- 0 Kommentare
- Weitere
Türkei
Der Türkei stehen mit Bidens Amtsantritt schwere Zeiten bevor
Ankaras Präsident Erdogan hätte sich einen Wahlsieg Donald Trumps gewünscht. Stoff für neue Konflikte mit Washington gibt es reichlich.
Recep Tayyip Erdogan sucht bessere Beziehungen zu den USA. Auf seine russischen Raketen will er aber nicht verzichten. Er verhandelt sogar mit Moskau über weitere Waffenlieferungen.
Die Wachablösung im Weißen Haus bringt den türkischen Staatschef in Zugzwang. Joe Biden ist ein ausgewiesener Erdogan-Kritiker. Vor einem Jahr bezeichnete er den türkischen Staatschef in der „New York Times“ als „Autokraten“ und rief zur Unterstützung der türkischen Opposition auf, „um Erdogan zu besiegen“. Schon als Vize von Präsident Barack Obama prangerte Biden Demokratiedefizite in der Türkei an.
Erdogan dürfte sich deshalb einen anderen Ausgang der Wahl gewünscht haben. Aber jetzt streckt er seine Fühler aus: Außenminister Mevlüt Cavusoglu äußert „Wertschätzung für die tief verwurzelten Beziehungen mit den USA“, Verteidigungsminister Hulusi Akar beschwört die „enge Partnerschaft“ beider Länder.
Die Liste der bilateralen Probleme zwischen der Türkei und den USA ist lang. Ganz oben stehen die türkischen Waffengeschäfte mit Russland. Nachdem Erdogan im vergangenen Jahr russische Luftabwehrraketen aufstellen ließ, stornierten die USA die Lieferung bereits angezahlter F-35-Kampfjets an die Türkei. Auf Druck des Kongresses verhängte Trump im Dezember Sanktionen gegen die staatliche türkische Rüstungsbehörde.
Jetzt hofft Erdogan nach eigenen Worten auf „positive Schritte“ zur Rückkehr in das F-35-Programm. Auf seine russischen Raketen will er aber nicht verzichten, im Gegenteil: Die Türkei verhandele derzeit mit Moskau über eine weitere Lieferung, sagte Erdogan soeben in Istanbul. Kommt es dazu, müsste die Türkei wohl mit weiteren US-Strafmaßnahmen rechnen.
Politische Sprengkraft hat auch der Prozess gegen die staatliche türkische Halk Bank, der im März in New York beginnen soll. Dem Geldinstitut werden Geldwäsche und Verstöße gegen das Iran-Embargo vorgeworfen. Die in der Ära Trump unter den Teppich gekehrten Differenzen in der Syrienpolitik dürften nun ebenfalls wieder aufbrechen. Biden ist ein scharfer Kritiker der türkischen Militäroffensive gegen die syrischen Kurdenmilizen, die in der Vergangenheit der wichtigste Verbündete der USA im Kampf gegen das IS-Terrornetzwerk waren. Die Türkei sei in Syrien „ein echtes Problem“, so Biden. Erdogan müsse dafür „den Preis bezahlen“.
Sieg Trumps erhofft
Mit Trump stand Erdogan in ständigem Kontakt. Der Journalist Carl Bernstein berichtet, mit keinem ausländischen Staatschef habe Trump so oft telefoniert wie mit Erdogan. Mit dem direkten Draht in Weiße Haus dürfte es künftig vorbei sein. Schon seit November bemühe sich Erdogan um einen telefonischen Kontakt mit Biden, berichten oppositionsnahe türkische Medien. Bisher kam kein Gespräch zustande. Aber gleich nach Bidens Amtseinführung werde Erdogan erneut im Weißen Haus anrufen, kündigte Außenminister Cavusoglu in der vergangenen Woche an.