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Großbritannien: Corona löst parteiinterne Revolte gegen Boris Johnson aus

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Von: Melanie Gottschalk

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Kein guter Tag für den britischen Premierminister Boris Johnson.
Kein guter Tag für den britischen Premierminister Boris Johnson. © House Of Commons/imago

Boris Johnson bringt nur mit Stimmen der Opposition schärfere Corona-Maßnahmen durchs Parlament. Bröckelt der Rückhalt der Tories für den britischen Premier?

London - Heftiger Rückschlag für den britischen Premierminister Boris Johnson. Nach einer Rebellion in den Reihen der eigenen Partei konnte Johnson am Dienstagabend (14.12.2021) schärfere Corona-Maßnahmen für Großbritannien nur aufgrund der Stimmen der Opposition durchs Parlament bringen. Johnson ließ sich davon jedoch wenig beeindrucken und zeigte am Mittwoch (15.12.2021) sogar Verständnis für die Rebellen.

Am Dienstagabend hatte das britische Parlament in London über schärfere Corona-Maßnahmen aufgrund der Omikron-Variante abgestimmt. Neben der Einführung des umstrittenen 3G-Nachweises für Nachtclubs und Großveranstaltungen wurden auch eine Verschärfung der Maskenpflicht und eine Impfpflicht für das medizinische Personal von Boris Johnson anvisiert. Da er eine Mehrheit von 79 Stimmen im Unterhaus besitzt, schien die Sache klar, doch ganze 99 Abgeordnete aus den eigenen Reihen stimmten gegen Johnsons Entwurf, die Labour-Partei rettete mit ihren Stimmen dem britischen Premierminister die Einführung der Maßnahmen. Es war die größte Rebellion der Tories gegen Johnson seit seinem Wahlsieg im Jahr 2019.

Nach Abstimmungsdebakel: Kann Boris Johnson noch auf seine Partei zählen?

Nach der Abstimmung und der parteiinternen Revolte stellen sich nun viele die Frage, ob Boris Johnson bei anderen Vorhaben noch auf die Unterstützung seiner Partei zählen kann oder ob „der Anfang vom Ende des Boris Johnson“ bevorsteht, wie bereits manche Zeitungen vor einigen Tagen mutmaßten. Corona ist in Westminster nicht nur als spaltendes Thema präsent, mehrere Abgeordnete und Hauptstadtjournalist:innen sind in den vergangenen Tagen positiv auf das Virus getestet worden. In wenigen Tagen könnte Omikron in London bereits die dominante Corona-Variante sein. Ein Handeln vonseiten der Regierung war deshalb eigentlich unumgänglich.

Der Tory-Abgeordnete Charles Walker, der zu den Rebellen gehört, sagte der BBC nach der Abstimmung, Boris Johnson habe in der Partei noch immer große Unterstützung, sei aber mit den Corona-Impfnachweisen einen Schritt zu weit gegangen. Die Rebellion sei ein „Schmerzensschrei“ der Konservativen gewesen, die in den Nachweisen eine erhebliche Beschneidung der individuellen Freiheiten und der persönlichen Verantwortung sehen. Auf die Frage, ob die Abweichler künftig weitere Verschärfungen, die wegen der Omikron-Variante nötig werden könnten, blockieren würden, sagte Walker: „Nicht unbedingt. Aber: Die Stimmung hat sich verändert.“

Abstimmung über Corona-Maßnahmen: Boris Johnson zeigt Verständnis

Boris Johnson zeigte am Mittwoch nach der Abstimmung Verständnis für die Rebellen seiner eigenen Partei: „Ich respektiere die berechtigten Ängste der Kolleg:innen“, sagte er im Parlament. Zugleich warb er für die „ausgewogenen und verhältnismäßigen“ Corona-Maßnahmen. Der britische Premierminister schien diese Tatsache, dass die Abstimmung nur aufgrund der Labour-Stimmen geglückt war, jedoch zu bestreiten und behauptete, er habe die Abstimmung mit Stimmen seiner Konservativen Partei gewonnen.

Der britische Premierminister warf Oppositionsführer Keir Starmer politische Spielchen vor. Die Regierung habe stets umgehend gehandelt und für die schnellste Corona-Impfkampagne in Europa gesorgt, während Starmers Labour-Partei gezaudert habe. „Wir liefern, sie beschweren sich“, sagte Johnson. Die Öffentlichkeit sehe, dass die Regierung liefere. Starmer kritisierte wiederum, Johnson habe seinen Laden nicht im Griff.

Die Labour-Partei habe den Corona-Plan des Premiers gerettet und die Führungsstärke gezeigt, die Johnson fehle, sagte Starmer nach der Abstimmung am Dienstagabend. „Er ist das Problem, seine Abgeordneten haben nicht Unrecht, ihm zu misstrauen.“ Johnson führe die Bevölkerung in die Irre. „Die britische Öffentlichkeit sucht einen Premierminister, der das Vertrauen und die Autorität hat, Großbritannien durch die Krise zu führen. Stattdessen sind wir mit dem schlechtesten möglichen Premierminister zum schlechtmöglichsten Zeitpunkt belastet.“

Vermeintlich illegale Weihnachtsfeiern sorgen für Empörung

Die rebellischen Konservativen indes befürchten nicht nur, dass schärfere Restriktionen die Erholung der britischen Wirtschaft hemmen könnten. Vor allem führen sie an, dass die Corona-Maßnahmen schwer umzusetzen seien, wenn sich offensichtlich nicht einmal Regierungsbeamte oder Boris Johnson selbst an Regeln halten. Berichte über vermeintlich illegale Weihnachtsfeiern in der Downing Street während des Lockdowns im vergangenen Jahr haben im ganzen Land für Empörung gesorgt und der Regierung einen herben Vertrauensverlust beschert.

Und so heikel, wie diese Woche für Boris Johnson begonnen hat, dürfte sie auch weitergehen: Denn zum Ende der Woche sollen Ergebnisse einer Untersuchung zu den vermeintlichen Weihnachtsfeiern bekanntgegeben werden. Außerdem steht am Donnerstag (16.12.2021) eine Nachwahl für ein Parlamentsmandat an. Der Abgeordnete Owen Paterson, ein Parteifreund Boris Johnsons, musste wegen seiner Verwicklung in einen Lobbyismusskandal zurücktreten. Nun droht die Konservative Partei den Sitz in der westenglischen Tory-Hochburg North Shropshire an die Liberaldemokraten zu verlieren. Ruhig wird es also für Johnson weiterhin nicht. (msb mit dpa)

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