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"Deutschland und Frankreich sind ein Tandem"

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Von: Daniela Vates, Gordon Repinski

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Ursula von der Leyen besucht Gorch Fock.
Ursula von der Leyen besucht Gorch Fock. © dpa

Ministerin von der Leyen über die europäische Verteidigungsunion und ihre Verantwortung für die Bundeswehr-Skandale.

Frau von der Leyen, am heutigen Dienstag unterzeichnen Deutschland und Frankreich feierlich den neuen Elyséevertrag. Ist das ein Fortschritt oder nur Altbekanntes?
Es ist ein großer Schritt nach vorne. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Deutschland und Frankreich noch Erbfeinde, dann hat der erste Elyséevertrag vor 50 Jahren zum ersten Mal die Freundschaft beider Länder besiegelt. Der neue Vertrag bindet jetzt unsere Sicherheitspolitik enger zusammen denn je: Wir analysieren die Gefahren für unsere Länder im einem gemeinsamen Sicherheitsrat, organisieren Rüstungsfragen gemeinsam und schreiben eine gemeinsame Beistandspflicht fest. Deutschland und Frankreich gehen in der Verteidigungspolitik in Europa voran. Das ist großartig.

Man könnte den Vertrag auch als Notfallmaßnahme sehen: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schwächelt, Europa schwächelt – da versucht man eben sich zusammenzutun.
Deutschland und Frankreich sind ein Tandem in Europa. Europa hat eine lange und große Erfolgsgeschichte im Sozialen, im Handel, bei den Finanzen. Wir haben in der EU trotz aller Probleme im Süden derzeit die niedrigste Arbeitslosenquote, die es je gab. Diese Erfolgsgeschichte muss nun in der Außen- und Sicherheitspolitik fortgeschrieben werden. Das erwarten auch die Bürger von Europa als starker Gemeinschaft in einer immer unübersichtlicheren Welt.

Hätte Deutschland Macron nach dessen Europarede 2017 nicht viel schneller unterstützen sollen?
Im Sicherheitssektor haben wir keine Zeit verstreichen lassen. Im Gegenteil. Schon vor drei Jahren hatte ich mit meinem damaligen französischen Amtskollegen vereinbart, dass wir die Europäische Verteidigungsunion angehen wollen. Wir waren damals alleine. Dann kamen Brexit-Referendum und Präsident Trumps Aussagen gegen die Nato. Da haben die Europäer verstanden, dass auch Europa in der Lage sein muss, sich selber zu schützen. Vor einem Jahr haben wir dann die Verteidigungsunion aus der Taufe gehoben und arbeiten seitdem Schritt für Schritt an unserem ehrgeizigen Aufbauplan. Mein Ziel ist, bei der nächsten deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2020 Richtfest zu feiern.

Es ist nur ein Teilbereich. Warum tut sich Deutschland so schwer mit einer Gesamtvision für Europa?
 

Europa heißt nun mal, alle mitzunehmen. Deutschland gehört zu den leidenschaftlichsten Verteidigern der EU. Welchen größeren Vertrauensbeweis gibt es, als wenn Länder, die einst Todfeinde waren, sich gegenseitig Teile ihrer Armeen unterstellen? Wir haben Griechenland in der EU gehalten, die Bankenkrise gemeistert, beim Völkerrechtsbruch durch Russland in der Ukraine zusammengehalten. Mit jeder neuen Generation ist doch ein Europa mit grenzenlosem Arbeiten, Studieren, Reisen und Telefonieren gewachsen. Das ist großartig!

Und der Brexit lässt das nicht zerbrechen?
Der Brexit ist zutiefst bedauerlich und er schadet Europa und Großbritannien. Paradoxerweise zeigt aber gerade die Verteidigungspolitik, wie daraus Neues entstehen kann. Großbritannien hat allem Brexit zum Trotz Interesse, in der Europäischen Verteidigungsunion mitzuarbeiten. Ich begrüße das sehr, denn dadurch rücken wir in Sicherheitsfragen enger zusammen.

Wie geht es weiter mit der atomaren Verteidigung in Europa nach dem Ende des Abrüstungsvertrags INF? Kann Frankreich nach dem Brexit als einzig verbleibende Atommacht den europäischen Schutz übernehmen?
Das Thema nukleare Verteidigung liegt bei der Nato und da wird es auch bleiben. Die EU wird nie eine reine Militärallianz sein. Die Europäische Verteidigungsunion bauen wir bewusst so, dass sie die Nato stärkt, nicht um Doppelstrukturen zum schaffen.

