Dänemark als Vorreiter bei CO2-Speicherung: „Wir wollen 2050 mehr Treibhausgase absorbieren als wir ausstoßen“

Dänemark will bis 2050 mehr Treibhausgase absorbieren als es ausstößt. Wie das gehen soll, erklärt Dan Jørgensen, der Klimaminister des Landes, im Interview.
Dieses Interview liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 04. Mai 2023. Mit Dan Jørgensen sprach Bernhard Pötter.
Herr Jørgensen, Dänemark hat beschlossen, bis 2050 zu 110 Prozent kohlenstoffneutral zu werden. Was bedeutet das, und wie wollen Sie das erreichen?
Das 110-Prozent-Ziel bedeutet, dass wir bis 2050 mehr Treibhausgase absorbieren wollen als wir ausstoßen. Wir kennen nicht jeden einzelnen Schritt auf dem Weg zu 110 Prozent. Das war auch so, als wir vor drei Jahren unser 70-Prozent-Ziel für 2030 festgelegt haben. Und wir sind auf dem besten Weg, dieses Ziel zu erreichen. Ein ehrgeiziges Ziel für 2030 zwingt uns dazu, den Grundstein für noch ehrgeizigere Ziele im Jahr 2050 zu legen. Wir investieren bereits in Technologien wie Carbon Capture and Storage (CCS) und PtX (Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid sowie strombasierte Brenn-, Kraft- und Grundstoffe, Anm. d. Red.), die dazu beitragen werden, das 110-Prozent-Ziel zu erreichen.
Welche Fortschritte in Richtung COP28 sehen Sie nach dem Klimadialog von Petersberg?
Es ist eine gute Nachricht, dass der deutsche Gastgeber verkündet hat, dass die Beitragszahler vom 100-Milliarden-Dollar-Klimafinanzierungsziel (für Klimaschäden in Entwicklungsländern, Anm. d. Red.) voll und ganz davon ausgehen, dass sie das Ziel in diesem Jahr erreichen werden.
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Eines der Ziele, das viele Länder auf der kommenden Klimakonferenz COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten anstreben, ist der Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe. Glauben Sie, dass dies möglich ist, nachdem der Gasteber, Sultan Al Jaber nun gesagt hat, er sei nur für den Ausstieg aus den Emissionen (auch durch CCS bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe. Sultan al Jaber leitet einen Ölkonzern seines Landes, Anm. d. Red)?
In den letzten Jahren hat sich die Sichtweise auf die Frage nach dem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen deutlich verändert. Dass sich einer der größten Öl- und Gasproduzenten der Welt dieser Frage annimmt, ist ein großer Schritt nach vorn. Zwar können und sollten wir einige Emissionen in Sektoren mit schwer zu senkenden Emissionen durch Technologien wie Carbon Capture and Storage (CCS) binden, doch ersetzt dies nicht den notwendigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die rasche Verbreitung von Technologien für erneuerbare und andere saubere Energien.
Ich hoffe, dass die Diskussionen, die wir beim Petersberger Klimadialog geführt haben, in den kommenden Monaten weiter vertieft werden können, damit wir herausfinden, wie wir diese Fragen auf der COP28 angehen können. Ich hoffe auch, dass die heutigen konstruktiven Diskussionen über Anpassung und Loss und Damage das ganze Jahr über fortgesetzt werden können und auf der COP28 zu konkreten Ergebnissen führen.
Jørgensen: Einsatz für einen kontrollierten Ausstieg aus der Öl- und Gasproduktion
Dänemark setzt sich seit der Klimakonferenz in Glasgow mit der Beyond Oil & Gas Alliance (BOGA) für einen weltweiten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ein. Mit dem Krieg in der Ukraine hat sich der Wind gedreht. Wie sieht die Zukunft von BOGA aus?
Mit der BOGA setzen wir uns weiterhin für einen kontrollierten, gerechten Ausstieg aus der Öl- und Gasproduktion ein. Der Krieg in der Ukraine hat daran nichts geändert, sondern nur die Risiken deutlich gemacht, die mit unserer Abhängigkeit von Öl und Gas verbunden sind. Wir müssen uns weiterhin von der Öl- und Gasabhängigkeit lösen, und zwar jetzt noch schneller.
Auf der COP27 in Ägypten haben wir die BOGA-Finanzierungsfazilität ins Leben gerufen. Sie soll Ländern und Regionen des Globalen Südens, die ihre Möglichkeiten ausloten und auf einen geordneten Übergang weg von Öl und Gas hinarbeiten wollen, schnelle Unterstützung bieten. Nationale und subnationale Regierungen, die in der Öl- und Gasexploration und -produktion tätig sind, können nun Unterstützung durch den BOGA-Fonds beantragen.
Unterstützen Sie die Idee eines internationalen Abkommens zum Verbot fossiler Brennstoffe?
Ich sehe die Beyond Oil & Gas Alliance BOGA und den Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe als zwei Seiten derselben Medaille. Sie versuchen, viele der gleichen Probleme zu lösen, aber auf unterschiedliche Weise. Ich befürchte, dass es sehr schwierig sein wird, einen globalen Vertrag auszuhandeln, und dass sich der Prozess über viele Jahre hinziehen könnte. Der BOGA ist ein zwischenstaatliches Bündnis, mit dem wir versuchen, die Vorreiter zum Handeln zu bewegen und andere zu inspirieren, unserem Beispiel zu folgen.
Jørgensen: „Wir müssen Billionen mobilisieren, um unsere Klimaziele zu erreichen“
Welche Rolle spielt die Diskussionen zur Reform der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Bezug auf den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe?
Es besteht kein Zweifel daran, dass wir Billionen mobilisieren müssen, um die von uns selbst gesetzten Klimaziele zu erreichen. Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC stellt fest, dass wir über ausreichende Mittel verfügen – die aber derzeit nicht in ausreichendem Umfang für grüne Investitionen eingesetzt werden. Die multilateralen Entwicklungsbanken und internationalen Finanzinstitutionen spielen eine entscheidende Rolle. Sie müssen reformiert werden, um die Länder besser bei der Mobilisierung von Finanzmitteln für einen gerechten Übergang weg von fossilen Brennstoffen zu unterstützen. (Interview: Bernhard Pötter)