Podium auch bald geduzt. Der Staat lernt neue Umgangsformen. Govtech steht für Government Technology und IT-Lösungen für die Verwaltung.
Co-Working ist im öffentlichen Dienst schwer umzusetzen
Der Bund ist deshalb beim Govtech-Campus miteingestiegen. Doch hat das angestrebte neue Arbeiten in den lichtdurchfluteten offenen Räumen auch seine dienstrechtlichen Probleme: „Co-Working ist im öffentlichen Dienst schwer umzusetzen“, gesteht Markus Richter, der als Staatssekretär im Bundesinnenministerium für die Digitalisierung der Verwaltung zuständig ist. Wo Dezernate und Ressortdenken herrschen, wird übergreifende Projektarbeit schwierig.
Österreich ging einen anderen Weg, wie Margarete Schramböck ausführt. Früher war sie als Managerin in Techunternehmen aktiv, unter anderem als Chefin von A1 Telekom Austria, ehe sie vor drei Jahren für die christdemokratische ÖVP in die Regierung wechselte. Dort hat sie unter anderem einen sogenannten Innovation Hub angeschoben: einen Fonds von 600 Millionen Euro, der eigene IT-Lösungen für die Verwaltung entwickelt und sich damit teure Lizenzen und Abhängigkeiten von Softwareunternehmen erspart. Geld gibt es aber nur, wenn sich mindestens zwei Ressorts an einem Projekt beteiligen. „Wir müssen raus aus dem Silodenken“, sagt Schramböck der Frankfurter Rundschau.
Österreich hat 100 Millionen Arbeitsstunden eingespart
Ihr geht es um bürgernahe Verwaltung und um Effizienz, mehr aber noch um den demografischen Wandel. Österreich hat allein durch die Digitalisierung der Verwaltung rund hundert Millionen Arbeitsstunden eingespart. „Uns werden künftig schlicht die Mitarbeiter fehlen, um einfache Vorgänge händisch zu erledigen“, sagt Schramböck. Auch die Verwaltung bekommt den Fachkräftemangel zu spüren. Die Digitalisierung der Bürokratie ist also schlicht eine Notwendigkeit.
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Das Land scheint aber auf einem guten Weg zu sein. Drei Millionen Zugriffe pro Monat auf das österreichische Bürgerport aloesterreich.gv.at zählt die Verwaltung. Und wie schaffe man das, wird Schramböck gefragt. „Harte Knochenarbeit“, antwortet die emsige Ministerin. Auch in der digitalen Welt ist Arbeit Plackerei.