Update von Montag, 30.11.2020, 17.10 Uhr: Die Rodungen im Dannenröder Forst gehen weiter. Die Polizei soll sich laut Angaben eines Twitter-Accounts aus dem Umfeld der Aktivist:innen Verfolgungsjagden im Wald liefern, während in verschiedenen Waldstücken weiter Bäume gefällt und Barrikaden geräumt werden. Die Baumhäuser „Marmeladenglas“ und „Lichtblick“ sollen geräumt werden. An mehreren Zugängen zu den verschiedenen Protestcamps sollen friedliche Initiativen wie „Parents for Future“ nicht mehr durchgelassen werden, heißt es.
Vonseiten der Polizei Mittelhessen kommen Vorwürfe gegenüber einzelnen Aktivist:innen. Die Social Media-Abteilung der Polizei verurteilt auf Twitter das Verhalten einer Person, die in Richtung der Polizei gespuckt haben soll. Wörtlich heißt es: „Leider wurde auch getroffen. Solches Verhalten ist auch ohne ein Pandemiegeschehen mehr als unangenehm.“
+++ 17.10 Uhr: Beim Protest gegen den A49-Ausbau im Dannenröder Forst hat die Polizei am Sonntagnachmittag einen Wasserwerfer gegen Aktivist:innen eingesetzt. Zuvor sollen Aktivist:innen versucht haben, einen Hubsteiger der Polizei zu besetzen. Die Einsatzkräfte seien zudem mit Pyrotechnik, Steinen und Holzstämmen angegriffen worden. „Wir dulden keine Straftaten und werden konsequent dagegen vorgehen“, teilte eine Sprecherin der Polizei in einem Video mit.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat derweil die Grünen aufgefordert, sich von „radikalen“ Kräften abzugrenzen. „Bürgerlich wird man dadurch, dass man keine Baumstämme auf Polizisten wirft“, sagte „AKK“ mit Blick auf die Proteste gegen den A49-Ausbau. Wer sich „von diesen Leuten nicht eindeutig“ trenne, „der ist nicht bürgerlich“, so Kramp-Karrenbauer in einer digitalen Rede auf dem Deutschlandtag der Jungen Union am Sonntag. „Der behauptet das von sich, aber im Kern ist er es nicht.“
Update von Sonntag, 29.11.2020, 11.04 Uhr: Die Lage im Dannenröder Forst entspannt sich nicht. Während die Polizei berichtet, dass Einsatzkräfte mit Pyrotechnik angegriffen worden seien, heißt es aus Reihen der Aktivist:innen, dass die Polizei mit unverhältnismäßiger Gewalt vorgehe. Die Aktivistin Kathrin Henneberger berichtet von einem „aktiven Einsatz“ von Elektroschockern, welcher in zwanzig Metern Höhe stattgefunden haben soll.
Unterdessen ist die Polizei damit beschäftigt, teilweise brennende Barrikaden und friedliche Sitzproteste aus dem Weg zu räumen. Bereits am Vortag hatte die Initiative „Familien für den Danni“ vor Ort gegen die Rodungen im Dannenröder Forst und Polizeigewalt protestiert. Unter dem Motto „Hoffnung für Morgen – Wie schützen wir unsere Natur?“ versammelten sich rund 150 Menschen, laut einem Sprecher der Polizei hätten Kinder geschätzt ein Drittel der Teilnehmerschaft ausgemacht. Am gesamten Samstag nahm die Polizei 70 Personen fest.
Georg Kurz, Bundessprecher der Grünen Jugend, fordert in einem Tweet aus dem Dannenröder Forst den sofortigen Stopp der Rodungen: „Ich habe mich heute im Danni vor die Besetzung gestellt. Dieser Einsatz ist schon lange nicht mehr verhältnismäßig. Es wäre besser, wir würden mit Autobahnverträgen brechen als mit unserer Zukunft.“
Update von Donnerstag, 26.11.2020, 13.07 Uhr: Nachdem Aktivist:innen im Dannenröder Forst auf einer Pressekonferenz zum Thema Polizeigewalt am Mittwoch (25.11.2020) schwere Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte im Wald erhoben haben, äußert sich auch die Polizei zu dem Thema. So räumte ein Polizeisprecher in einem am Mittwoch (25.11.2020) auf Twitter veröffentlichtem Video ein, dass manche der von den Aktivist:innen im Dannenröder Forst geäußerten Vorwürfe sich auf konkrete Ereignisse bezögen, die der Polizei bekannt seien und derzeit auch überprüft würden.
