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Proteste gegen A49-Ausbau: Polizei dringt weiter in den Dannenröder Wald vor

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Von: Matthis Pechtold, Joel Schmidt

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Bei den Protesten gegen den Ausbau der A49 im Dannenröder Wald werden am Donnerstag (12.11.2020) mehrere Menschen festgenommen. In deutschen Städten sind Kundgebungen geplant.

Update vom Freitag, 13.11.2020, 11.45 Uhr:

Der Protest im Dannenröder Wald gegen die anteilige Rodung zum Ausbau der A49 zwischen Gießen und Kassel wird an diesem Wochenende fortgesetzt. Aktivist:innen vor Ort rufen dazu auf, Bäume und künstlich errichtete Barrikaden zu besetzen. In sozialen Netzwerken gepostete Videos zeigen mehrere Polizeibeamt:innen, die gegen Besetzer:innen vorrücken, im Hintergrund ist das Dröhnen von Motorsägen zu hören.

Die Nachrichtenagentur dpa zitiert einen Polizeisprecher, der von rund 50 Aktivist:innen in Bäumen im Dannenröder Wald und künstlichen Gestellen spricht. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag (13.11.2020) seit es laut Polizeiangaben zu keinen weiteren Zwischenfällen im Wald gekommen. In mehreren Städten Deutschlands, darunter Berlin, Jena und Oldenburg, sind für das Wochenende Solidaritäts-Kundgebungen geplant.

Im Hessischen Landtag haben sich derweil Abgeordnete fast aller Parteien entrüstet gezeigt angesichts des vereinzelt gewaltsamen Widerstandes gegen die Rodung im Dannenröder Wald. Die von einzelnen Aktivist:innen verübte Gewalt stelle einen „Anschlag auf unsere Rechtsordnung dar“, so der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Holger Bellino. Während die Linken die Protestierenden verteidigten, bekräftigte der hessische Verkehrsminister Al-Wazir (Grüne) erneut, die Pläne zur Rodung im Dannenröder Wald.

In einem Gastbeitrag für den „Spiegel“ äußerten sich am Donnerstag (12.11.2020) Luisa Neubauer, Gallionsfigur der deutschen „Fridays for Future“-Bewegung, zum Versuch hessischen Landesregierung, die Rodung von rund 27 Hektar Wald durchzusetzen. Gemeinsam mit Carola Rackete, ebenfalls Klimaschutz-Aktivistin, beklagt Neubauer die Inkonsequenz der Politik bei der Umsetzung von rechtlich bindenden Verträgen. Das Pariser Klimaschutzabkommen werde regelmäßig missachtet. Gleichzeitig setze man im Fall des Dannenröder Forsts jetzt einen mehrere Jahrzehnte alten Vertrag zum Ausbau einer Autobahn rigoros durch.

In einem Wald stehen mehrere Polizeimitglieder in Klettermontur um den Korb eines Hubwagens herum, in dem eine Person in wetterfester Kleidung sitzt. Die Person wurde in Gewahrsam genommen, nachdem sie gegen die Rodung eines Waldgebietes im Dannenröder Wald (Mittelhessen) demonstriert hatte, in dem sie sich mehrere Meter über dem Erdboden an selbst errichteten Konstruktionen bzw. einem Baumstamm festgekettet hatte.
Polizeieinsatz im Dannenröder Wald © Boris Roessler/dpa

Erstmeldung vom 12. November 2020: Homberg/Ohm - Am dritten Tag ihres Großeinsatzes im Dannenröder Forst bei Homberg (Ohm) hat die Polizei am Donnerstag (12.11.2020) eine gemischte Bilanz gezogen. Mehrere Menschen wurden festgenommen, nachdem an einer Absperrung Beamte mit Pyrotechnik beschossen und Rauchbomben gezündet worden seien, wie eine Polizeisprecherin sagte. Gegen sie solle wegen Landfriedensbruchs ermittelt werden. Derweil liefen erste Rodungsarbeiten in dem Waldstück für das Verkehrsprojekt weiter. Beamte holten wieder mehrere Aktivist:innen von hochbeinigen Gestellen und aus Baumhäusern, darunter auch die prominente Umweltaktivistin und Kapitänin Carola Rackete, die in Gewahrsam genommen wurde.

