AfD-Störaktion im Bundestag: Früherer SPD-Chef Martin Schulz von rechter Aktivistin beschimpft
AfD-Gäste sorgen am Mittwoch im Bundestag für Aufregung. Auch Martin Schulz musste sich einiges anhören. Nun fordert er Konsequenzen.
- Im Bundestag wurde am Mittwoch (18.11.2018) über das neue Infektionsschutzgesetz abgestimmt.
- Auf Einladung von AfD-Abgeordneten gelangten Besucher:innen ins Gebäude und bedrängten Politiker:innen.
- Auch der ehemalige SPD-Chef Martin Schulz wurde dabei verbal attackiert.
+++ 15.00 Uhr: Die Vorfälle vom Mittwoch (18.11.2020) im Bundestag sorgen nach wie vor für viel Wirbel. Inzwischen ist bekannt geworden, dass auch der frühere SPD-Vorsitzende Martin Schulz am Rande der Debatte über die Reform des Infektionsschutzgesetzes verbal angegriffen wurde. Eine Frau, die offenbar von einem AfD-Abgeordneten ins Parlament geschleust worden war, habe ihn beschimpft, weil er ihr gesagt habe, dass er für die Reform des Infektionsschutzgesetzes stimmen werde, sagte Schulz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Störer und Störerinnen im Bundestag: Auch Martin Schulz (SPD) wurde bedroht
Er sei gerade aus dem Tunnel in den Reichstag gekommen, als die Frau mit laufender Handykamera ihn abgefangen habe, sagte Martin Schulz. Da er zunächst davon ausgegangen sei, es handele sich um eine Journalistin, habe er die Frage, wie er abstimmen werde, „ganz brav beantwortet“. Danach sei eine Schimpfkanonade auf ihn niedergegangen.
Dass die Frau von einem AfD-Abgeordneten ins Parlament geschleust worden war, bezeichnete Martin Schulz als schweren Regelverstoß. Er kenne das bereits „von den Rechtsextremisten im Europaparlament“, sagte dessen ehemaliger Präsident. „Das einzige Ziel dieser Parteien ist es, das Parlament von innen zu zerstören.“ Parteien „wie die AfD“ versuchten systematisch, rote Linien zu verschieben. Schulz forderte ein entschlossenes Durchgreifen gegen solche Regelverstöße. „Wer gegen die Geschäftsordnung des Parlamentes verstößt, muss hart sanktioniert werden, sagte der SPD-Politiker.

AfD von anderen Parteien scharf attackiert - Gauland weist alle Vorwürfe zurück
Update vom Freitag, 20.11.2020, 11.00 Uhr: Am Mittwoch (18.11.2020) sorgte die AfD mal wieder für einen Eklat im Bundestag. Rund um die Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz waren auf den Fluren des Reichstagsgebäudes Abgeordnete von Gästen der Rechtspopulisten bedrängt, gefilmt und beleidigt worden. Heute debattiert der Bundestag in einer Aktuellen Stunde über die Vorgänge.
Dabei ging es bisher hoch her. Bundestagsabgeordnete der anderen Fraktionen gingen direkt zur Attacke gegen die AfD über. Bei den Vorfällen vom Mittwoch handele es sich um einen „Angriff auf das freie Mandat“ und auf die parlamentarische Demokratie, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU) im Bundestag. Dies sei der bisherige „Tiefpunkt einer dauerhaften Strategie der AfD in diesem Hause.“ Er warf der AfD vor, ihre Gäste „eingeschleust“ zu haben. Die Bundestagspolizei und möglicherweise auch die Staatsanwaltschaft würden das weitere Vorgehen prüfen.
Störung auf Einladung der AfD: Scharfe Attacken von allen Seiten
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte ebenfalls, die Vorfälle würden ordnungsrechtlich und strafrechtlich geprüft. „Was wir diese Woche erlebt haben, war kein Einzelfall, der zufällig passiert ist“, betonte er. Vielmehr passe das Auftauchen der AfD-Gäste „in das System, wie die AfD hier im Bundestag auftritt.“ Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte, die „Unruhestifter“ hätten „ein Klima der Bedrängung und Bedrohung“ erzeugen wollen. Auch er zeigte sich überzeugt, dass die AfD vorab wusste, was ihre Gäste vorhatten. „Glauben Sie ja nicht, dass wie uns das gefallen lassen“, rief Buschmann den AfD-Abgeordneten zu.
„Die demokratische Gesellschaft muss unser Land vor der AfD schützen“, sagte die Linke-Abgeordnete Petra Pau. Sie erneuerte die von vielen Abgeordnete geäußerte Kritik an der Nutzung des Begriffs „Ermächtigungsgesetz“ für das neue Infektionsschutzgesetz, unter anderem durch die AfD. Diese Rhetorik „verharmlost den Faschismus und verhöhnt seine Opfer“, warnte Pau, die auch Bundestagsvizepräsidentin ist.
Störung auf Einladung der AfD: Alexander Gauland weist alle Vorwürfe zurück
AfD-Fraktionschef Alexander Gauland wies alle Vorwürfe zurück. Das Verhalten der AfD-Gäste sei „unzivilisiert“ gewesen „und gehört sich nicht. Dafür entschuldige ich mich.“ Die AfD-Fraktion hätte „diese Besucher beaufsichtigen sollen“. Jedoch sei die Unterstellung, seine Fraktion habe im Vorhinein von den Plänen der Störer gewusst, „infam“.
Die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann wies Gaulands Darstellungen zurück. „Die Abgeordneten der AfD wussten ganz genau, wen sie einladen, und sie wussten, was deren Absicht ist“, sagte Haßelmann. „Diese Personen waren nicht zum ersten Mal eingeladen.“ Dass die AfD-Gäste die Abgeordneten an der Ausübung ihres freien Mandats hätten hindern wollen, sei ein „gravierender Vorfall“ und ein „Tabubruch“, urteilte Haßelmann. „Wir werden das Parlament vor diesen destruktiven und antiparlamentarischen angriffen schützen“, versicherte Haßelmann.

