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Südafrika in der Corona-Krise: Inkompetenz und mutwillige Zerstörung - Regierung in der Kritik

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Von: Johannes Dieterich

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Die Corona-Strategie der Regierung in Südafrika könnte dem Land den Kollaps bringen.

In Südafrika liegen die Nerven blank. Nach über sechs Wochen striktester Ausgangssperre werden die Stimmen immer lauter, die ein Ende der drakonischen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus fordern: Der Regierung unter Präsident Cyril Ramaphosa werden Inkompetenz, autokratischer Führungsstil und mutwillige Zerstörung der ohnehin darbenden Wirtschaft des Landes vorgeworfen. Noch kommt es zu keinen Protesten oder gar Hungeraufständen – hält sich Ramaphosa aber weiterhin hinter seinen umstrittenen Ministern versteckt, ist auch das nicht ausgeschlossen.

Entschlossener Kampf gegen Corona in Südafrika

Dabei hatte alles so verheißungsvoll begonnen. Noch bevor die Zahl der Infizierten im dreistelligen Bereich angelangt war, kündigte der Präsident in einer TV-Ansprache einen entschlossenen Kampf gegen das Virus an. Ein willkommener Paradigmenwechsel in einem Land, in dem frühere Staatschefs die Existenz des HI-Virus jahrzehntelang geleugnet hatten oder mehr an ihrer Selbstbereicherung als am Wohl der Bevölkerung interessiert waren. Die Südafrikaner waren bereit, Ramaphosa zu vertrauen – wenngleich irritiert von der Tatsache, dass auch der Verkauf von Alkohol und Zigaretten verboten wurde. Sie sollten mal „ausnüchtern“, schrieb der Polizeiminister.

Corona: Lockdown in schwarzen Townships

Der Lockdown wurde von drei auf fünf Wochen verlängert: In den schwarzen Townships bildeten sich die ersten Schlangen vor Suppenküchen, mehr als 30 000 Südafrikaner wurden wegen Verstößen gegen die Notstandsregeln verhaftet. Auch das wurde höchstens murrend in Kauf genommen: Ein Ende des Lockdowns war ja abzusehen und die Kurve der Neuansteckungen flachte tatsächlich ab. Wenige Tage vor Ablauf der Ausgangssperre kündigte Ramaphosa eine Erleichterung der Regeln an: Auch der Verkauf von Zigaretten, der dem bankrotten Staat fast zwei Millionen Euro Steuern pro Tag einbringt, werde wieder erlaubt.

Corona-Ausgangssperre wird von Soldaten kontrolliert

Als die Ministerin für „Kooperative Regierungsführung“, Nkosazana Dlamini-Zuma, schließlich Spielregeln für ein neues Lockdown-Regime bekanntgab, wurde das Vertrauen der Südafrikaner einer ersten Belastungsprobe ausgesetzt. Stufe 4 fiel fast noch strikter als die bisherige Stufe 5 aus: Zwar ist inzwischen das Ausführen von Hunden morgens zwischen sechs und neun Uhr erlaubt, auch dürfen eine Million Menschen unter strikten Auflagen wieder arbeiten gehen. Aber gleichzeitig wurde auch eine von 70 000 Soldaten kontrollierte nächtliche Ausgangssperre verhängt, Restaurants, Bars und die meisten Geschäfte bleiben geschlossen, der Online-Vertrieb ist – um keinen „unfairen Wettbewerb“ zu ermöglichen – nach wie vor nur für Nahrungsmittel erlaubt. Eine Zeitspanne für Stufe 4 wird nicht genannt, die Bevölkerung solle froh sein, wenn sie nicht wieder auf Stufe 5 zurückversetzt werde. Entgegen der Ankündigung des Präsidenten bleibt auch der Zigarettenverkauf verboten.

Lockdown Stufe 4 wegen Corona - Land zugrunde gerichtet

Um die Entstehungsgeschichte des überraschenden und unsinnigen Regelwerks zu verstehen, konzentrieren sich Südafrikas Kommentatoren auf die 71-jährige Dlamini-Zuma, die zum Urgestein des ANC gehört. Sie war unter Nelson Mandela in einen Korruptionsskandal verwickelt, leugnete mit Thabo Mbeki die Existenz des HI-Virus und sollte 2017 als Präsidentschafts-Kandidatin gegen Ramaphosa die Pfründe ihres korrupten Ex-Gatten Jacob Zuma retten. Dabei unterlag sie nur knapp: Ihr Kontrahent holte sie danach ins Kabinett – womöglich, weil man mächtige Gegner in seiner Nähe halten soll. In der tief gespaltenen Regierungspartei genießt Dlamini-Zuma noch immer großen Einfluss. Was, wenn ihre unbeliebte Stufen-Strategie vor allem dem Bemühen zuzuschreiben ist, Ramaphosas Popularität zu schaden?

Zumindest ist jetzt das Vertrauen vieler Südafrikaner schon mal erschüttert: Auch dieser Regierung scheint es doch wieder nur um Macht- und Pfründe-Politik statt um das Wohl der Bevölkerung zu gehen. Unterdessen steigt die Zahl der Ansteckungen so stark wie noch nie an: täglich mehr als 600 Menschen. Epidemiologen betonen, das sei abzusehen gewesen – mit dem Zenit der Pandemie sei in Südafrika erst im August zu rechnen. Unter Lockdown Stufe 4 wäre das Land bis dahin allerdings zu Grunde gerichtet, warnen Wirtschaftsanalysten: Dann werden mehr Menschen an Hunger als am Virus sterben. Bisher sind gut 200 Kap-länder dem Erreger erlegen – so viele fallen der Tuberkulose in zwei Tagen zum Opfer.

Noch nie hätten die Südafrikaner dringender ein paar klärender Worte ihres Präsidenten bedurft: Doch der hüllt sich zumindest bislang in Schweigen.

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