In dem Statement im Nachgang des 16. Einsatztages im Dannenröder Forst sagte der Polizeisprecher aber auch, dass andere von den Aktivist:innen angeführte Vorwürfe gegenüber der Polizei „pauschal in den Raum geworfen“ seien. Für die Polizei seien die genannten Vorfälle im Wald weder örtlich noch zeitlich bestimmbar und somit nicht nachvollziehbar. „Diesen pauschalen Vorwürfen widerspreche ich ganz entschieden“, so der Polizeisprecher.
Sollten Aktivist:innen durch polizeiliches Handeln im Wald verletzt werden, fordert der Sprecher dazu auf, die entsprechenden Fälle bei der Polizei zur Anzeige zu bringen. „Wir werden alle erforderlichen Schritte einleiten, um diesen Sachverhalt aufzuklären“, so der Polizeisprecher wörtlich.
+++ 16.59 Uhr: Am Montag (23.11.2020) ist bei den Protesten im Dannenröder Forst ein Gestell aus Baumstämmen, ein sogenannter Twopod, eingestürzt und in die Richtung von Polizeibeamten gefallen. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Gießen deshalb Ermittlungen wegen eines versuchten Tötungsdelikts eingeleitet. Das sagte ein Sprecher der Behörde am Mittwoch (25.11.2020). Weitere Details könnten derzeit nicht genannt werden.
Nach dem Vorfall am Montag war die Polizei von einem gezielten Angriff ausgegangen. Die Beamten hätten gerade noch ausweichen können und waren den Angaben zufolge unverletzt geblieben. Die Stelle war zum Tatort erklärt und abgesperrt worden. „Es besteht der Verdacht, dass ein Seil vorsätzlich gelöst wurde. In diesem Zusammenhang verfolgen wir eine Person, die damit in Verbindung stehen könnte“, hatten die Beamten via Twitter erklärt.
Die Aktivist:innen haben sich bislang nicht zu den Ermittlungen in dem Fall geäußert.
+++ 14.14 Uhr: Die gegenseitigen Beschuldigungen der Gewaltausübung von Aktivist:innen und der Polizei im Dannenröder Forst schaukelten sich in den vergangenen Wochen immer weiter hoch. Beide Seiten veröffentlichen via Kurznachrichtendienst Twitter immer wieder Meldungen über Angriffe und Gewaltausübung der jeweils anderen Seite.
Eine Nachfrage bei der für die Polizeiarbeit zuständigen Pressestelle lässt manche Meldung der Polizei Mittelhessen auf Twitter etwas weniger eindeutig erscheinen, als sie auf 140 Zeichen zunächst geklungen haben mag. Ein kurzer Überblick über Twitter-Meldungen der Polizei Mittelhessen aus den vergangenen Tagen.
So antwortet die Pressestelle der Polizei auf die Frage nach am Montag (16.11.2020), Mittwoch (18.11.,2020) und Samstag (21.11.2020) von der Polizei Mittelhessen via Twitter verkündeten Angriffen auf Polizeibeamte mit Zwillen im Dannenröder Forst, dass die Ermittlungen in den drei Fällen noch nicht abgeschlossen seien.
„Die Polizei stellte Steine und Pyrotechnik sicher, die mit Zwillen auf die Einsatzkräfte abgeschossen wurden“, heißt es. Was für Zwillen dafür genutzt wurden und ob diese auch sichergestellt worden seien, ließ die Polizei unbeantwortet.
Am Montag (23.11.2020) meldete die Polizei außerdem, dass ein sogenannter Twopod im Dannenröder Forst auf Polizeibeamte gestürzt sei*. Noch am selben Tag verkündete die Polizei Mittelhessen auf Twitter, dass der Verdacht bestehe, ein Seil wäre vorsätzlich gelöst worden. Die Polizei wortwörtlich auf Twitter: „Wir gehen von einem gezielten Angriff auf die Einsatzkräfte aus.“
Auf Nachfrage, auf welche Erkenntnisse sich diese Aussage stütze, erklärt die Polizei, dass sich an besagtem Twopod ein Seil gelöst und das Gebilde zum Umsturz gebracht habe. Von einem gezielten Angriff auf die Polizeibeamten ist jedoch keine Rede mehr. Es heißt lediglich: „Wir haben die Ermittlungen dazu aufgenommen, die aktuell noch andauern.“
+++ 12.02 Uhr: Der Aktivist Juri vom Ermittlungsausschuss spricht zudem von einem „völlig unverantwortlichen Handeln der Polizei“ bei der Räumung des Dannenröder Forstes. So beklagt er, dass die Polizei in dem Wald mehrfach in „extrem gefährlichen Situationen und Höhen“ den Einsatz von Tasern angedroht habe. Seine Forderung nach einem sofortigen Abbruch des Polizeieinsatzes im Dannenröder Forst unterlegt er mit folgenden dramatischen Worten: „Bevor durch den Polizeieinsatz noch schlimmeres passiert - oder sogar Menschen getötet werden.“
+++ 11.51 Uhr: Die Aktivistin Emmy von der Waldbesetzung im Dannenröder Forst macht die Grünen in Hessen für die Rodung verantwortlich und fordert nachdrücklich den Rücktritt des stellvertretenden hessischen Ministerpräsidentens Tarek Al-Wazir.
