300 Euro im Monat: Warum SPD und Linke so teuer sind

Parteien verlieren immer mehr Mitglieder. Das könnte auch an zu hohen Beiträgen liegen. Wer kann sich in diesen Zeiten schon einen dreistelligen Betrag pro Monat leisten? Zwei Parteien sind besonders teuer.
Köln – Wo reicht der monatliche Mitgliedsbeitrag von 2,50 Euro bis 300 Euro und mehr? Die Antwort auf diese Frage war bei einer „Wer wird Millionär?“-Ausgabe Anfang Februar 8.000 Euro wert. Falsch war: Netflix, Borussia Dortmund und der ADAC. Richtig: die SPD. Moment mal. 300 Euro im Monat, um Mitglied bei den Sozialdemokraten zu sein?
Das klingt nicht nur teuer, das ist vor allem im Vergleich zu den anderen Parteien teuer. Wie viel die Mitgliedschaft in einer Partei kostet, hängt in aller Regel vom Gehalt ab wie der Münchner Merkur berichtet. Manche Parteien nehmen das Bruttogehalt als Maßstab, andere das Nettogehalt. Überall gilt: Es geht um Mindestbeträge, mehr zahlen ist immer möglich. Im Folgenden hat der Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA die Bruttogehälter so gewählt, dass man damit in Steuerklasse I (ohne Kinder, ohne Kirchenmitgliedschaft) auf das gleiche Nettogehalt kommt – um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten.
300 Euro kostet das SPD-Parteibuch im Monat, wenn man 6.000 Euro netto verdient. Grünen-Mitglieder zahlen bei gleichem Einkommen 60 Euro, FDP-Mitglieder 52 Euro, CDU-Mitglieder 50 Euro und AfD-Mitglieder 10 Euro. Nur die Linkspartei ist ähnlich teuer wie die Sozialdemokraten. Dort würde die monatliche Mitgliedschaft bei dem entsprechenden Gehalt 240 Euro kosten.
Geringere Partei-Mitgliedsbeiträge wegen wirtschaftlicher Krise? „Nicht geplant“
Setzt man das monatliche Einkommen geringer an, verschwimmen die Unterschiede. Bei 2.000 Euro netto pro Monat kostet die SPD-Mitgliedschaft 21 Euro. Grüne (20 Euro), CDU (17 Euro), FDP (15 Euro) und AfD (10 Euro) liegen in einem ähnlichen Bereich. Einzig die Linke weicht mit 65 Euro extrem vom Durchschnitt ab.
Dreistellige Summen für eine Parteimitgliedschaft – das wirkt gerade angesichts der enorm gestiegenen Preise fast wie ein Luxus-Abo. Da ist auch der Umstand, dass Parteispenden steuerlich geltend gemacht werden können, für viele eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Vor dem Hintergrund schrumpfender Mitgliederzahlen, besonders bei der SPD, stellt sich umso drängender die Frage: Wäre es nicht an der Zeit, die Mitgliedsbeiträge krisengerecht runterzuschrauben?
Das sei nicht geplant, sagt ein SPD-Sprecher auf Anfrage des Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. In der Vergangenheit war es ohnehin umgekehrt. Denn: In den letzten Jahren sei der Durchschnittsbeitrag pro SPD-Mitglied gestiegen. „Seit 2003 erfolgt eine jährliche prozentuale Anpassung der Mitgliedsbeiträge, die sich an der Steigerung der durchschnittlichen Nettoeinkommen orientiert. Ausgenommen davon sind Mitglieder, die dieser Anpassung widersprechen und Mitglieder, die den Ausnahmebeitrag von 2,50 Euro pro Monat zahlen.“
Die Altersstruktur der SPD: „Da sorgt primär die Demografie dafür, dass die Partei schrumpft“
Wie viele SPD-Mitglieder wegen der Höhe des Mitgliedsbeitrags austreten, wisse die Partei nicht. „Ein Zusammenhang zwischen Beitragshöhe und Parteiaustritt oder Austrittsabsicht wird lediglich in Einzelfällen thematisiert, zum Beispiel im Fall von Arbeitslosigkeit, Renteneintritt, Pflege. Unsere Satzung lässt jederzeit zu, den Beitrag der Lebenssituation entsprechend eigenständig anzupassen. Darauf werden unsere Mitglieder hingewiesen“, sagt der SPD-Sprecher. Die Linke hat auf eine Anfrage unserer Redaktion nicht reagiert.
