1. Startseite
  2. Politik

Chinas Marine rüstet im Indopazifik auf – USA haben keine militärische Antwort

Erstellt: Aktualisiert:

Von: China.Table

Kommentare

Chinesische Marinesoldaten auf einem Schiff, das aus Zhoushan in Ostchina ausläuft
Chinas Marine rüstet im Indopazifik auf – die Gefahr versehentlicher Gewalt steigt © Liu Fang/imago

Im Indopazifik fehlen Institutionen zur Konfliktlösung. Gleichzeitig rüstet China auf – auch außerhalb der Marine, wie Felix Heiduk von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin im Interview erklärt.

Berlin – Da im Indopazifik Mechanismen und Strategien zur Konfliktlösung fehlen, wird nach Ansicht von Felix Heiduk, Forschungsgruppenleiter Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen China und den USA vorstellbarer. Gewaltausbrüche könnte es in der Region auch ungewollt geben. Das Gespräch führte Gabriel Bub von Security.Table. Die SWP mit Sitz in Berlin berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Heiduks Spezialgebiete sind die Sicherheits- und Außenpolitik in Südostasien.

Newsletter von Table.Media

Erhalten Sie 30 Tage kostenlos Zugang zu weiteren exklusiven Informationen der Table.Media Professional Briefings - das Entscheidende für die Entscheidenden in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung und NGOs.

Herr Heiduk, steuern wir im Indopazifik auf einen Krieg zu?

Der Indopazifik reicht je nach Definition mindestens von den westpazifischen Inselgruppen bis an die Ostküste Afrikas. Was meinen Sie genau? Einen Krieg zwischen den USA und China?

Darauf will ich hinaus.

Ich denke, es ist plausibler, dass es dazu kommt, als vor fünf oder zehn Jahren – ich würde da immer entlang von Plausibilitäten argumentieren. Aber Kriegsausbrüche und -verläufe sind zumeist derart multikausal, dass seriöse Sozialwissenschaft immer betonen sollte, dass es fast unmöglich ist, sie vorauszusagen.

Welche Plausibilitäten machen einen Kriegsausbruch wahrscheinlicher?

Da ist zunächst die zunehmende ordnungspolitische Rivalität. Peking fordert aktiv die etablierte US-Vormachtstellung in der Region heraus – politisch, wirtschaftlich, aber auch immer mehr militärisch. Zudem hat sich innenpolitisch sowohl in China, als auch in den USA eine Wahrnehmung der bilateralen Beziehungen zwischen Washington und Peking breitgemacht, die diese als antagonistisches Nullsummenspiel begreift.

Und dazu kommt, dass in der Region Instrumente des Konfliktmanagements weitgehend fehlen. Angefangen von der Ebene der Rüstungskontrolle bis hin zur diplomatischen Ebene. All das ist überhaupt nicht institutionalisiert worden, und so ist – wenn man ganz ehrlich ist – das Konfliktmanagement daher von den persönlichen Beziehungen der regierenden Eliten untereinander abhängig.

China: Aufrüstung der Marine im Indopazifik

Was macht die fehlende Rüstungskontrolle mit der Region?

Es gibt eine Reihe von Sicherheits-Hotspots, an denen sich aufgrund der angespannten Sicherheitslage durch die immer weiter fortschreitende Militarisierung der Region militärische Eskalationsspiralen in Gang setzen könnten – dies auch durchaus unintendiert – das heißt selbst wenn die beiden zentralen Akteure Washington und Peking kein Interesse daran haben. Zudem wirkt sie sich verstärkend auf das wachsende Misstrauen zwischen den USA und Peking über die „echten“ Intentionen des jeweiligen anderen aus.

Wie hat China im Indopazifik aufgerüstet?

Vor allem, aber nicht nur, im Marinebereich. Zunächst mal kann man das rein quantitativ fassen: Die chinesische Marine ist mittlerweile zahlenmäßig größer als die der USA. Aufrüstung beschränkt sich aber nicht allein auf die Volksbefreiungsarmee. Damit meine ich nicht nur die Marine als Marine, sondern auch den militärischen Grauzonenbereich, der von der Küstenwache bis zur zivilen Fischerei reicht. Es gibt viel Forschung, die aufzeigt, dass die größeren Fischereifangflotten in den letzten Jahren immer im Verbund mit Küstenwache und Marine operiert haben. 

Und dass zur Durchsetzung territorialer Ansprüche zum Beispiel gegenüber den Philippinen oder Vietnam auch zivile Schiffe von staatlicher Seite eingesetzt werden. Bestimmte Schiffe der chinesischen Küstenwache sind mittlerweile durchaus bewaffnet und sogar größer als Korvetten und Fregatten. Das wird aber gar nicht in den normalen Militärausgaben abgebildet.

Porträt von Felix Heiduk von der SWP
Felix Heiduk, Indopazifik-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin © SWP

Ist Chinas Marine auch qualitativ besser als die der USA?

Das ist offen gesagt schwer zu messen. So traurig wie es klingt – das müsste man wohl im Gefecht herausfinden. Wie die USA mit dieser Ungewissheit umgehen, ist natürlich eine interessante Frage.

