Der große Wandel im Atlantischen Regenwald

Wo Wildnis intensiver Landnutzung weicht, ändern sich die Artengemeinschaften. Amphibien sind am stärksten von den Eingriffen betroffen.
Einst zog sich der Atlantische Regenwald 3000 Kilometer an der Küste im Südosten Brasiliens entlang und beherbergte auf einer Fläche von mehr als einer Million Quadratkilometern die unterschiedlichsten tropischen und subtropischen Waldtypen. Davon ist heute nicht mehr viel übrig. Seit den 1970er Jahren werden immer mehr Flächen gerodet und dort, wo früher urwüchsige Wildnis vorherrschte, Eukalyptus- Monokulturen angebaut.
So sind Schätzungen zufolge inzwischen nur noch zwischen elf und 16 Prozent des Atlantischen Regenwaldes unversehrt, zerstückelt zu kleinen Inseln inmitten einer von Menschen gemachten Kulturlandschaft. „Fast 72 Prozent der brasilianischen Bevölkerung leben an den geografischen Grenzen dieses Gebietes und sind stark von den dort erbrachten Ökosystemleistungen abhängig“, erklärt Raffael Ernst von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden: „Die Degradierung dieser Landschaft ist daher extrem besorgniserregend. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Brasiliens Staatschef Bolsonaro das Staatsbudget für den Umweltschutz gerade um fast ein Viertel gekürzt hat.“
Folgen schwer einzuschätzen
Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Brasilien hat Raffael Ernst den Einfluss der intensiven Landnutzung auf die Vogel- und Amphibienwelt des Atlantischen Regenwaldes untersucht. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden im Fachjournal „Biological Conversation“ veröffentlicht. Sie zeigen, dass die Aufforstung mit Eukalyptus-Monokulturen zu einer Veränderung bei der Zusammensetzung der dort lebenden Tierarten führt und gebietsfremde Arten begünstigt, die eigentlich in diesen Gebieten nicht heimisch sind. Dazu gehört unter anderem der Amerikanische Ochsenfrosch, ein ursprünglich aus Nordamerika und dem nördlichen Mexiko stammender, kräftiger Froschlurch, der bis zu 20 Zentimeter groß werden kann. Er wurde von Menschen in viele Gebiete der Erde verschleppt und hat sich deshalb in etlichen Ländern mit den verschiedensten klimatischen Bedingungen ausgebreitet.
Die bislang geltenden „kritischen Umweltschwellenwerte“, die festlegen sollen, ab wann es zu einer negativen Veränderung im Waldökosystem kommt, sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als zu hoch angesetzt an. Denn das Forschungsteam um Raffael Ernst fand heraus, dass sich die Gemeinschaften von Amphibien bereits ändern, wenn weniger als zehn Prozent ihres Lebensraumes mit Eukalyptus bepflanzt werden. Die Vogelwelt verändert sich ab einem Verlust von 20 Prozent der ursprünglichen Waldfläche.
„Frösche und Co. sind vergleichsweise schneller betroffen, da sie weniger mobil sind und sich dadurch auch nicht so leicht einen neuen Lebensraum suchen können“, erläutert Raffael Ernst. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigten auch, dass Arten nicht einfach aussterben, sondern neue Artengemeinschaften entstehen.
Darüber, wie sich das auf die Umgebung, in der sie leben, auswirkt, ist bislang aber nur wenig bekannt. „Die aktuelle brasilianische Umweltpolitik führt dazu, dass sich dieses einzigartige Ökosystem von zentraler Bedeutung langfristig nachhaltig und unumkehrbar verändern wird“, sagt Ernst. Die Folgen für Mensch und Natur seien dabei „nur schwer abschätzbar“.
Die Eukalyptusbäume, denen der Urwald weichen muss, kommen natürlicherweise in Australien und Indonesien vor. Sie werden aber auch in vielen anderen Regionen weltweit in großen Plantagen angebaut, weil sie schnell wachsende und günstige Rohstofflieferanten für die Holz- und Papierindustrie sind. Verschiedene Eukalyptusarten werden außerdem zur Gewinnung ätherischer Öle genutzt.