„Wenn Scholz mit dem Rücken zur Wand steht, versucht er, lustig zu sein“

Ist Kanzler Olaf Scholz in den größten Steuerraub in der Geschichte der Bundesrepublik verstrickt? Ja, meint der Enthüllungsjournalist Oliver Schröm. Ein Interview.
Berlin – Es war der größte Steuerraub in der Geschichte der Bundesrepublik: Der Schaden beläuft sich auf mindestens 36 Milliarden Euro. Auch Kanzler Olaf Scholz könnte als Erster Bürgermeister Hamburgs eine entscheidende Rolle gespielt haben. Er soll sich mit den Miteigentümern der Warburg-Bank getroffen haben. Anschließend hatte Hamburg auf eine Steuernachforderung in Millionenhöhe verzichtet. Scholz muss nun erneut vor dem Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschuss aussagen.
Hat sich der Kanzler einer Falschaussage strafbar gemacht? Der Enthüllungsjournalist Oliver Schröm verrät im Interview mit der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA, was von dem Termin zu erwarten ist.
Herr Schröm, sie waren neulich beim Gericht. Worum ging es?
Dieses Mal stand nicht ich vor Gericht, sondern Hanno Berger in Wiesbaden. Dort wird der erste Cum-Ex-Fall überhaupt verhandelt. Berger hat 2006 Geschäfte mit dem mittlerweile verstorbenen Berliner Immobilienmogul Rafael Roth gemacht. Roth war überhaupt der erste Privatier, der in Cum-Ex investiert hat. Dieser Fall wird nun endlich aufgerollt. Berger hatte in der Schweiz gelebt, sich lange Zeit dem Zugriff entzogen und wurde erst vor rund einem Jahr ausgeliefert.
Apropos Cum-Ex: Kanzler Olaf Scholz muss erneut vor dem Hamburger Untersuchungsausschuss erscheinen.
Der Termin ist für mich ein bisschen wie ein Showdown. Scholz war schon zweimal vor dem Untersuchungsausschuss. Jedes Mal hat er mindestens 50 Mal behauptet, dass er sich an die Treffen mit den Cum-Ex-Bänkern nicht erinnern könne. Ich habe Strichliste geführt. Das ist zumindest die Unwahrheit, wenn nicht sogar eine Lüge. Wir haben zwei Protokolle aus Sitzungen des Finanzausschusses im Bundestag. Dort konnte er sich demnach wohl an eines dieser Treffen erinnern. Damit wäre die Aussage vor dem Untersuchungsausschuss eine Falschaussage gewesen. Das ist nicht unerheblich und sehr heikel.
Cum-Ex-Geschäfte: Was ist das überhaupt?
Bei Cum-Ex-Deals handelt es sich um Aktiengeschäfte, die darauf ausgerichtet sind, den Staat um Geld zu betrügen. Dazu wird mehrmals eine Steuer-Erstattung eingefordert, die aber nur einmal gezahlt wurde. Laut Schätzungen sind dem deutschen Fiskus mindestens 10 Milliarden Euro durch diese Deals entgangen.
Warum ist das heikel?
Vor Untersuchungsausschüssen gelten Regeln wie vor Gericht. Zeugen dürfen vor Gericht nicht lügen, nichts weglassen und beschönigen. Sonst machen sie sich der Falschaussage strafbar. Dann drohen drei Monate bis fünf Jahre Gefängnis. Im Untersuchungsausschuss werden Zeugen belehrt, dass bei Falschaussage drastische Strafen drohen. Zudem ist Olaf Scholz Jurist.
Worum wird es vor dem Untersuchungsausschuss gehen?
Nun geht es darum, herauszuarbeiten, ob das eine Falschaussage war oder nicht. Das kann schwere politische Konsequenzen haben. Ein Kanzler, der vor einem Untersuchungsausschuss die Unwahrheit sagt, ist eigentlich nicht hinnehmbar. Kürzlich hat er noch im Bundestag an die Bevölkerung gerichtet gesagt: „Vertrauen Sie mir.“ Das fällt natürlich schwer, wenn jemand lügt. Das geht nicht. Wir haben Regeln in einem Rechtsstaat, an die man sich zu halten hat. Auch ein Bundeskanzler.

Laut einer Kantar-Umfrage glauben mehr als 70 Prozent nicht, dass Scholz keine Erinnerungen an die Gespräche hat. Das RTL/ntv Trendbarometer will rausgefunden haben, dass nur noch 33 Prozent der Bevölkerung Bundeskanzler Scholz vertrauen. Trotzdem scheint seine Strategie bislang zu funktionieren. Er ist ja immer noch im Amt.
Das weiß ich nicht. Wenn über 70 Prozent der Bevölkerung dem Kanzler nicht glauben, ist das ein schlechtes Zeugnis. Was will man da noch groß sagen? Irgendwo ist das traurig.
Zur Person: Oliver Schröm
Oliver Schröm gehört zu den bekanntesten Investigativjournalisten Deutschland und hat bereits mehrere Auszeichnungen bekommen. In seinen Enthüllungsbüchern „Die Cum-Ex-Files“ und „Die Akte Scholz“ gibt er exklusive Einblicke in seine Recherchen rund um Cum-Ex. „Die Akte Scholz“ ist zusammen mit seinem Kollegen Oliver Hollenstein entstanden.
Ist Olaf Scholz erpressbar?
Die Bankiers waren zumindest bei zwei Treffen zu zweit, Scholz alleine. Wenn die Bänker irgendetwas behaupten würden, stünde die Aussage 2:1. Eine Erpresser-Situation ist theoretisch gegeben. Es ist ein Unding, dass sich der Erste Bürgermeister Hamburgs auf so ein Treffen einlässt und niemanden mitnimmt, damit es zu so einer Situation nicht kommt.
In Ihrem Buch spielen Sie darauf an, dass Scholz verschiedene Images pflege. Haben Sie also herausgefunden, wie der Kanzler privat tickt?
Ich bin Olaf Scholz bislang nur einmal anlässlich eines Hintergrundgesprächs begegnet und habe keine Ahnung, wie er privat tickt. Bei diesem Treffen war er in der Defensive. Es ging darum, ob er sich noch häufiger mit den Bankiers getroffen hatte. Wenn Olaf Scholz mit dem Rücken zur Wand steht, versucht er, lustig zu sein. Zumindest hinter verschlossenen Türen. Öffentlich tritt er auf, wie er auftritt. Das kann man im Fernsehen nachverfolgen.
(Interview: Moritz Serif)