Störung auf Einladung der AfD: Bundestag prüft strafrechtliche Konsequenzen
+++ 16.56 Uhr: Wie aus einem Sicherheitsbericht der Bundestagspolizei hervorgeht, sind die insgesamt vier Besucher:innen, die bei der Abstimmung über das neue Infektionsschutzgesetz am Mittwoch (18.11.2020) mehrere Politiker:innen bedrängten, auf Einladung der AfD-Abgeordneten Udo Hemmelgarn, Petr Bystron und Hansjörg Müller in den Bundestag gelangt.
Bei einer Sitzung des Ältestenrats des Bundestags am Donnerstag (19.11.2020) verständigten sich die Mitglieder nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur darauf, das rechtliche Instrumentarium voll ausschöpfen zu wollen und auch strafrechtliche Konsequenzen gegen die beteiligten AfD-Abgeordneten zu prüfen. Das bedeutet im Klartext, dass die Immunität der beteiligten AfD-Abgeordenten aufgehoben und Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet werden könnten.
Nach Störungen im Bundestag: Corona-Skeptiker:innen kamen auf Einladung der AfD
Während die Vorsitzenden der AfD-Fraktion zu den Vorfällen pflichtbewusst ihr Bedauern ausdrückten, haben CDU und SPD für Freitag (20.11.2020) eine Aktuelle Stunde zu den Störaktionen beantragt. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Carsten Schneider, sagte in einem Statement: „Corona-Leugner in den Reichstag zu schleusen, die Abgeordnete und Mitarbeiter bedrängen, erinnert an die dunkelsten Kapitel unserer Geschichte.“

Nötigung im Bundestag? Wolfgang Kubicki fordert harte Konsequenzen
Update vom Donnerstag, 19.11.2020, 11.50 Uhr: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) betrachtet das Bedrängen von Bundestagsabgeordneten durch Besucher:innen am Rande der Debatte über das Infektionsschutzgesetz am Mittwoch (18.11.2020) als Nötigung. Er fordert Konsequenzen für die daran beteiligten Abgeordneten. „Ich gehe davon aus, dass dieser Fall nicht nur im Ältestenrat behandelt wird“, sagte der FDP-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Es müssen auch empfindliche Sanktionen für die beteiligten Abgeordneten erwogen werden.“
Kubicki sagte der dpa, es sei zum wiederholten Mal passiert, dass Abgeordnete die „Türöffner für politische Agitatoren“ geworden seien. „In diesem Falle ist die Beeinträchtigung des Parlamentsbetriebes jedoch besonders gefährlich. Denn durch die direkte Ansprache der Abgeordneten im Zusammenhang mit der Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz kann man von einer Nötigung ausgehen.“ Es komme eine Straftat nach Paragraf 106 Strafgesetzbuch in Betracht, zu der Abgeordnete auch Anstiftung oder Beihilfe leisten können. „Dies wird ernsthaft zu prüfen sein“, sagte Kubicki.
Der Paragraf 106 behandelt die Nötigung des Bundespräsidenten und von Mitgliedern eines Verfassungsorgans. Bereits der Versuch ist strafbar. Das Strafmaß:
- In einfachen Fällen: Freiheitstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
- In besonders schweren Fällen: Freiehitstrafe von bis zu zehn Jahren.