Wären Sie bereit, ähnlich wie von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer angedeutet, den Parlamentsvorbehalt für gemeinsame europäische Militäreinsätze zu lockern?
Ich schätze den Parlamentsvorbehalt, weil er der Truppe Rückhalt gibt für schwierige Missionen. Soldaten durch einsame Entscheidungen der Regierungen loszuschicken, das gibt es immer seltener in westlichen Demokratien. Der Pferdefuß ist die Dauer des Entscheidungsprozesses. Wir sollten die Prozesse verkürzen. Mit einem neuen Sicherheitsausschuss nationaler Parlamentarier auf europäischer Ebene könnten wir den Meinungsbildungsprozess viel früher anstoßen. Die letzte Entscheidung würden weiter die nationalen Parlamente fällen.

Themenwechsel: Bei der Instandsetzung des Schulschiffes „Gorch Fock“ sind die Kosten explodiert und es gibt einen Korruptionsfall. Ist die „Gorch Fock“ noch zu retten?
 

Die „Gorch Fock“ ist ein stolzes Traditionsschiff, um das ich mir Sorgen mache. Die Vorwürfe wiegen schwer. Im Augenblick sind alle Zahlungen eingefroren. Die Marine weiß, dass jetzt saubere Aufklärung enorm wichtig ist. Wie wir am Ende entscheiden, ist offen.

Wäre es nicht sinnvoll, das alte Schiff zu verschrotten und für Ersatz zu sorgen?
Die „Gorch Fock“ verkörpert eine große Tradition in der Marineausbildung und nach einer umfassenden Restaurierung wäre vieles wieder wie neu. Das muss man berücksichtigen. Aber mindestens genauso wichtig ist es, Klarheit gegenüber den Steuerzahlern zu schaffen, die die Kosten des Schiffs tragen, und Licht in den Korruptionsvorwurf zu bringen. Das geschieht gerade.

Macht Ihnen die Marine mehr Sorgen oder die Luftwaffe, die ständig mit defekten Regierungsfliegern zu kämpfen hat?
Die Flugbereitschaft hat in den letzten zwei Jahren 1600 Flüge absolviert. 98 Prozent davon sind reibungslos verlaufen. Wir haben nur zwei Langstreckenflieger. Die sind 18 und 19 Jahre alt. Wenn einer der beiden ausfällt, ist das sofort spürbar. Wir prüfen jetzt den Kauf von ein bis zwei weiteren für die lange Strecke. Außerdem stellen wir zusätzliche Crews auf. Bei sehr wichtigen Flügen soll künftig immer ein Ersatzflugzeug und eine vollständige Ersatzcrew bereit stehen. Dass die Kanzlerin einen internationalen Gipfel wie den in Buenos Aires nicht erreicht, darf nicht noch einmal geschehen.

Auf Druck der Koalition wurde der Untersuchungsausschusses zur Berateraffäre blockiert. War das angemessen?
Die Regeln des Parlaments besagen, dass der Untersuchungsgegenstand klar und bestimmt beschrieben sein muss. Ich bin zuversichtlich, dass das Parlament sich rasch auf einen rechtmäßigen Untersuchungsauftrag verständigen wird und dass der Ausschuss bald seine Arbeit aufnimmt.

Es stehen gravierende Vorwürfe im Raum – die fehlerhafte Vergabe von Aufträgen an externe Experten sowie Vetternwirtschaft.
Wir haben mit der Bundeswehr und ihren 250 000 Beschäftigten eine Riesenorganisation, die sich derzeit in großem Maßstab modernisiert und digitalisiert. Eine neue IT-Architektur kann keine Institution der Größe und Komplexität der Bundeswehr aus eigener Kraft aufbauen. Dafür brauchen wir auch externe Hilfe. Dennoch dürfen Vergaberechtsverstöße nicht passieren. Das ist abgestellt. Außerdem gab es Kennverhältnisse zwischen einigen Mitarbeitern des Hauses und externen Experten, die unschön aussehen. Wir haben intensiv untersucht, ob die Arbeit in den Projekten davon negativ beeinflusst war und haben dazu nichts feststellen können. Wer anderes behaupten möchte, muss es beweisen.

Eine Schlüsselrolle wird Ihrer ehemaligen Staatssekretärin Katrin Suder zugewiesen. Wäre eine Aussage Ihrerseits angemessen gewesen?
Frau Suder ist unabhängig. Sie ist nicht mehr im Staatsdienst. Sie entscheidet unabhängig vom Ministerium.

Was ist Ihre persönliche Verantwortung?
Ich trage für alles in der Bundeswehr die politische Gesamtverantwortung. 

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