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"Dauerhafte Systemdifferenzen"

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Von: Marina Kormbaki

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Gemeinsam auf dem roten Teppich: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Chinas Staatschef Xi Jinping (l.).
Gemeinsam auf dem roten Teppich: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Chinas Staatschef Xi Jinping (l.). © dpa

Bundespräsident Steinmeier reist durch China. Der Experte Huotari spricht in der FR über das Verhältnis beider Länder.

Herr Huotari , ist Bundespräsident Steinmeier in einer Diktatur zu Gast?
Das ginge zu weit. Steinmeier ist in einem Einparteienstaat unterwegs, der zunehmend autoritäre Züge aufweist. Ein Staat, der mitunter zu Repressionen greift, die diktatorischen Charakter haben.

Die Digitalisierung steht im Mittelpunkt von Steinmeiers Reise – sie wird in China als Instrument der Kontrolle und Unterdrückung eingesetzt. Ist da ein Austausch überhaupt möglich?
Digitalisierung ist ein so umfassendes Phänomen, da lassen sich viele Anknüpfungspunkte finden. Bloß weil wir mit der chinesischen Führung darüber reden, machen wir uns ja nicht gleich ihren Umgang mit Digitalisierung zu eigen. Digitale Überwachungstechnik, Gesichtserkennung, Big Data – ja, es gibt massive Differenzen im Einsatz digitaler Möglichkeiten. Und genau darüber müssen wir sprechen. Schließlich sind auch deutsche Unternehmen in China vom Missbrauch ihrer Daten betroffen, und chinesische Angebote schwappen nach Europa.

Wie eng ist das deutsch-chinesische Verhältnis?
Die deutsche Wirtschaft ist massiv mit dem chinesischen Markt verflochten. Und natürlich sind wir auch politisch miteinander verbunden: Chinas Art, Konflikte auszutragen, hat Folgen für uns – etwa im Handelsstreit mit den USA. Gesellschaftlich aber sind Deutsche und Chinesen insgesamt einander immer noch fern. Angesichts der zunehmenden Repression in China ist ein gesellschaftlicher Austausch, beispielsweise vermittelt durch deutsche Stiftungen oder NGOs, zuletzt sehr schwierig geworden.

Sind der von der Bundesregierung forcierte Menschenrechts- sowie der Rechtsstaatsdialog mit China nur ein Deckmantel für gute Geschäfte mit Peking?
Die Regierung kann Wirtschaftsunternehmen schwer vorschreiben, wo sie investieren. Aber die Behauptung, wir würden uns selbst und unsere Werte im Umgang mit China verkaufen und verraten, ist falsch. Dialog heißt ja nicht, dass man sich einig ist. Diese Formate sind auch Kanäle, um einander die Meinung zu sagen.

Oft heißt es, der Westen könne in China Wandel durch Handel bewirken. Tut er das?
Wandel durch Handel hat stattgefunden und findet weiter statt. Chinas Wirtschaftssystem hat sich beispielsweise durch den WTO-Beitritt massiv verändert. Es wäre aber naiv zu glauben, dass gemeinsamer Handel automatisch zu politischer Öffnung und Demokratisierung führt. Wir müssen uns auf dauerhafte Systemdifferenzen in wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Fragen einstellen.

Es gibt in Deutschland inzwischen 20 Konfuzius-Bildungsinstitute, die Chinas Regierung unterstehen. Ist deren Einfluss auf das deutsche China-Bild bedenklich?
Die Kommunistische Partei Chinas versucht auf verschiedenen Kanälen, die Meinungsbildung in Deutschland zu beeinflussen. Einige davon sind legitim und bereiten uns dennoch Sorgen, schließlich steht dahinter ein autoritärer Staat. Wir müssen genau hinschauen, welche Inhalte die Konfuzius-Institute vermitteln und welche sie unterbinden.

Nimmt China über Investitionen politischen Einfluss auf Deutschland? Es ist in Deutschland schwer, direkt durch die Übernahme oder den Kauf von einzelnen Unternehmen politischen Einfluss auszuüben. Aber natürlich verändern Investitionsversprechen auch indirekt die Kalküle von Politikern, die sich beispielsweise für ihren Standort einsetzen, oder anderweitig davon profitieren.

Und wie ist es in Europa: Spaltet China mit seinem Seidenstraßen-Projekt die EU? Gewiss können wirtschaftlich schwache Staaten in eine Abhängigkeit zu China gelangen, wenn sie den Ausbau von Autobahnen und Zugverbindungen mit chinesischen Krediten finanzieren. Tatsächlich gibt es auch längst Hinweise darauf, dass EU-Staaten bei strittigen Abstimmungen zunehmend chinesische Sensibilitäten berücksichtigen – etwa wenn es um Menschenrechtsfragen geht oder um Chinas Vormachtstreben im südchinesischen Meer. Man sollte hier aber nicht Ursache und Wirkung verwechseln: China ist für Autokraten wie Orbán auch ein Instrument, um ihre Abneigung gegen Europa auszuleben.

Interview: Marina Kormbaki 

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