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Corona-Variante B.1.1.529: Kommt Omikron wirklich aus Südafrika?

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Von: Johannes Dieterich

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Die neue Corona-Variante B.1.1.529 breitet sich rasend schnell aus. Entdeckt wurde sie erstmals in Südafrika. Doch hat die Omikron-Mutante auch dort ihren Ursprung?

Kapstadt – So schnell kann sich das Schicksal in Zeiten von Corona wandeln. Gerade noch schauten die Menschen in Südafrika verblüfft, aber erleichtert nach Europa: Von der dortigen vierten Welle mit ihren atemberaubenden Ansteckungszahlen war am Kap der Guten Hoffnung noch vor wenigen Tagen nichts zu spüren – da schlug die nächste Bombe in Südafrika ein. Inzwischen wurde bekannt, dass in der dortigen Gauteng-Provinz eine neue Variante des Covid-19-Virus grassiert: ausgerechnet im bevölkerungsreichsten wirtschaftlichen Herz des Landes.

Die ersten Fälle der zunächst noch spröde mit B.1.1.529 bezeichneten Virenvariante wurden aus dem südafrikanischen Nachbarland Botswana bekannt. Doch schon kurz später meldeten die Behörden in der Gauteng-Provinz 77 Fälle – auch in Belgien, Israel und Hongkong soll die neue Variante mittlerweile festgestellt worden sein. Und zumindest in Hongkong konnten die Infektionen auch auf einen Reisenden aus Südafrika zurückgeführt werden.

Neue Corona-Variante in Südafrika: B.1.1.529 ist ein „große Überraschung“

Fest steht, dass es sich bei der Variante um eine „große Überraschung“ handelt: „Mit einem derartigen Sprung in der Evolution des Erregers hat keiner gerechnet“, räumte Virologe Tulio de Oliveira vom südafrikanischen „Centre for Epidemic Response and Innovation“ ein.

Ob die neue Variante tatsächlich aus Südafrika kommt, ist noch nicht geklärt. (Archivfoto)
Ob die neue Variante tatsächlich aus Südafrika kommt, ist noch nicht geklärt. (Archivfoto) © Rajesh Jantilal/afp

Besorgt stellte Südafrikas Gesundheitsbehörde eine Explosion der Ansteckungsrate in den vergangenen Tagen fest. Von täglich knapp 500 Infektionen zu Beginn der Woche schoss die Zahl bis Donnerstag um das Fünffache in die Höhe. Besonders betroffen seien Zehn- bis Dreißigjährige in der Hauptstadt Pretoria, heißt es: Vor allem unter Studierenden soll es viele Infektionen geben. Ob dafür „superspreading events“ oder eine wesentlich stärkere Ansteckungskraft des Virus verantwortlich ist – auch darüber herrscht bisher Rätselraten.

Einreise nach Südafrika: Corona-Variante B.1.1.529 verhindert Flüge

Vor allem europäische Staaten reagierten umgehend auf die Botschaft aus Südafrika. Als erste Regierung stoppte die britische den Flugverkehr zwischen Johannesburg, Kapstadt und London – die Bundesregierung folgte mit einem Verbot der Beförderung nichtdeutscher Reisender, auch die EU bereitet Reisebeschränkungen vor.

Sowohl in Südafrika als auch bei der Weltgesundheitsorganisation WHO sorgte der Reisebann für starke Verstimmung. Die Restriktionen seien „übereilt“, meinte Helen Rees, Vorsitzende der Strategischen Beratergruppe der WHO: Noch sei über die wirkliche Herkunft der Virenvariante viel zu wenig bekannt. Die internationale Isolierung kurz vor der touristischen Hauptsaison droht das wirtschaftlich ohnehin schwer angeschlagene Land am Solarplexus zu treffen.

Schon beim Bekanntwerden der Beta-Variante vor einem Jahr hatte Europa die Grenzen für Südafrikaner:innen dicht gemacht und daran monatelang festgehalten – obwohl sich das Beta-Virus gegenüber der Delta-Variante bald als vernachlässigbar erwies.

Neue Corona-Mutante: Kommt B.1.1.529 wirklich aus Südafrika?

„Schon wieder dasselbe Lied“, empört sich der Johannesburger Zukunftsforscher Graeme Codrington. Einmal mehr werde das Kap der Guten Hoffnung von Europa abgestraft: „Nur weil seine Virologen zu den besten der Welt gehören.“ Manche Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass die neue Variante schon wesentlich weiter in der Welt verbreitet ist, als bisher angenommen: nur dass sie in anderen Ländern noch nicht festgestellt wurde – während die von der HIV/Aids- und Tuberkuloseepidemie versierten Fachleute am Kap an vorderster Front der Forschung stünden. „Dass wir die Ersten sind, die die neue Variante festgestellt haben, bedeutet keineswegs, dass sie auch hier entstanden ist“, meint Codrington.

Andere Fachleute halten es für naheliegend, dass die neue Version tatsächlich im südlichen Afrika entstanden ist. Ein Erreger mit derartig vielen Mutationen habe sich aller Wahrscheinlichkeit nach in einem Patienten mit einem ohnehin kompromittierten Immunsystem herausgebildet, der monatelang gegen das Virus gekämpft habe, heißt es: Ausreichend Zeit für den Erreger, sich auf vielfältige Weise weiterzuentwickeln. Menschen mit kompromittiertem Immunsystem gibt es unter den südafrikanischen HIV- und Tuberkulose-Infizierten mehr als irgendwo sonst auf der Welt. (Johannes Dieterich)

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