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Die Ära Waschlappen

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Von: Joachim Wille

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Sicher hat die Katzenwäsche statt Dusche am Morgen mehr Anhänger:innen hat als in den billigeren Zeiten vor Februar 2022.
Sicher hat die Katzenwäsche statt Dusche am Morgen mehr Anhänger:innen hat als in den billigeren Zeiten vor Februar 2022. © Andreas Poertner/Imago

Haben die Energiespar-Appelle genützt? Ein Überblick über die unternommenen Bemühungen der Deutschen und anderswo, um Energie zu sparen. Die Kolumne „Öko-Logisch“.

Pullover statt Heizung. Duschen statt Baden. Bus statt Auto. Einsparung als Waffe gegen den Moskauer Despoten, der mit Erdgas-Euro und Petro-Dollars den Angriffskrieg gegen die Ukraine finanziert.

Das war im letzten Frühjahr die Parole, mit der Politiker:innen, Umweltschützer:innen und Friedensbewegte uns Bürger:innen eine aktive Rolle im Kampf gegen die Krise zuwiesen. Am subversiv-militantesten Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der den Waschlappen in diesem Sinne als „brauchbare Erfindung“ bezeichnete. Ein kleines Stück Stoff, mit dem früher viele Generationen in der Tat wohl gute, preisgünstige Erfolge in der Körperhygiene erzielten. Und auch bei Energieeinsparung und Klimaschutz, obwohl von Letzterem man noch keine Ahnung hatte.

Haben die Energiespar-Appelle etwas genützt? Erst hieß es, die Deutschen sparten zu wenig beim Gas ein. Dann, es gehe doch ganz gut. Und das Wetter hatte auch ein Einsehen, indem der Winter fast drei Grad wärmer als normal ausfiel. Immerhin, ein Jahr nach dem Beginn des Putin-Kriegs sehen wir nun klarer, dank der Marktforschung der Nürnberger GfK, die hierzulande und in 14 anderen europäischen Ländern untersucht hat, wie die Menschen angesichts der durch Putins Krieg explodierten Inflation über die Runden zu kommen versuchen – beim Einkaufen und im sonstigen Verhalten.

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Etwa jeder zweite Deutsche hat neben dem Supermarkt – und hier speziell dem Umstieg auf billigere Eigenmarken sowie weniger Alkohol, Süßigkeiten und Fleisch im Einkaufskorb – das Bad als Ort des zivilen Abwehrkampfs gegen Putin und Inflation gewählt: Rund 47 Prozent gaben an, heute kürzer oder weniger zu duschen oder zu baden als früher. Ob auch die Methode Kretschmann nun häufiger angewandt wird, hat die GfK leider nicht analysiert. Doch sicher geht nicht fehl, wer annimmt, dass auch die Katzenwäsche statt Dusche am Morgen mehr Anhänger:innen hat als in den billigeren Zeiten vor Februar 2022.

Der Ländervergleich zeigt, dass nicht alle Europäer:innen glauben, im Bad so viel Potenzial zur Krisenabwehr zu haben wie die Deutschen. Anderswo geht der Trend eher dazu, Haushaltsgeräte seltener zu nutzen, 15 Prozent der Italiener:innen haben ihre Waschmaschine in den letzten Monaten seltener angestellt. Was da nun besser ist, da wollen wir uns kein Urteil erlauben. Aber am besten wäre es gewesen, alle EU-Länder hätten schon vor Jahren einen Energiewende-Turbo eingelegt. Denn dann hätte es die Ära des Waschlappens nicht gebraucht.

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