1. Startseite
  2. Politik

Die grüne Zukunft der Ukraine

Erstellt:

Von: Joachim Wille

Kommentare

Nach dem russischen Raketentreffer wird man diesen Wohnblock in Kramatorsk nur noch abreißen und neu bauen können. AP/dpa
Nach dem russischen Raketentreffer wird man diesen Wohnblock in Kramatorsk nur noch abreißen und neu bauen können. AP/dpa © Yevgen Honcharenko/dpa

Ein Berliner Thinktank rät zum Wiederaufbau des Landes nach klimafreundlichen Gesichtspunkten. Das würde nur wenig mehr kosten und wäre mittelfristig eine Win-win-Lösung.

Bei dem Gipfel von EU und Ukraine in Kiew wird man auch über den Krieg hinausdenken: Wie soll das Land wieder aufgebaut werden? Der Berliner Thinktank Adelphi hat eine Antwort parat: Nur ein „grünes“ Konzept werde es der Ukraine ermöglichen, unabhängig von russischen fossilen Brennstoffen zu werden, die Integration in die EU zu beschleunigen sowie soziale und ökologische Vorteile einzufahren. Dadurch könnten neue wirtschaftliche Möglichkeiten erschlossen und Fehlinvestitionen vermieden werden.

Exakte aktuelle Daten zu den Zerstörungen, die die russische Invasion bisher verursacht hat, gibt es nicht. Im September schätzte man den Gesamtschaden zu diesem Zeitpunkt auf eine Billiarde US-Dollar, damals galten 7,3 Prozent des Wohnungsbestands als beschädigt oder zerstört. In Großstädten ist ein umfassender Wiederaufbau und die Wiederherstellung der Sozial- und Verkehrsinfrastruktur nötig. Kleinstädte und Dörfer müssten teils komplett neu gebaut werden. Hinzu kommen überall große Schäden an der Energie- und Verkehrsinfrastruktur.

Für Iryna Holovko und Constanze Haug, die eine entsprechende Studie bei Adelphi herausgebracht haben, ist klar: „Der Wiederaufbau von komfortablen neuen Wohnungen für Hunderttausende gehört zu den dringendsten Prioritäten.“ Das müsse schnell gehen und die Wohnungen müssten erschwinglich sein – aber hohen Energieeffizienz-Standards genügen, um dauerhaft Energie zu sparen. Die Betriebskosten von nur wenig teurer sanierten Gebäuden mit Nahezu-Null-Energie-Standard seien niedriger, wodurch man jedes Jahr bei der Energierechnung spare.

Den Wiederaufbau sieht Adelphi auch als Gelegenheit, die Stadtplanung zu verbessern, gerade auch im Hinblick auf die Anpassung an den Klimawandel. Stichworte: mehr Grünflächen, Abwassersysteme, die Starkregen aushalten, Vorrang für öffentliche Verkehrsmittel, mit eigenen Fahrspuren und möglichst elektrisch angetrieben. Holovko und Haug betonen, dass die „Verbesserung der Klimaresilienz (...) weder teuer noch komplex sein“ müsse – zumindest, wenn der Wiederaufbau schon so geplant wird.

Fokus auf Wind und Solar

Auch bei der Energieversorgung steht die Ukraine vor solchen Weichenstellungen. „Vieles muss repariert oder ersetzt werden, darunter beschädigte Wärmekraftwerke und Kesselhäuser, Teile der Hochspannungs- und Verteilnetze sowie zahlreiche Anlagen für erneuerbare Energien“, listet der Bericht auf.

Im Wärmesektor sollten vorrangig veraltete kommunale Heizkessel und Heizkraftwerke durch Anlagen ersetzt werden, die mit Wärmepumpen, Solarkollektoren oder nachhaltig erzeugter Biomasse arbeiten. Für den Elektrizitätssektor empfiehlt der Thinktank einen Vorrang für Windkraft und Solarenergie mit einem daran angepassten Stromsystem, da dies die billigsten, am schnellsten realisierbaren und zukunftssichersten Optionen seien. Dagegen warnen die Expertinnen vor neuen Kohlekraftwerken: Die Ukraine habe in den vergangenen Jahren bereits fast die Hälfte der im Land verbrauchten Kohle importiert. „Diese Abhängigkeit sollte nicht noch verstärkt werden – ganz zu schweigen von den Klimafolgen.“

Aber auch Investitionen in neue Kernkraftwerke sieht Adelphi kritisch. AKW seien extrem teuer und wegen ihrer begrenzten Flexibilität nicht gut in ein Erneuerbaren-Stromsystem integrierbar. Der ukrainische Versorger Energoatom vereinbarte aber Mitte 2022 eine Zusammenarbeit mit dem US-Konzern Westinghouse bei Atombrennstoff-Lieferungen.

Auch interessant

Kommentare