Berlin-Wahl: Die FDP auf Ursachensuche

Bei der Wahl in Berlin setzt sich für die FDP eine Niederlagenserie fort. Die Partei und ihr Vorsitzender Christian Lindner suchen nach einem Profil, dass sie attraktiv erscheinen lässt.
Nach der Niederlage ist Christian Lindner erstmal nach Brüssel gefahren. Keine Flucht, sondern Ministerpflicht: Die EU-Finanzminister:innen berieten über Schuldenpolitik und den Ukrainekrieg. Statt über die Berliner FDP und ihr Ausscheiden aus dem Abgeordnetenhaus, die fünfte FDP-Niederlage bei einer Landtagswahl in Folge, zu sprechen, konnte Lindner dort vor der Kulisse der Fahnen der Mitgliedsländer sogar Zufriedenheit verbreiten: Die Wirtschaft in Europa habe sich als resilient erwiesen. Man sei in den vergangenen Monaten auch durch die Politik der Bundesregierung „von ernsthaften Strukturbrüchen verschont“ geblieben.
Das ist die Regel Nummer 1 des FDP-Chefs: Herausstellen, dass Deutschland gut regiert wird. Auf diese Weise soll der Abwärtstrend bei den Landtagswahlen aufgehalten werden. Außerdem will Lindner Projekte seiner Partei wie Entbürokratisierung, Digitalisierung und Steuererleichterungen vorantreiben. Ein Label für die FDP hat der Parteichef auch parat: In der Ampel sei man „Garant für die Politik der Mitte“. Die FDP verhindere Verbote, bürokratische Fesseln und Steuererhöhungen.
Und Lindner sagt auch: „Hektik und Krawall sind nicht unsere Sache.“ Damit dürfte Vize-Parteichef Wolfgang Kubicki angesprochen sein. Er hatte nach der Berlin-Wahl eine härtere Gangart seiner Partei in der Koalition angekündigt und Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) empfohlen, dieser könne sich „gehackt legen“, wenn er FDP-Wünschen nicht folge.
Auch Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und ihre Kritik an CDU-Chef Friedrich Merz in einer Karnevalsrede mag Lindner im Sinn gehabt haben. Diese – sie hatte Merz einen „Flugzwerg“ genannt – könne als ein Punkt unter vielen zum schlechten Ergebnis in Berlin beigetragen haben.
FDP-Landesverbände, die in den kommenden Monaten im Wahlkampf stehen, plädieren ebenfalls für sorgsame Wortwahl. „Auf Bundesebene müssen wir darauf achten, den Fortschrittsgedanken deutlicher zu machen“, sagte der bayerische FDP-Generalsekretär und Vize-Chef der FDP-Fraktion im Bundestag, Lukas Köhler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Regieren ist keine Last für uns. Im Gegenteil, es geht um das Ringen um die beste Lösung. Das müssen wir jetzt in den Vordergrund rücken. Dabei darf es nicht um die anderen gehen, sondern darum, was wir erreichen wollen und können. Das ist eine Riesenchance.“ In Bayern wird im Oktober gewählt – Köhler sieht durchaus Chancen für die FDP, politische Gemengelage und Themenschwerpunkte seien dort für sie günstiger als in Berlin oder Niedersachsen.
FDP-Vorstandsmitglied Otto Fricke empfiehlt als Erfolgsrezept: „Man muss erkennen, wofür man die FDP braucht.“ Die Wähler:innen müssten darauf vertrauen, dass ein Kompromiss in einer Koalition durch Mitwirkung der Liberalen tragbar werde. „Die Frage ist, ob wir das Korrektiv sind, das bewegt, oder das Korrektiv, das verhindert. Die Antwort ist die Mitte“, sagte Fricke.
Allzu zimperlich könne man dabei allerdings nicht sein, findet der Haushaltsexperte. „Wir müssen unsere Kompetenzen laut verkaufen und uns hart verteidigen, wenn wir angegriffen werden.“ Noch vor Bayern stehen im Mai Wahlen in Bremen an. Traditionell ist die FDP dort nicht besonders stark.