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Ukraine-Krieg: Der absehbare Pyrrhus-Sieg in Sjewjerodonezk

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Von: Peter Rutkowski

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Ukrainische Soldaten in Schytomyr trauern um gefallene Kameraden.
Ukrainische Soldaten in Schytomyr trauern um gefallene Kameraden. © dpa

Die russischen Truppen sind weiter auf dem Vormarsch im Donbass, aber die Personaldecke der Invasoren wird immer dünner.

Sjewjerodonezk – Es gibt keinen Grund, das Regime des Alexander Lukaschenko zu loben. Wer etwas auf westliche Werte gibt, dem verbietet es sich, dem mörderischen faschistoiden Diktator auch nur ironisch Beifall zu zollen. Am 101. Tag des Ukraine-Krieges muss man aber nolens volens dem Putin-Freund in Minsk Respekt zollen für „die“ überraschende Nachricht des Freitags: Er sei willens, darüber zu sprechen, zitierten ihn staatliche Medien, ob ukrainisches Getreide über Belarus zu den baltischen Häfen transportiert wird.

Wenn die UN zu „gewissen Kompromissen“ bereit wäre, wie das Büro von Generalsekretär António Guterres bestätigte. Diese Kompromisse wären vor allem, dass das von der internationalen Gemeinschaft sanktionierte und weitgehend isolierte Belarus auf dem gleichen Weg eigene Produkte exportieren darf. Das Überraschende an dieser Nachricht ist nicht ihre Glaubwürdigkeit, die durchaus angezweifelt werden kann. Vielmehr verdient das gerüttelt Maß an Sanftheit, mit der dieser Nötigungsversuch unternommen wird, Respekt.

Ukraine-Krieg: Zivile Bevölkerung in Sjewjerodonezk eingeschlossen

Echten Respekt verdient der Durchhaltewillen der schätzungsweise 800 Zivilpersonen, die seit Tagen schon im Keller der Chemiefabrik Azot im schwer umkämpften Sjewjerodonezk ausharren sollen. Angeblich sind von der Vorkriegs-Bevölkerung von 97.000 noch 20.000 in der Stadt, die nach ukrainischen Angaben nun zu einem Fünftel unter russischer Kontrolle sein soll. Gleichwohl hätten lokale ukrainische Gegenstöße auch Erfolg gehabt, so Präsident Wolodymyr Selenskyj in seinem täglichen Video-Lagebericht vom Donnerstag (2. Juni).

Das britische Verteidigungsministerium bestätigte in seinem Lagebericht, die Russen seien weiter auf dem Vormarsch in der Oblast Donezk und beherrschten nun 90 Prozent des anderen Donbass-Teils, der Oblast Luhansk. Der US-amerikanische Thinktank Institute for The Study of War schätzte es am Freitag (3. Juni) allerdings so ein, dass die russischen Truppen vielleicht Sjewjerodonezk und auch Lissytschansk einnehmen könnten, dann aber würden ihnen schlicht die Kräfte fehlen, um weitere Geländegewinne in der Oblast Donezk zu erzielen.

Für einen echten Erfolg dort müssten Moskaus Streitkräfte nämlich den Siwerskyj Donez überqueren können – ein schwieriges Unterfangen, das die ukrainische Artillerie bereits zweimal mit hohem Geschick zusammenschießen konnte. Es ist offensichtlich, dass die Ukrainer weiterhin durch ihre lokalen Kenntnisse wichtige geografische Vorteile in dem Krieg haben.

Ukraine-Krieg: Kreml will Gebiet zwischen Mariupol und Cherson einverleiben

Die Lage der russischen Armee in der Ukraine wird noch zusätzlich erschwert durch die sich trotz aller staatlichen Propaganda mehrenden Proteste von Frontsoldaten. So sollen zum Militärdienst gezwungene Männer des 113. Regiments der separatistischen „Donezker Volksrepublik“ sich per Video beklagt haben, sie stünden seit Anbeginn der Kämpfe bei Cherson und hätten bis heute weder Lebensmittel noch Medikamente geliefert bekommen. Die zivile oder wenigstens militärisch-zivile Verwaltung der durch Moskaus Truppen eroberten Gebiete scheint sowieso nicht im geringsten zu funktionieren.

Umso mehr ist der Kreml bemüht, sich das Gebiet zwischen Mariupol und Cherson durch zivile Verwaltungsvorgänge, die allem internationalen Recht widersprechen, einzuverleiben. Im übrigen werden auch weiterhin in den russische besetzten Teilen des Donbass Männer von der Straße weg eingezogen. Der Effekt ist, dass in den Milizen praktisch keinerlei Disziplin herrscht. Die Zunahme von Kriegsverbrechen wird damit nur wahrscheinlicher.

Überhaupt scheinen die russischen Militärbehörden zunehmend Probleme mit ihren Wehrdienstleistenden wie ihren Berufssoldaten zu haben. Laut Institute for The Study of War könnten bisher bis zu 40 Prozent der von den Fronten wegrotierten Männer die Rückkehr in die Ukraine verweigert haben. (Peter Rutkoswki)

Währenddessen setzen die russischen Aggressoren Vergewaltigungen als Kriegswaffe ein. Gegen entsprechende Verbrechen will Kiew „so schnell wie möglich“ vorgehen. (Peter Rutkowski)

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