Corona-Überlastung: Kliniken senden dramatischen Hilferuf
Kliniken in Bayern sind schon jetzt an ihrer Belastungsgrenze angekommen. Sie fordern deshalb deutlich härtere Beschränkungen.
München - Die Corona-Pandemie hat Deutschland erneut voll im Griff. Nach einer Entspannung im Sommer steigt die Zahl der Neuinfektionen wieder dramatisch an. Hausärzt:innen und Kliniken sind vielerorts wieder an ihre Belastungsgrenze gelangt. Die Bettenbelegung in den Krankenhäusern ist ausgelastet oder nähert sich einem kritischen Zustand. Die bayerischen Krankenhäuser warnen nun vor einer unmittelbar drohenden Überlastung der Intensivstationen und fordern deshalb deutlich härtere Kontaktbeschränkungen im Freistaat.
„Die aktuelle Lage ist so dramatisch, wie sie noch nie in der gesamten Pandemie-Zeit in Bayern war“, sagte der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Roland Engehausen, der Augsburger Allgemeinen. „Wir haben schon jetzt kaum noch Kapazitäten“, berichtete Engehausen. In bayerischen Kliniken müssten sogar Krebs-Operationen auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Auch die Verlegung von Patienten in angrenzende Bundesländer werde immer schwieriger. Denn auch dort sind die Kliniken vielerorts aufgrund der aktuellen Corona-Lage bereits an ihrer Kapazitätsgrenze angelang.
Kliniken in Bayern fordern erneuten Corona-Lockdown
„Die Infektionszahlen müssen runter, um die planbaren Behandlungen, die wir jetzt verschieben, durchführen zu können“, forderte der Krankenhaus-Vertreter. „Wir brauchen deutliche Kontaktvermeidung“, sagte Engehausen. „Ob man das Lockdown oder anders nennt, ist für uns Kliniken zweitrangig.“

Die derzeit geplanten Schritte reichten nicht aus, um den Anstieg der Infektionszahlen zu bremsen: „Wir sehen im Moment keine ausreichend wirksamen Gegenmaßnahmen, die uns in den Kliniken in den nächsten zwei bis vier Wochen eine Entlastung bringen würde“, warnte der Vertreter der bayerischen Kliniken. „Das macht die Lage sowohl jetzt als auch in der Perspektive der nächsten Wochen so dramatisch.“ Am Donnerstag (18.11.2021) hatten sich Bund und Länder bei einem Corona-Gipfel auf verschärfte Maßnahmen geeinigt.
Corona: Intensivpatienten aus Bayern müssen in andere Bundesländer verlegt werden
Die Zahl der Corona-Intensivpatienten steige in Bayern ohne harte Gegenmaßnahmen jede Woche um etwa 30 Prozent an, „so dass wir bald keine Chance mehr für Verlegungen innerhalb des Freistaats haben“, sagte Engehausen.
Schon jetzt würden bayerische Intensivpatienten in andere Bundesländer verlegt. „Aber der Weg nach Baden-Württemberg ist eigentlich bereits geschlossen, weil sich die Kliniken dort der bayerischen Situation annähern“, erklärte der Krankenhaus-Vertreter. „Ob wir in ein paar Wochen noch jemand nach Hessen bringen können, wissen wir nicht. Nach Thüringen und Sachsen braucht man nicht zu fahren und im Süden in Österreich ist die Lage nicht besser als bei uns.“
Von der Situation einer Triage sei Bayern trotz entsprechender Vorbereitungen einiger Krankenhäuser aber immer noch weit entfernt. „Wir sehen eine derartige Situation an bayerischen Kliniken nach wie vor nicht“, betonte Engehausen. „Wir haben die Möglichkeit planbare Behandlungen zu verschieben, Patienten über längere Strecken in Regionen zu verlegen, die weniger belastet sind und andere Mittel“, sagte er.
Corona-Entwicklung übertrifft pessimistische Erwartungen der Kliniken
Die jetzige Corona-Entwicklung habe aber selbst die sehr pessimistischen Erwartungen der Kliniken noch übertroffen. „Der 22. Oktober war der Kipppunkt, seitdem haben wir stark steigende Inzidenzzahlen und damit einhergehend steigende Intensivbehandlungen. Wir sind in ein Hamsterrad geraten, das sich immer weiter beschleunigt.“ Am Freitag (19.11.2021) meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 52.970 Neuinfektionen, die deutschlandweite Inzidenz kletterte auf 340,7.
Die allermeisten Intensivfälle wären durch eine Corona-Impfung vermeidbar gewesen, sagte Engehausen. „Gerade jetzt ist es für jeden einzelnen Menschen wichtig, sich impfen zu lassen, nicht nur aus Solidarität, sondern auch weil die Versorgung nicht mehr optimal ist, wie man es vielleicht noch vor ein paar Wochen dachte.“ (msb mit afp)