+++ 11.47 Uhr: Journalist:innen fragen, was es mit einer gestern von der Polizei veröffentlichten Meldung über im Wald vergrabene Tonnen mit Stahlkugeln und Zwillen im Dannenröder Forst auf sich hat. Dazu äußert sich der Aktivist Juri vom sogenannten Ermittlungsausschuss: „Niemand von uns weiß, was andere Menschen möglicherweise irgendwo vergraben haben.“ Er betont jedoch auch, dass es sich um eine Falschmeldung der Polizei handeln könnte.
„Die Polizei hat in den vergangenen Wochen wiederholt Falschmeldungen verbreitet“, so der Aktivist. Er verweist damit darauf, dass nach Bekanntwerden eines durch einen Polizisten herbeigeführten Absturz einer Aktivistin, die Polizei zunächst 24 Stunden lang behauptet hatte, dass kein Beamter an dem Vorfall im Wald beteiligt gewesen sei.
+++ 11.35 Uhr: Eine Sanitäterin aus dem Umfeld der Besetzer:innen des Dannenröder Forsts berichtet von verschiedenen Verletzungen, die Aktivist:innen in den vergangenen zwei Wochen durch Übergriffe von Polizist:innen in dem Wald zugefügt worden sein sollen. Darunter viele Prellungen, Verrrenkungen, Blutergüsse sowie zwei Gehirnerschütterungen.
+++ Update von Mittwoch, 25.11.2020, 11.17 Uhr: Der Aktivist Demmy sagt bei der Notfallpressekonferenz zum Thema Polizeigewalt bei der Rodung des Dannenröder Forsts: „Seit dem Danni habe ich wirklich Angst vor der Polizei. Angst davor, dass Unschuldige weiterhin geschlagen und durch Fensterscheiben geschubst werden“. Und weiter: „Ich fordere daher: Stoppt die Polizeigewalt, sie ist wirklich unverhältnismäßg, sie verletzt und traumatisiert.“
+++ Update vom Mittwoch, 25.11.2020, 06.4o Uhr: Nach mehreren Abstürzen von Aktivist:innenbei den A49-Protesten im Dannenröder Wald fordern die Waldbesetzer:innen einen Räumungsstopp. Am heutigen Mittwoch (25.11.2020, 11.00 Uhr) wollen sie über die Vorfälle und das weitere Vorgehen informieren.
In den vergangenen Tagen hatte es mehrere Vorfälle gegeben, bei denen Aktivist:innen aus größerer Höhe beinahe oder tatsächlich abgestürzt waren. Anschließend (12.00 Uhr) will auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz seine Forderung nach einem Rodungsstopp bekräftigen.
+++ Update vom Dienstag, 24.11.2020, 12.41 Uhr: Nachdem es im Zuge der Proteste gegen die Rodung des Dannenröder Forsts in den vergangenen Tagen zu mehreren Abstürzen von Aktivist:innen gekommen war, appellierte die Polizei am Montag (23.11.2020) an die Mithilfe der Protestierenden. In einer entsprechenden Mitteilung heißt es, „um das Risiko für alle Beteiligten zu reduzieren, sind auch die Ausbaugegner:innen verpflichtet mitzuwirken und damit Leib und Leben der Personen in den Konstruktionen zu schützen“. Weiterhin spricht die Polizei in der Mitteilung von einer „umsichtigen Vorgehensweise der Einsatzkräfte“ und reklamiert für sich, dass diese täglich ihr Möglichstes gäben, „die bestehenden Gefahren zu minimieren“.
Ein ebenfalls am Montag (23.11.2020) auf Twitter veröffentlichtes Video eines Polizeieinsatzes im Dannenröder Forst lässt allerdings Zweifel an dieser „umsichtigen Vorgehensweise“ aufkommen. So ist in einem Video zu sehen, wie ein in der Luft hängender SEK-Beamter über einen längeren Zeitraum gegen eine zwischen mehreren Bäumen befestigte Traverse tritt. Erst in einem zweiten Video ist zu sehen, dass sich am anderen Ende der Traverse eine Aktivistin in einer Hängematte befindet, die durch die Tritte des Polizisten sichtlich aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Doch selbst als die Aktivistin bereits strauchelnd in der Traverse hängt, tritt der Polizeibeamte weiterhin gegen das Seil.