Corona-Infektionsschutzgesetz: Lässt AfD Peter Altmaier im Reichstag bedrängen?
Erstmeldung vom Mittwoch, 18.11.2020: Berlin - Am Tag der Abstimmung über das geänderte Infektionsschutzgesetz im Zuge der Corona-Pandemie haben bislang unbekannte Bundestagsbesucher:innen im Parlament für Irritationen gesorgt. Während vor dem Reichstagsgebäude in Berlin tausende Querdenkende in mittlerweile bekannter Eintracht mit Rechtsextremist:innen gegen das neue Infektionsschutzgesetz demonstrierten, wurden im Inneren mehrere Bundestagsabgeordnete bedrängt.
Abstimmung über Corona-Infektionsschutzgesetz: Abgeordnete im Bundestag in Berlin bedrängt
„In den #Bundestag eingeschleuste Personen haben u.a. versucht in Büros einzelner Abgeordneter einzudringen“, twitterte etwa die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast am Mittwoch (18.11.2020). „Ich bin fassungslos. Freigewählte Abgeordnete an Abstimmungen zu hindern u. zu bedrängen ist das Allerletzte. Das Ziel: Die Demokratie zersetzen“, verlieh sie ihrer Empörung Ausdruck.
Gegen die Änderungen am Infektionsschutzgesetz gingen am Mittwoch (18.11.2020) in Berlin mehrere Tausend Corona-Skeptiker:innen auf die Straße. Die Novelle soll die Corona-Beschränkungen auf eine klarere rechtliche Grundlage stellen. Kritiker:innen bemängeln in diesem Zusammenhang unter anderem zu weitreichende Eingriffe in die Grundrechte.

Corona-Infektionsschutzgesetz im Bundestag: Wer war da im Reichtstagsgebäude in Berlin?
Auf einem auf Twitter verbreiteten Video ist zudem eine Frau zu sehen, die Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf einem Flur des Bundestags in Berlin anspricht und ihn dabei mit einer Handykamera filmt. Die Aufnahme ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur authentisch und dokumentiert eine Szene, die sich an diesem Mittwoch (18.11.2020) im Bundestag abgespielt hat, als Altmaier auf den Weg zur Abstimmung über das neue Infektionsschutzgesetz gewesen ist.
Die Frau in dem besagten Video redet auf Altmaier ein und sagt dabei unter anderem offenbar über den Minister: „Er hat kein Gewissen.“ Altmaier entgegnet, er vertrete seine Wähler:innen. „Sie dürfen gerne demonstrieren, aber ich habe mein freies Gewissen.“ Ob die Frau in dem Video mit den protestierenden Corona-Skeptiker:innen vor dem Reichstagsgebäude in Verbindung steht, ist bislang nicht bekannt.

Corona - Bedrängte Bundestagsabgeordnete in Berlin: Mutmaßungen über Verbindungen zur AfD
Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle sagte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage, er habe die gleiche Frau vor dem Plenarsaal des Bundestags in Berlin getroffen. Sie habe ihn gefragt, wie er über das neue Infektionsschutzgesetz abstimmen wolle. Da er an dieser Stelle nicht mit einem Treffen gerechnet habe, sei er einfach weitergegangen. Die Frau habe einen Gästeausweis des Bundestags an der Jacke gehabt, wie ihn Besucher bekämen, die von Fraktionen oder einzelnen Abgeordneten angemeldet worden sein. Ein Video zeigt, wie auch Peter Altmaier (CDU) bedrängt wurde.
Auf Twitter beschuldigt Kuhle indes die Alternative für Deutschland (AfD), die bislang noch unbekannten Besucher:innen in den Bundestag in Berlin eingeschleust zu haben, damit diese vor Ort ihren Unmut über das neue Infektionsschutzgesetz im Zuge der Corona-Pandemie zum Ausdruck brächten.
Abstimmung über Corona-Infektionsschutzgesetz: Strenge Sicherheitsregeln im Bundestag in Berlin
Die normalerweise gültige Regelung, wonach Abgeordnete sechs unangemeldete Besucher:innen mit in den Bundestag in Berlin nehmen können, wurde für den Mittwoch (18.11.2020) aus Sicherheitsgründen ausgesetzt. Ein Sprecher des Bundestags erklärte, Besucher:innen müssten aber auch am Tag der Abstimmung über das neue Infektionsschutzgesetz im Rahmen der Corona-Pandemie weiterhin die Sicherheitsschleuse passieren und ihre Personalien würden auch weiterhin auf Auffälligkeiten in Polizeidatenbanken geprüft. (Joel Schmidt mit dpa)