Wie tun sie das?

Wenn wir uns die Rhetorik angucken, würden wir annehmen, dass es einen massiven Ausbau der militärischen Kapazitäten der USA im Indopazifik gibt. Aber den können wir empirisch bisher nicht darlegen.

Indopazifik: USA setzen auf Allianzen, nicht auf eigene militärische Aufrüstung

Es gibt keine starke amerikanische Aufrüstung?

Nein, interessanterweise im Indopazifik nicht. Was es aber gibt – Stichwort Integrated Deterrence – ist ein Konzept, das sagt: Wir sind als USA nicht bereit, unsere eh schon umfassenden militärischen Kapazitäten allein weiter auszubauen, sehen aber die Notwendigkeit, die militärische Abschreckung gegenüber China trotzdem zu erhöhen.

Was bedeutet das?

Integrated Deterrence heißt, wir haben fünf bilaterale Militärallianzen. Da gibt es das Nabe-und-Speichen-System, also die USA als Nabe und die fünf Alliierten als Speichen. Was die USA an eigenen militärischen Kapazitäten nicht investieren wollen bzw. können, soll an den Speichen ausgebaut werden. Das heißt die Speichen, insbesondere Südkorea, Japan und Australien, in einem geringeren Maße die Philippinen, und bei Thailand kann man derzeit ein größeres Fragezeichen dahintersetzen.

Aber zumindest die drei Erstgenannten sollen die eigenen militärischen Kapazitäten massiv ausbauen und stärker miteinander und mit den USA kooperieren – um den USA ein Stück weit die Last diesbezüglich abzunehmen und gleichzeitig die militärische Abschreckung gegenüber China zu erhöhen. China holt bei den Rüstungsausgaben auf. Nicht alles, was in Seekräfte fließt, taucht hier auf.

Gibt es ein chinesisches Gegenmodell dazu?

Mir ist bislang kein offizieller strategischer Gegenentwurf bekannt. Man kann sich darüber streiten, ob die Partnerschaft mit Pakistan oder Kambodscha oder mit Laos eine Quasi-Alliance ist. Fakt ist, China macht seit Korea (Nordkorea, d.Red.) keine Allianzen mehr. Ein chinesisch dominiertes Allianzsystem in Konkurrenz zu dem der USA sehen wir derzeit nicht. Wohl aber die Intensivierung bilateraler Partnerschaften zwischen China und Partnerländern in der Region – auch im militärischen Bereich.

China im Indopazifik: Europa gegen chinesisch-amerikanische Bipolarität

Welche Sicherheitsarchitektur wäre im Sinne Europas?

Wenn ich mir die offiziellen Debatten und Strategien dazu anschaue, dann ist relativ deutlich, dass eine wie auch immer geartete sino-amerikanische Bipolarität und eine regionale Sicherheitsarchitektur, die dieser entspricht, nicht gewünscht sind. Da wird von effektivem Multilateralismus geredet, von Inklusivität im Indopazifik.

Wenn wir uns das beobachtbare Verhalten von Deutschland, Frankreich oder anderen angucken, sehen wir allerdings: Das sicherheitspolitische Verhalten passt nicht zum Narrativ. Denn dafür müssten die Europäer ja aktiv auf China zugehen, um die Volksrepublik in wie auch immer geartete, inklusive, multilaterale sicherheitspolitische Strukturen einzubinden. Dies ist jedoch nicht beobachtbar. Und es ist auch nicht zu beobachten, dass China derzeit ein Interesse an derartiger Kooperation hat.

Was für eine Ordnung zeichnet sich dann im Indopazifik ab?

Es gibt in immer stärkerem Maße Akteure wie Indien, Indonesien, Australien, Japan, deren Bedeutung im sicherheits- und verteidigungspolitischen Bereich wächst. Was aus meiner Sicht daraus ableitbar ist, ist eine multipolare Ordnung in dieser Region. Ich war neulich auf einer Konferenz in Jakarta, da war das positiv konnotiert als ein Ordnungssystem, welches eben nicht das bipolare System eines neuen Kalten Krieges abbildet und somit Staaten wie Indien, Indonesien und anderen middle powers mehr Einflussmöglichkeiten bietet.

Es dürfte aber in jedem Fall zunächst eine klar asymmetrische Multipolarität sein, weil China und die USA die Big Guys sind und das auf absehbare Zeit bleiben werden. Ob das daher eine sicherheitspolitisch stabile Ordnung ist, da würde ich erstmal ein großes Fragezeichen dransetzen. Vielleicht wünschen wir uns dann alle den neuen Kalten Krieg, den wir derzeit im Indopazifik noch nicht bekommen haben.

Dieses Interview erschien am 10. Januar 2023 im Security.Table Professional Briefing und am 11. Januar 2023 im China.Table Professional Briefing – im Zuge einer Kooperation steht es nun auch den Lesern der IPPEN.MEDIA-Portale zur Verfügung.

Auch interessant

Kommentare