Der Tod eines (un)bequemen Hetzers

Überlegungen zum Attentat auf den Blogger Wladlen Tatarski
Bei allem Entsetzen über den Terror: Der Explosionstod des russischen Militärbloggers Wladlen Tatarski (eigentlich: Maxim Fomin) in einem St. Petersburger Café am Sonntag hatte etwas Filmreifes an sich. Und bevor nun angeblich pazifistische Empörung sich ausbreitet: Die Untersuchung von Todesumständen sind Teil der Kriminalistik.
Also: Tatarski erhält im Kreis Gleichgesinnter eine Büste überreicht. Die explodiert kurz darauf. Tatarski ist tot, mehr als 30 Leute verletzt. Der Tatort war nicht irgendein Café: Söldnerunternehmer Jewgeni Prigoschin hatte es der Militärblog-Community als „Cyber Front Z“ überlassen, ein Treff für alle, die vom Kreml hofiert als Scharfmacher für den Krieg in der Ukraine trommeln. Gerne auch auf Kosten der russischen Generalität. Ihrem Konkurrenten Prigoschin gefällt das.
Diese Blogger berufen sich für ihr Tun darauf, Veteranen zu sein und kameradschaftliche Kontakte zu Frontsoldaten zu unterhalten. Und deshalb „die Wahrheit“ zu posten und ergo die besseren Strategen zu sein. Tatarski war eines der bekanntesten Exemplare dieser Szene: laut, deftig, brutal.
Sein Verlust ist bereits ins russische Propagandakonzert integriert: Prigoschin behauptete am Montag, das Städtchen Bachmut – seit zehn Monaten umkämpft – sei „rechtlich“ in seiner Hand, auf dem Gebäude der Stadtverwaltung wehe die russische Fahne. Mit dem Namenszug „Tatarski“. Und die „Komsomolskaja Prawda“ titelt: „Wladen Tatarsij ist jetzt an einem anderen Abschnitt der Front, dort, wo die Finsternis gegen das Licht kämpft.“
Die russische Polizei nahm eine Frau fest, die angeblich Tatarski die Büste überreicht hatte und die wegen Friedensbekundungen schon aktenkundig war. Alle anderen russischen Stellen befleißigten sich darin, „das Regime in Kiew“ verantwortlich zu machen.
Nützt Tatarskis Tod der Ukraine? Nein. Je mehr Russ:innen durch die Blogger fanatisiert werden, umso mehr wollen sich für Putins Pläne totschießen lassen. Umso länger dauert der Krieg.
Nützt Tatarskis Tod den Mächtigen Russlands? Ja. Die bloßgestellte Militärführung könnte sich gerächt und gezeigt haben, dass mit ihr sehr wohl noch zu rechnen ist. Der Kreml könnte von seinem generellen Versagen ablenken wollen. Putin tat das schon einmal: 1999 mit den angeblich tschetschenischen „Wohnblock-Attentaten“ mit 300 Toten und 1000 Verletzten, die Russland verunsicherten. Der russische Geheimdienst soll Putin so den Weg zur Macht geebnet haben.