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Der Strafgerichtshof macht ernst

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Von: Jan Dirk Herbermann

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Gegen Wladimir Putin wurde Haftbefehl erlassen.
Gegen Wladimir Putin wurde Haftbefehl erlassen. © IMAGO/ITAR-TASS

Der Haftbefehl gegen Präsident Putin wegen Kriegsverbrechen folgt auf Ermittlungen, die schwere Gräuel russicher Truppen zutage förderten

Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag hat Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine hat erlassen. Gegen Putin sei wegen der „unrechtmäßigen Deportation“ ukrainischer Kinder nach Russland Haftbefehl ergangen, erklärte das Gericht mit Sitz in Den Haag am Freitag. Ein weiterer Haftbefehl erging demnach gegen die Kinderrechtsbeauftragte des russischen Präsidenten, Maria Alexejewna Lwowa-Belowa, wegen des gleichen Vorwurfs.

Es bestünden „vernünftige Gründe“ für die Annahme, dass Putin für die als Kriegsverbrechen einzustufende Verschleppung von Kindern auf russisches Territorium „persönlich verantwortlich“ sei, erklärte der Strafgerichtshof. Die Verbrechen hätten in den russisch besetzten Gebieten in der Ukraine „mindestens ab dem 24. Februar 2022“, dem Beginn des russischen Angriffskriegs, eingesetzt. Laut der ukrainischen Regierung wurden bis Februar mehr als 16 000 Kinder aus der Ukraine nach Russland oder in russisch kontrollierte Gebiete verschleppt.

Der ICC hatte bereits unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ermittlungen aufgenommen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass Putin tatsächlich auch vor dem Gericht in Den Haag erscheinen wird. Russland erkennt den ICC nicht an. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hatte erst am Donnerstag in einer Pressekonferenz zu möglichen Haftbefehlen gegen Russen gesagt: „Mit dem Organ arbeitet Russland nicht zusammen.“ Mögliche Haftbefehle seien für Moskau „juristisch nichtig“.

Obgleich die Ukraine das Römische Statut des Internationalen Gerichtshofs nicht ratifiziert hat, erkennt Kiew die Befugnis der Richter für seit 2014 auf ukrainischem Staatsgebiet verübte Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen die Ukraine an. 2015 übergab Kiews Außenminister Pawlo Klimkin in Den Haag eine entsprechende Erklärung.

Erst am Donnerstag hatte die Ukraine-Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates in Genf ihren Report über Kriegsverbrechen vorgelegt. Der Ermittlungsbericht enthält schockierende Abschnitte über Gräuel, die Putins Truppen demnach in der Ukraine verübt haben. Das Fazit: Die Streitkräfte des Kremls haben seit ihrem Einmarsch am 24. Februar 2022 eine große Zahl an Kriegsverbrechen verübt. Auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssen laut den Ermittelnden den Kremltruppen zur Last gelegt werden.

Verschleppen, foltern, töten

Der Vorsitzende der Kommission, der norwegische Topjurist Erik Møse, und sein Team listeten die Taten auf: Darunter finden sich Angriffe auf Zivilist:innen und die Energieinfrastruktur, vorsätzliche Tötungen, ungesetzliche Inhaftierungen, systematische und weitverbreitete Folter, sexualisierte Gewalt sowie Deportationen und Verschleppungen von Kindern aus der Ukraine nach Russland. Die deutsche Botschafterin bei den UN in Genf, Katharina Stasch, nannte die Kindesentführungen „besonders abscheulich“.

Angesichts der Gräueltaten empfahl die Kommission, „alle Verstöße und Verbrechen zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, entweder auf nationaler oder auf internationaler Ebene“. Eine Liste mit mutmaßlichen Kriegsverbrechern sollte an das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte übergeben werden. Auf dieser Liste wurden neben den Tätern vor Ort auch die Namen Verantwortlicher des russischen Regimes, allen voran eben der Putins, erwartet.

Bei möglichen Prozessen in Abwesenheit der Angeklagten würde auch Material einfließen, das die UN-Untersuchungskommission dokumentiert hat. Ermittelt hat die Kommission in 56 Ortschaften der Ukraine wie Butscha und sie befragte 348 Frauen und 247 Männer. Die Ermittelnden besichtigten zerstörte Gebiete, Gräber, Haft- und Folterorte sowie Waffenreste.

Liegen den Ermittlern neben den Beweisen für Kriegsverbrechen auch Belege für einen Völkermord vor? „Wir haben nicht herausgefunden, dass in der Ukraine ein Genozid stattgefunden hat“, betonte Møse am Donnerstag. Für eine abschließende Beurteilung aber ist es nach Erkenntnissen der Kommission zu früh. Ob die Untersuchungskommission den Tätern auf der Spur bleibt, steht auch noch nicht fest. Der Menschenrechtsrat der UN muss das Mandat des Teams verlängern, das ursprüngliche einjährige Mandat läuft diesen Monat aus. mit dpa/afp

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