Dass Linke und SPD im oberen Einkommensniveau vergleichsweise teuer sind, überrascht Uwe Jun nicht. Er ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier. Sein Spezialgebiet: Parteienforschung. „Wer mehr hat, muss mehr zahlen. Das ist ein wichtiger Kern sozialdemokratischer Politik, der traditionell auch bei den Mitgliedsbeiträgen angewendet wird“, sagt Jun.
Insgesamt beobachtet er seit Jahren die sinkende Bedeutungslosigkeit in der deutschen Parteienlandschaft. „In einer Partei Mitglied zu sein, hat heute gesellschaftlich einen geringeren Stellenwert als in den 1970er oder 1980er Jahren“, sagt Jun. „Eine Parteimitgliedschaft bedeutet, dass ich mich ideologisch festlege und organisatorisch binde. Beides wollen insbesondere junge Menschen immer seltener.“ Würden geringe Beiträge mehr junge Menschen für Parteien begeistern? „Davon ist kaum auszugehen.“
Aus der Forschung wisse man nicht genau, ob zu hohe Mitgliedsbeiträge den Mitgliederschwund deutscher Parteien begünstigen. „Wenn jemand aus einer Partei austritt, spielen in der Regel inhaltliche Aspekte die wichtigste Rolle. Man trägt die Politik nicht mehr mit oder man ist unzufrieden mit den handelnden Personen in einer Partei“, erklärt Jun. Bei der SPD komme noch eine Besonderheit hinzu: „Die Partei hat das höchste Durchschnittsalter der Mitglieder. Da sorgt primär die Demografie dafür, dass die Partei schrumpft“, so Jun.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum der Mitgliedsbeitrag mutmaßlich nicht der entscheidende Faktor ist: Es wird in vielen Fällen nämlich gar nicht das gezahlt, was laut Satzung fällig wäre. „Die Angaben zu Gehältern können Parteien nicht überprüfen“, sagt Jun. „Von daher muss man davon ausgehen, dass viele Parteimitglieder weniger zahlen, als sie müssten. Das muss nicht mal böser Wille sein, es wird oft auch einfach vergessen, nach einer Gehaltserhöhung den Beitrag anzupassen.“ Dazu sei die Höhe des Mitgliedsbeitrags ein Politikum in den Parteien. „Da geht man in der Regel nur selten grundlegend dran“, so Jun.
Gerade für SPD und Linke seien die Mitgliedsbeiträge in ihrer gesamten Finanzierung sehr wichtig, erklärt der Experte. „Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Höchstens 50 Prozent des Budgets dürfen aus staatlichen Mitteln kommen. Die zweite Hälfte muss aus anderen Quellen stammen. Dazu zählen auch Mitgliedsbeiträge und Spenden. Da etwa SPD und Linke eher weniger Spenden bekommen, sind Mitgliedsbeiträge für sie durchaus sehr wichtig.“ Andere Parteien würden sich etwas stärker über Spenden finanzieren.
Innerparteilicher Spitzensteuersatz der SPD: „Starke Schultern müssen mehr tragen“
Schaut man sich die Mitgliedsbeiträge der Parteien im Vergleich an, fällt auf: Gerade bei der SPD müssen Mitglieder mit steigendem Einkommen auch wesentlich tiefer in die Tasche greifen. Mehr Einkommen, mehr Abgaben – war da nicht was? Richtig. In den Bundestagswahlkampf 2021 zog die SPD mit einer Forderung nach höheren Steuern für Vermögende. Bei den Koalitionsgesprächen der Ampel-Regierung hatte sich die FDP allerdings vehement gegen solche Pläne gestemmt.
Dabei leben die Genossen das Solidarprinzip innerparteilich bereits. Wenn ein SPD-Mitglied heute 3.000 Euro netto verdient und nächsten Monat 6.000 Euro, dann verdoppelt sich der Mitgliedsbeitrag nicht. Er steigt um das Elffache an. Warum man das nicht auch als Regierungspartei umsetzt? Dazu sagt der SPD-Sprecher nur: „Die SPD ist davon überzeugt, dass starke Schultern absolut und relativ mehr tragen können und müssen. Dieser solidarische Grundsatz leitet uns auch bei der Frage der Mitgliedsbeiträge.“