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Coronavirus setzt Staatsführung in China unter Druck: Es gibt Kritik

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Von: Fabian Kretschmer

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Im Dorf Dongxinzhuang in der südöstlichen Provinz Shandong lassen die Behörden ganze Straßenzüge desinfizieren.
Im Dorf Dongxinzhuang in der südöstlichen Provinz Shandong lassen die Behörden ganze Straßenzüge desinfizieren. © rtr

Das Coronavirus setzt die Staatsführung in China unter Druck. Xi Jinping kann dieses Mal nicht auf fremdländische Kräft als Ursache für die gesundheitlichen Probleme im Land verweisen.

Peking - Wer in Peking dieser Tage einen Café Latte bestellen möchte, muss sich zunächst nicht nur von der Bedienung seine Körpertemperatur scannen lassen, sondern auch eine Maske im Gesicht tragen. Andernfalls wird Kunden der Eintritt in die Starbucks-Filialen in der chinesischen Hauptstadt verwehrt. Die US-amerikanische Kaffeehauskette hilft aktiv mit, „den Teufel zu erlegen“. Diesen Ausdruck wählte Präsident Xi Jinping am Dienstag im Staatsfernsehen. So ernst die Lage auch sei, man werde letzten Endes gewinnen.

Coronavirus: Langsam geht die Zahl der neu Infizierte zurück

Und die Lage ist ernst: Erneut ist die Anzahl der Toten, Infizierten und Verdachtsfälle gestiegen. Mindestens 132 Menschen sind bereits durch das Coronavirus umgekommen, rund 6000 haben sich angesteckt. Doch einen Hoffnungsschimmer gibt es: Die Zahl der neu Infizierten steigt langsamer. Rund hundert Deutsche sind wegen des Coronavirus mittlerweile aus China ausgeflogen worden. 

Zhong Nanshan, einer der Mediziner, der im Auftrag der Regierung die tödlichen Erreger eindämmen soll, gibt über die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua eine mild optimistische Prognose ab: In „einer Woche oder zehn Tagen“ werde die Epidemie ihren Zenit erreichen, danach allmählich abschwächen.

Coronavirus in China: Es herrscht Misstrauen gegenüber staatlicher Meldungen

In den sozialen Medien ist das Misstrauen gegenüber der „offiziellen Botschaft“ jedoch groß. Unter den Livestreams der täglichen Pressekonferenz der Gesundheitskommission etwa halten sich die Nutzer nicht zurück mit ihrer Kritik. Einer schreibt über die als vage empfundenen Aussagen der Funktionäre: „So einen Mist muss ich mir echt nicht anschauen!“ Ein anderer postet: „Unser Leben scheint nicht mehr Wert zu haben als das eines Insekts. Leute, bitte wacht endlich auf!“. Wenig später werden solche Kommentare zwar gelöscht, doch unweigerlich an anderer Stelle wieder auftauchen. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Zensoren über die Kontrolle der öffentlichen Meinung.

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Xi Jinping (Mitte) kann in diesem Fall keine ausländischen Mächte beschuldigen. © N. Hatta/Pool via rtr

Sollte die Quarantäne weiter anhalten, könnte sich der Unmut bald auch gegen die politische Führung in Peking richten. Niemand wird sich dieser Gefahr so bewusst sein wie Präsident Xi Jinping.

Coronavirus: Führung lässt Medien stärker überwachen

Der auf Stabilität pochende starke Führer Chinas instruiert in solchen Fällen seine Behörden, „die Anleitung zur öffentlichen Meinung zu stärken“. Übersetzt bedeutet jene Aussage der Kommunistischen Partei, die Zensur zu erhöhen. Wer sich unter Kollegen bei chinesischen Zeitungen umhört, bekommt bestätigt, dass die Zügel der behördlichen Überwachung wieder etwas enger gezogen wurden.

Für Xi Jinping wird der Virusausbruch zur Probe. Schließlich inszeniert er sich als volksnahe Vaterfigur, die sich um die Sorgen der Bevölkerung kümmert. Nun steht „Onkel Xi“ unter Druck, ob er die Krise im Griff hat. Im Gegensatz zu den Aufständen in Hongkong oder dem Erdrutschsieg der Peking-kritischen Präsidentin Tsai Ing Wen in Taiwan kann er nicht „die CIA“ oder „ausländische Kräfte“ für die Krise verantwortlich machen.

Coronavirus: Es gibt Angst, schlechte Nachrichten nach oben zu melden

Der 66-Jährige hat wie kein zweiter Herrscher seit Mao Tsetung den Führerkult um sich ausgebaut, die Macht innerhalb der Partei zentriert und mehrere hundert, teils alteingesessene Parteikader während seiner Anti-Korruptions-Kampagne geschasst. Jeder Erfolg sowie jede Niederlage in einem solch hierarchischen System wird unweigerlich auf die Person an dessen Spitze zurückgeführt. Gleichzeitig haben die unteren Funktionäre in einem solchem Pyramidensystem zunehmend Angst, schlechte Nachrichten nach oben zu melden.

Coronavirus: Selbstkritik in Wuhan

Wie zum Beweis trat Anfang der Woche der Bürgermeister von Wuhan – dem Epizentrum des Virusausbruchs – vor die Medien. In einem Anflug von Selbstkritik sagte Zhou Xianwang, das Krisenmanagement der Stadt sei „nicht gut genug“ gewesen. Er habe die Öffentlichkeit erst Wochen später nach dem ersten Virus-Fall informieren können, weil die „Regelungen der Regierung“ dies so vorsehen. Anscheinend, so die Botschaft zwischen den Zeilen, brauchte er für die Bekanntmachung über das Virus erst die Erlaubnis von ganz oben.

„Beim Umgang mit der Krise stehen sowohl das Ansehen als auch die Legitimität der Partei auf dem Spiel“, heißt es im akademischen Fach-Newsletter „China Neican“: „Letzten Endes werden die Chinesen die Partei – trotz all der Kontrolle der öffentlichen Meinung – sehr kritisch beurteilen.“

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