Proteste gegen Ausbau der A49: Carola Rackete im Dannenröder Forst festgenommen

Zu ihrem Protest erklärte Rackete am Morgen: „Ich bin hier oben, weil seit 30 Jahren die CO2-Emissionen immer weiter steigen und weil all die Petitionen und internationalen Abkommen nichts bringen.“ Es brauche zivilen Ungehorsam, um Veränderungen zu schaffen. Nachdem Spezialkräfte Rackete aus dem Baumhaus geholt hatten, wurde sie in einem Polizeifahrzeug weggefahren. Neben der Feststellung ihrer Personalien erhalte die Aktivistin einen fünftägigen Platzverweis, sagte die Polizeisprecherin.

Bei dem Vorfall mit Pyrotechnik hatten nach vorläufigen Erkenntnissen mehrere Personen versucht, durch eine Absperrung hindurch in den Sicherheitsbereich einzudringen, wie die Sprecherin sagte. Verletzte habe es nicht gegeben. „Bei dem Durchdringen haben sie auf die Kollegen direkt mit Raketen geschossen.“ Auch Rauchbomben seien gezündet und Steine geworfen worden. Die Beamten hätten in der Situation Schlagstöcke eingesetzt. Ansonsten habe es auch „sehr friedliche Protestformen“ gegeben.

Nach Festnahme von Carola Rackete im Dannenröder Forst: Protest gegen Ausbau der A49 geht weiter

Einer der Waldbesetzer:innen wertete den Verlauf der Proteste im Dannenröder Forst unterdessen als „sehr erfolgreich“. Die Polizei sei „immer noch am selben Fleck, wo sie vor drei Tagen angefangen haben“, sagte Aktivist Momo. „Es gibt hier entschlossenen Protest, der immer und immer wieder sich hierhin setzt, immer sich wieder räumen lässt, aber auch versucht, hier Polizeiabsperrungen zu durchbrechen.“ Bereits am Vortag hatten die Polizei über Nacht wieder aufgebaute Barrikaden geräumt und Aktivist:innen von Tripods und aus Hängematten geholt, die an einem Seil über einen Weg gespannt waren.

Die Klima- und Menschenrechtsaktivistin Carola Rackete wird nach ihrer Festnahme in einem Spezialfahrzeug der Polizei aus dem Dannenröder Forst gebracht.
Die Klima- und Menschenrechtsaktivistin Carola Rackete wird nach ihrer Festnahme in einem Spezialfahrzeug der Polizei aus dem Dannenröder Forst gebracht. © Boris Roessler/dpa

Insgesamt sollen im Dannenröder Forst Bäume auf einer Fläche von 27 Hektar für den Ausbau der A49 fallen. Die Autobahn soll irgendwann Kassel und Gießen direkter miteinander verbinden. Dagegen protestieren Umwelt- und Klimaschützer:innen, die das Waldstück seit mehr als einem Jahr besetzt halten. Zuvor waren Teile des Herrenwaldes bei Stadtallendorf (Landkreis Marburg-Biedenkopf) sowie des Maulbacher Waldes nahe Homberg (Vogelsbergkreis) für den geplanten Lückenschluss gerodet worden. Die Gegner:innen halten das Projekt angesichts der Klimakrise für verfehlt und fordern eine umweltfreundliche Verkehrswende. Befürworter:innen versprechen sich davon weniger Verkehrs- und Lärmbelastung in den Dörfern der Region und eine bessere Anbindung für Pendler und Unternehmen. (jsc mit dpa)

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