Deutschland als Vorbild beim Waffenverkauf?

Die Ampel arbeitet an einem neuen Gesetz zu Rüstungsexporten – Fachleute streiten darüber beim FR-Podium.
Frankfurt - Ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz soll die (restriktive) Rüstungspolitik der Bundesregierung festschreiben, und das erstmalig. Insofern verbirgt sich hinter dem Wortungetüm ein spannendes Thema mit hoher Relevanz. Alleine, dass dieses Gesetz im Anlauf ist, verstärkt die öffentliche Diskussion über die Grenzen deutscher Rüstungsexporte.
Dazu nur eine Zahl: 2022 hat die Bundesregierung nach Angaben des zuständigen Staatssekretärs Sven Giegold (Grüne) die Ausfuhr von Rüstungsgütern im Wert von mehr als acht Milliarden Euro genehmigt, darunter allerdings ein Gros an EU- und Nato-Länder sowie die Ukraine, die sich auch nach Ansicht vieler Rüstungskritiker:innen zu Recht mit Waffen gegen den völkerrechtswidrigen russischen Überfall zur Wehr setzt.
Eckpunkte-Papier liegt vor
Die Ausfuhrgenehmigungen an andere Drittländer würden restriktiv gehandhabt, beteuert die Ampel-Regierung, erst recht, da darunter schwierige Autokratien wie Saudi-Arabien zu nennen sind. Das Land ist im Jemen in einen langwierigen Krieg verwickelt. Man ahnt: Die kritischen Fragen an die Bundesregierung und das neue Gesetz sind damit nicht am Ende, zumal es noch nicht vorliegt. Bislang ist nur ein Eckpunkte-Papier in der Diskussion, einen Termin für das Gesetz gibt es noch nicht.
Das hat die Bundestagsabgeordnete und Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger (Grüne) am Montagabend auf dem Podium im Frankfurter Haus am Dom bestätigt, das FR-Redakteur Andreas Schwarzkopf moderiert hat. Neben Brugger waren der Publizist Jürgen Grässlin, Simone Wisotzki vom Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung sowie Hans Christoph Atzpodien zu Gast, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.
Schlagwort „Zeitungswissen“
Vor allem zwischen Atzpodien, der die Interessen der Rüstungsindustrie vertrat, und Grässlin entspann sich ein Schlagabtausch, vornehmlich über die Forderung nach einem Verbandsklagerecht. Das würde zivilgesellschaftlichen Akteuren, analog zum Umwelt- oder Behindertenrecht, die Möglichkeit geben, von Gerichten überprüfen zu lassen, ob sich der Bund an rechtliche Vorgaben hält.
Die Industrie lehnt das ab, Atzpodien wies auf Schwierigkeiten hin, die das Klagerecht für die europäische Abstimmung in der Rüstungspolitik bedeuten könnte. Außerdem: „Warum sollte ich als einzelner Bürger mit Zeitungswissen besser als der Bund in der Lage sein, andere Länder richtig einzuschätzen?“, fragte er rhetorisch in die Runde. Das brachte Grässlin in Rage: „Warum haben Sie so viel Angst vor der Demokratie?“ Der Friedensaktivist, der wie Wisotzki an den Fachgesprächen des Bundeswirtschaftsministeriums zum Thema teilgenommen hat, sagte, die Diskussion hier sei „keine Spaßgesellschaft“. Waffenexporte könnten „Beihilfe zu Menschenrechtsverbrechen“ und sogar „Beihilfe zum Mord“ bedeuten.
Er wies auf Kriege in Libyen, Afghanistan und eben auch Jemen hin, und darauf, dass sich „die Rüstungsindustrie eine goldene Nase verdient“. Waffen seien keine „normalen Produkte“, erwiderte Atzpodien, das sei klar. Er betonte, dass die Bundesregierung über Rüstungsexporte entscheide – und nicht die Industrie. Das „Primat der Politik“ sei unstrittig, zumal es bei Kriegswaffen mehrere Prüfungsschritte gebe.
Wisotzki sagte, Ziel müsse sein, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das eine „Sogwirkung“ entfalte und andere Staaten veranlasse, ähnliche Regelungen für den Rüstungsexport einzuführen. Das könne aber Jahrzehnte dauern, sagte die Forscherin angesichts verschiedener Rüstungskulturen. Vor allem Frankreich, das sich nur bedingt auf Kooperationen einlässt, wird häufig genannt. (Martin Benninghoff)