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Corona-Krise in Russland: Virus stoppt Putins gigantische Militärparade

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Von: Stefan Scholl

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Wegen der Corona-Krise muss Russland die Parade zum 75-jährigen Jubiläum des Siegs über Deutschland absagen – es sollte eine Machtdemonstration werden.

Auf einem Mosaik sieht man Wladimir Putin, Verteidigungsminister Sergei Schoigu und andere russische Politiker, auf einem anderen Josef Stalin und dessen Heerführer. Bemerkenswerte „Heilige“ schmücken die Wände der neuen „Hauptkathedrale der Streitkräfte Russlands“ bei Moskau, die noch vor dem „Tag des Sieges“ am 9. Mai geweiht werden soll.

Aber auch diese Zeremonie droht, einen Großteil ihres Pathos zu verlieren. Vergangene Woche erklärte der russische Staatschef, wegen des Corona-Virus die Parade auf dem Roten Platz und andere Massenveranstaltungen zum 75. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus verschieben zu müssen: „Der 9. Mai ist für uns ein heiliges Datum, das Leben jedes Menschen aber auch von unschätzbaren Wert.“

Corona-Krise in Russland: Immer drastischerer Quarantäne-Bedingungen

Für Putin war es wohl eine der unangenehmsten Entscheidungen seiner bisherigen Karriere. Ein Dreivierteljahrhundert nach der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai, 23.01 Uhr – wegen der Zeitverschiebung dann der 9. Mai in Moskau – sollte der Sieg besonders prunkvoll gefeiert werden – Paraden, Volksfeste, Prozessionen und Feuerwerke im ganzen Land. Die traditionelle Heerschau auf dem Roten Platz sollte das zentrale Ritual der Festlichkeiten bilden. „Jeder weiß“, sagt der Moskauer Militärexperte Alexander Golz, „wie wichtig sie für Putin ist.“

Angesichts immer drastischerer Quarantänebedingungen spekulierte man in Moskau seit Wochen über eine Verschiebung. Aber die Proben für die Parade wurden fortgesetzt. Und der Parlamentarier Alexander Scherin forderte beschwörend: „Der 9. Mai ist ein heiliges Fest, das man nicht verschieben darf.“ Der Oppositionelle Dmitri Gudkow sieht im 9. Mai einen Tag der Einigkeit für alle Russen – „und darüber schwebt der Staatschef, der alle politischen Dividenden kassiert und darauf nicht verzichten will“.

Corona-Krise in Russland: Putin wollte seine Macht demonstrieren

15.000 Soldaten, Hunderte Fahr- oder Flugzeuge, brandneue Schützenpanzerwagen und andere Militärgüter sollten aufgefahren werden. „Dem russischen Publikum wollte Putin sich und sein Gefolge als Nachfolger der siegreichen Sowjetfeldherren präsentieren“, sagt Golz. „Dem Ausland wollte er zeigen, dass Russland den Supermachtstatus der Sowjetunion geerbt hat.“ Zaungäste wie der Franzose Macron und der Deutsche Steinmeier hätten sich bestens geeignet, um zumindest Russlands Öffentlichkeit glauben zu machen, die Welt erkenne Putins Führungsanspruch an, zumindest was den Zweiten Weltkrieg angeht.

Die Ehrengardisten vorm Kreml müssen nun Distanz wahren.
Die Ehrengardisten vorm Kreml müssen nun Distanz wahren. © afp

Putin wirft Ost- und Westeuropa vor, sie wollten die Kriegsgeschichte umschreiben. Er selbst verteidigte schon im Januar den deutsch-sowjetischen Pakt von 1939 und den gemeinsamen Angriff auf Polen lautstark und beschimpfte einen damaligen polnischen Diplomaten als „antisemitisches Schwein“. Aber die Corona-Pandemie erstickte die Debatte, auch ein groß angekündigter Artikel Putins über den Weltkrieg erschien nicht. Die Parade als triumphaler Schlusspunkt eines vom Feldherrn Wladimir Putin gewonnenen Historikerkriegs funktioniert nun nicht mehr.

Putin kann sich auf dem Roten Platz auch nicht als politischer Souverän Russlands feiern lassen. Die für April geplante Abstimmung über die Verfassungsänderungen, die ihm nach 2024 erneut erlauben, Präsident zu werden, musste man wegen des Coronavirus schon auf unbestimmte Zeit verschieben.

Corona-Krise in Russland: Putin will abgesagte Parade nachholen

Der Kreml will die Zeremonie in diesem Jahr auf jeden Fall nachholen. Nach russischen Medienberichten diskutiert man vor allem zwei Termine: den 24. Juni, den Tag, an dem 1945 Stalin die erste Siegesparade abnahm. Oder den 3. September, er soll in Russland künftig als Datum des Weltkriegsendes begangen werden – einen Tag nach der japanischen Kapitulation am 2. September 1945 ließ Stalin ebenfalls paradieren. Aber beide Termine sind problematisch. Der 24. liegt sehr nah am 22. Juni, an dem nach Moskauer Zeit die Deutschen 1941 in die Sowjetunion einfielen, im vaterländischen Gedächtnis eher katastrophale Daten. Außerdem ist ungewiss, ob die Seuche bis dahin unter Kontrolle ist. Und kremlnahe Menschenrechtler warnen davor, den 3. September zum „Tag des Kriegsruhms“ zu küren: Am 3. September 2004 starben Hunderte Kinder infolge einer Geiselnahme in einer Schule im nordkaukasischen Städtchen Beslan.

Wirklich fulminant wird das Siegesfest 2020 also nicht. Und laut Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach sich Wladimir Putin auch gegen sein Konterfei in der Armeekathedrale aus: „Irgendwann werden dankbare Nachfahren unsere Verdienste bewerten, aber jetzt ist es dafür noch zu früh.“ Russland ist gespannt, wie sich diese bescheidenen Worte auf die weitere Gestaltung der Mosaike in der Kriegerkirche auswirken werden.

Von Stefan Scholl

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