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Dänischer Geheimdienstchef in U-Haft – „Das Ganze ist komplett verrückt“

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Von: Thomas Borchert

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Lars Findsen, hier auf einem Foto von 2019, wurde im August 2020 als Chef des militärischen Geheimdienstes Dänemarks suspendiert.
Lars Findsen, hier auf einem Foto von 2019, wurde im August 2020 als Chef des militärischen Geheimdienstes Dänemarks suspendiert. © Ida Guldbaek Arentsen/Imago

Der Chef des Militärgeheimdienstes in Dänemark soll Informationen durchgestochen haben. Nun wird Lars Findsen der Prozess gemacht.

Kopenhagen – Der Skandal um illegale dänische Abhörpraktiken im Dienst des US-Geheimdienstes NSA hat eine neue Dimension erreicht. Seit Mitte Dezember sitzt der Chef von Dänemarks militärischem Geheimdienst FE, Lars Findsen, wegen Verdachts auf Landesverrat hinter Gittern. Bei der Verlängerung der Untersuchungshaft in Kopenhagen wurde jetzt auf Wunsch des 57-Jährigen das Verbot der Namensnennung aufgehoben. Findsen scheiterte mit seinem Antrag, auch die Vorwürfe selbst für die Öffentlichkeit freizugeben. Beim Verlassen des Gerichtssaals rief er Journalistinnen und Journalisten zu: „Das Ganze ist komplett verrückt. Damit könnt ihr mich zitieren.“

Findsen wurde im August 2020 als FE-Chef suspendiert. Ein Whistleblower hatte enthüllt, dass der Geheimdienst illegal Datenverkehr aus unterseeischen dänischen Kabeln überwacht und an die NSA weitergegeben hatte. Dazu gehörten auch Telefonate deutscher Politiker:innen einschließlich der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel.

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Den gegen einen formell weiter amtierenden Geheimdienstchef ungeheuerlichen Vorwurf des Landesverrats haben Findsen aber nicht die Abhörpraktiken eingetragen, sondern dass er darüber möglicherweise mit Presseleuten gesprochen hat.

In Medienberichten hieß es, dass Findsen offenbar monatelang vom zivilen Geheimdienst PET beschattet und abgehört worden sei, den er selbst von 2002 bis 2007 geführt hatte. Der damalige operative PET-Chef Hans Jørgen Bonnichsen vermutete in der Zeitung „Politiken“, dass die Initiative zur Verfolgung des FE-Chefs direkt aus dem nationalen Sicherheitsrat mit Ministerpräsidentin Mette Frederiksen an der Spitze gekommen sei.

Als Hintergrund nannte er „Unkenntnis über Arbeitsmethoden von Geheimdiensten“, zu denen auch Hintergrundgespräche mit Journalisten gehörten. Das Motiv Frederiksens seien Unzufriedenheit mit der Arbeitsweise Findsens sowie Machtstreben nach kompletter Kontrolle über den Kontakt zwischen Spitzenbeamt:innen und Medien: „Deshalb schießt das System mit Kanonen auf Spatzen.“

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Zu dieser Hypothese passt, dass die führenden dänischen Medien zwei Kontaktaufnahmen seitens der beiden Geheimdienste in den vergangenen Monaten als „drohend“ und potenzielle Gefahr für die Pressefreiheit eingestuft hatten. Dabei wurden zunächst die Chefredaktionen von den Chefs der beiden Geheimdienste aufgesucht und darüber belehrt, dass Berichterstattung über die Arbeit ihrer Dienste strafbar sein könne.

Es hieß, dabei seien als Beispiele neben der NSA-Datenaffäre auch die Behandlung von in Syrien inhaftierten dänischen IS-Kämpferinnen und deren Kindern sowie der Fall eines als Terrorist verurteilten Mannes genannt worden, der für PET und FE in Syrien aktiv gewesen war. Kurz danach luden die Ermittelnden zuständige Fachjournalistinnen und -journalisten der großen Medien zu Zeugenaussagen zu nicht näher spezifizierten Ermittlungen. Bis auf den öffentlich-rechtlichen TV-Sender DR verweigerten alle Medien dies. (Thomas Borchert)

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