CHP: Wofür steht die Republikanische Volkspartei in der Türkei?

Die Partei CHP wurde 1923 von Mustafa Kemal Atatürk gegründet und hat die Türkei jahrelang regiert. Mittlerweile führt sie die Opposition an. Was macht sie aus?
Der 9. September 1923 markiert den Gründungstag der Cumhurriyet Halk Partisi, abgekürzt CHP. Die Partei entstand unter der Führung von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk, zunächst unter dem Namen „Volkspartei“ (Halk Fırkası). Im Jahr 1935 erhielt sie ihren heutigen Namen, der übersetzt Republikanische Volkspartei bedeutet. Sie ist die älteste Partei in der Türkei.
Unter Atatürk führte die CHP zahlreiche Reformen durch, unter anderem wurde das Sultanat und Kalifat abgeschafft, das lateinische Alphabet eingeführt sowie das Justizwesen geändert. Die Anfangszeit der CHP hatte verschiedene dunkle Kapitel. Zwischen 1937 und 1938 ereignete sich der Völkermord in der kurdisch-alevitischen Region Dersim, den die Kurden „Tertele“ nennen. Bis zu 80.000 Menschen wurden damals durch türkische Soldaten getötet.
Name | Cumhuriyet Halk Partisi |
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Abkürzung | CHP |
Übersetzung | Republikanische Volkspartei |
Gründung | 9. September 1923 |
Gründer | Mustafa Kemal Atatürk |
Amtierender Vorsitzender | Kemal Kilicdaroglu (seit 2010) |
CHP: Die sechs Pfeiler der Republikanischen Volkspartei der Türkei
Im Jahr 1927 legte die CHP „Republikanismus“, „Kollektivismus“, „Nationalismus“ und „Säkularismus“ als ihre vier Grundprinzipien fest. 1935 wurden die Grundsätze um zwei weitere ergänzt: den „Etatismus“ und „Reformismus“. Angeleitet von ihrem Gründer und ersten Präsidenten Atatürk wurde am 29. Oktober 1923 unter Führung der CHP die Republik Türkei gegründet. Die bis dato geltenden Herrschaftsformen des Sultanats und Kalifats wurden abgeschafft. Von der Staatsgründung bis zu den ersten demokratischen Wahlen am 14. Mai 1950 regierte die CHP die Republik alleine. Diese Zeit gilt daher als die Ära des Einparteisystems in der Türkei.
Wandlung der CHP zur „linken Mitte“ der Türkei
Zwischen 1961 und 1965 war die CHP an zwei Koalitionsregierungen beteiligt. Am 10. Oktober 1965 hatte die CHP die Wahlen verloren und ging in die Opposition. Sie bekam nur rund 28 Prozent der Stimmen, während die Adalet Partisi auf über 52 Prozent kam. Bülent Ecevit wurde am 18. Oktober 1966 zum Generalsekretär der CHP gewählt. Mit Ecevit definierte sich die Partei zunehmend neu und wurde zur neuen „Mitte der Linken“. Es kam zu Parteiaustritten und dennoch hatte die Partei bei den Wahlen am 12. Oktober 1969 mit 27,3 Prozent nicht viel an Stimmen verloren.
Der Militärputsch vom 12. März 1971 gilt als Wendepunkt in der Geschichte der CHP. Die Generäle erzwangen damals den Rücktritt der Regierung. Innerhalb der Partei fanden Diskussionen statt, ob man den Putsch unterstützen solle oder nicht. Ecevit trat infolge der Debatten von seinem Amt als Generalsekretär zurück. Bei einer Abstimmung unterstützten 709 CHP-Delegierte Ecevit. Sein Gegner und Parteichef Ismet Inönu kam auf 503 Stimmen. Inönü trat daraufhin als Parteivorsitzender zurück. Während Inönü eine eher kemalistische Linie vertrat und als Hardliner galt, galt Ecevit eher als Reformer, der sich aber letztlich in der CHP durchsetzen konnte. Bei der Generalversammlung der CHP am 14. Mai 1972 wurde Ecevit zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Die Partei hatte damit ihren Wandlungsprozess zur neuen „Demokratischen Linken“ abgeschlossen.
Verbot und Neugründung der CHP nach dem Putsch 1980
Nach dem Putsch vom 12. September 1980 wurde alle Parteien, einschließlich die CHP, vom Militär verboten. Die Ehefrau von Bülent Ecevit, Rahşan, gründete daraufhin am 14. Mai 1985 die DSP (Demokratik Sol Parti). Ihr Ehemann war mit einem Parteiverbot belegt.
Mit einem neuen Gesetz vom 19. Mai 1992 wurde das Parteiverbot von 1980 wieder aufgehoben und die CHP neu gegründet. Bei der Generalversammlung am 9. September 1992 wurde der Rechtsanwalt Deniz Baykal zum neuen Parteichef gewählt. Mit einer kurzen Unterbrechung zwischen 1999 und 2000 war Baykal bis zum 10. Mai 2010 Parteivorsitzender.
Wie schneidet die CHP bei Türkei-Wahlen ab?
Seit 2010 ist Kemal Kilicdaroglu Vorsitzender der CHP. Kilicdaroglu zog 2002 erstmals als Abgeordneter ins Parlament ein. Bei den letzten Parlamentswahlen am 24. Juni 2018 bekam die CHP 146 Sitze in der Volksversammlung. Heute ist sie die zweitstärkste Partei in der Türkei und größte Oppositionspartei. Sie ist Mitglied des Oppositionsbündnissen „Sechser Tisch“ zu der auch die anderen Oppositionsparteien (Iyi Parti, Saadet Partisi, DEVA Partisi, Gelecek Partisi und Demokrat Parti) gehören. Sie wollen bei den nächsten Wahlen einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten stellen, um damit der AKP-Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Ende zu setzen.
Jahr | Stimmenanteil in Prozent |
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2007 | 20,88 |
2011 | 25,98 |
Juni 2015 | 24,95 |
November 2015 | 25,32 |
2018 | 22,65 |
Bei der anstehenden Türkei-Wahl am 14. Mai 2023 tritt die Partei gemeinsam im Oppositionsbündnis „Sechser Tisch“ an. Neben der CHP sind dort die Iyi Parti, Saadet Partisi, DEVA Partisi, Gelecek Partisi und Demokrat Parti vertreten. Einen gemeinsamen Kandidaten hat das Bündnis jedoch noch nicht festgelegt.