Brutaler Angriff im Ukraine-Krieg: Der Tod kommt nach Kramatorsk
Raketen treffen in Kramatorsk nördlich von Donezk Ansammlungen Flüchtender am Bahnhof und töten mindestens 50 Zivilpersonen.
Donezk/Kiew – Die Empörung hängt an zwei Buchstaben. Aber wer nicht genau liest, sieht auch nicht, dass dort „at“ fehlt und woanders „at“ steht: In der Nacht zu Freitag ging ein Handy-Video um die Welt, das zeigen soll, wie ukrainische Soldaten mit russischen Gefangenen umgehen. Sie werfen Gefesselte zu Boden und schießen. Nach manchen Beschreibungen töten die Ukrainer die Russen: „... shoot Russian prisoners ...“, nach anderen schießen sie auf die Gefangenen: „...shoot at Russian prisoners...“ Dieser Unterschied macht eine eklatante kriegsrechtliche Diskrepanz aus.
Das Video zeigt brutale kriminelle Verhöre: Die Ukrainer wollen militärisch relevante Informationen aus den Russen pressen – und dafür schießen sie einigen ins Bein. Da ist kein Versehen – bei aller Wut über die Gräuel, die offensichtlich von russischen Soldaten systematisch verübt wurden und werden auf ukrainischem Gebiet, muss eine Regierung, die die sofortige Aufnahme in die EU fordert und sich als zutiefst europäisch darstellt, so etwas mit aller juristischen Härte ahnden. Werden diese Folterer zur Rechenschaft gezogen, macht das die dem Kreml zugerechneten Massaker von Butscha, Motyschyn und Trostjanez sowie den Dauerbeschuss von Charkiw und Mariupol nicht weniger skandalös.
Ukraine-Krieg: Verantwortliche für Kriegsverbrechen sollen vor Tribunale gestellt werden
Vielleicht wird Ursula von der Leyen darüber mit Wolodymyr Selenskyj Freitagnacht im verdunkelten Kiew sprechen. Die EU-Kommissionspräsidentin und ihr Außenbeauftragter Josep Borrell besuchen zur Stunde den ukrainischen Präsidenten. Bei dem Treffen wollten die EU-Spitzen zeigen, dass man „mehr denn je“ an der Seite der Ukraine stehe, so von der Leyen via Twitter. Das schließt Kritik nicht aus, macht sie sogar zwingend.

Der erste Politiker an Deutschlands Staatsspitze, der seit dem 24. Februar die Reise in die Ukraine wagen könnte, müsste dann neben allen Beistandsbekundungen auch auf die Rechtsstaatlichkeit der EU-Aspirantin Ukraine pochen. Es ist zu erwarten, dass Frank-Walter Steinmeier das in seiner ihm eigenen diplomatischen Art tut. Der Bundespräsident bekundete gegenüber dem Magazin „Der Spiegel“ am Freitag, dass er den Gang nach Kiew erwägt. Und obendrauf setzte er nach Agenturberichten, dass gegen alle Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg Tribunale gefordert seien – auch gegen die höchsten politischen Stellen. Also den Kreml.
Angriff auf Kramatorsk im Ukraine-Krieg: „Das Böse kennt keine Grenzen“
Als Steinmeier von Verantwortlichkeiten sprach, konnte er noch nichts von Kramatorsk wissen: Der Verwaltungssitz des ukrainischen Teils des Donbass ist Verkehrsdrehscheibe für die aus dem Osten fliehenden Menschen. Am Mittag dieses 44. Kriegstages trafen zwei russische Raketen den Bahnhof von Kramatorsk: mehr als drei Dutzend zivile Tote und über 80 Verletzte, manche nur noch blutige Haufen, manche vom Explosionsdruck getötet, scheinbar nur unverletzt. Selenskyj sagte dazu nur: „Das Böse kennt keine Grenzen.“ (Peter Rutkowski)