Bislang äußerte sich die Polizei Mittelhessen lediglich via Twitter zu dem Vorfall. Dort heißt es, dass die Aufnahmen aus dem Dannenröder Forst gesichtet würden und dass diese, „in der Tat missverständlich und irritierend“ wirken könnten. Was genau damit gemeint ist, konnte ein Polizeisprecher auf Nachfrage (Stand 24.11.2020, 10.30 Uhr) noch nicht beantworten. Die Polizei Mittelhessen versichert währenddessen in ihrem Tweet, dass die beteiligten Einsatzkräfte im Dannenröder Forst „über deren Vorgesetzte angesprochen und diesbezüglich sensibilisiert“ worden seien.
+++ 17.20 Uhr: Wie hessenschau.de berichtet, ist die für Dienstag angesetzte Abseilaktion von einer Autobahnbrücke der A5 gerichtlich untersagt worden. Am Montag sei vom Verwaltungsgericht Darmstadt ein Eilantrag des Anmelders dieser Aktion abgelehnt worden.
Dem war eine Absage der Stadt Neu-Isenburg vorangegangen. Diese begründete die Absage mit der gefährdeten Verkehrssicherheit, wie Bürgermeister Herbert Hunkel betonte.
Es hatte bereits drei solcher Abseilaktionen auf Brücken der A3, A5 und A661 gegeben, bei denen es zu kilometerlangen Staus und mehreren Auffahrunfällen mit Blechschaden gekommen sei.
+++ 15.50 Uhr: Bei den Protesten gegen die Rodung des Dannenröder Forsts für den Weiterbau der Autobahn 49 in Hessen gab es eine erneute Eskalation. Am Montag (23.11.20209) stürzte ein hochbeiniges Gestell aus Baumstämmen auf mehrere Polizisten herab. Diese konnten sich retten, sodass sie unverletzt blieben. Da die Örtlichkeit nun einen Tatort darstelle, sei diese abgesperrt worden. Die Polizei Mittelhessen twittert, dass sie Vorsatz vermutet.
Erstmeldung vom Montag, 23.11.2020: Eigentlich ist die bevorstehende Rodung des Dannenröder Forsts ja ein ureigenes Thema der Grünen. Doch die Ökopartei äußerte sich dazu auf ihrem digitalen Parteitag am vergangenen Sonntag (22.11.2020) sehr zurückhaltend. Stattdessen äußerte man sich dort zu bundespolitischen Themen und einer gemeinsamen Strategie für die Zukunft.
Dass die Grünen mit dieser Strategie momentan die Bodenhaftung zu ihrer Basis verlieren, zeigen die jüngsten Ereignisse rund um die Proteste im Dannenröder Forst. Die Sprecherin Ronja Weil von der Initiative „Ende Gelände“ sagte kürzlich: „Im Danni sehen wir die Realität schwarz-grüner Klimazerstörung“. Den schnell voranschreitenden Rodungen (laut Angaben der Projektgesellschaft Deges sind bereits ein drittel aller Bäume verschwunden) setzen sich die Demonstrierenden teilweise unter Gefährdung ihres körperlichen Wohls entschieden entgegen.
So wurde eine Aktivistin erst kürzlich von einer aus einer Höhe von vier bis sechs Metern fallenden Palette verletzt. Laut Staatsanwaltschaft Gießen soll der Sturz durch ein von einem Polizisten durchtrennten Seil verursacht worden sein. Ein weiterer Aktivist verletzte sich am Kopf, nachdem er versucht hatte, auf eine Baumaschine zu klettern. Am 15.11.2020 war eine Demonstrantin aus vier Metern Höhe auf den Waldboden gefallen, nachdem ein Polizist erneut ein wichtiges Seil durchgeschnitten hatte.
Seit dem 10. November ist die Polizei täglich mit einem Großaufgebot im Dannenröder Forst. Am vergangenen Sonntag (22.11.2020) wurden die Rodungen allerdings wegen des Totensonntags unterbrochen, was das Bündnis „Ende Gelände“ als Erfolg verbuchte.
Dass Proteste für den Erhalt von Wäldern auch erfolgreich sein können, hat die abgebrochene Rodung des Hambacher Forsts gezeigt. Ob sich das im Fall des Dannenröder Forsts am Ende die Grünen auf die Fahne schreiben können, ist momentan zweifelhaft. Wahrscheinlicher ist eher, dass es zwischen Umweltaktivisten und der Bundestagspartei, die ja ihrerseits aus Umweltaktivismus hervorgegangen ist, zu einer zunehmenden Spaltung kommt. (Joshua Schößler) *giessener-allgemeine.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.