1. Startseite
  2. Politik

China im Ukraine-Krieg: Warum Peking zu Russland hält und versucht, den Westen zu spalten

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

China weicht nicht von der Seite Russlands, trotz des Kriegs in der Ukraine. Das liegt auch an der Konfrontation mit den USA.

München/Peking – Der Ukraine-Krieg tobt weiter mit unveränderter Brutalität, auch mehr als ein Jahr nach Beginn des russischen Überfalls. Ebenfalls unverändert: Chinas Position in dem Konflikt. Bereits vor Kriegsbeginn hatte sich Xi Jinping an die Seite Wladimir Putins gestellt, und Chinas Staats- und Parteichef denkt nicht daran, diese Position zu verlassen.

Das wurde einmal mehr am Dienstag deutlich, als Chinas neuer Außenminister Qin Gang auf einer Pressekonferenz am Rande der jährlichen Tagung des Nationalen Volkskongresses in Peking erneut die Verbundenheit seines Landes zum Kreml unterstrich: „Je turbulenter die Welt ist, umso beständiger sollten die russisch-chinesischen Beziehungen voranschreiten“, so Qin. Die Beziehungen seien allerdings keine Allianz und auch nicht konfrontativ gegen dritte Parteien gerichtet, beteuerte der Außenminister, bezeichnete das Verhältnis zu Russland aber auch als „Modell für neue internationale Beziehungen“.

Den USA warf er vor, den Konflikt anzuheizen. Ohne Washington ausdrücklich beim Namen zu nennen, raunte Qin: „Es scheint eine unsichtbare Hand zu geben, die auf ein Hinziehen und eine Eskalation des Konflikts dringt und die Ukraine-Krise benutzt, um eine bestimmte geopolitische Agenda voranzutreiben.“ Fast wortgleich hatte sich Ende Februar Wang Yi, Chinas oberster Diplomat, auf der Münchner Sicherheitskonferenz geäußert. China vertritt die Ansicht, die Nato und die USA seien schuld an der Eskalation des Krieges. Russland nimmt Peking hingegen weiterhin aus der Verantwortung; auch direkte Kritik an den Kriegsverbrechen der russischen Armee in der Ukraine kam China bislang nicht öffentlich über die Lippen.

China fordert Frieden in der Ukraine und streitet ab, Waffen an Russland liefern zu wollen

Gleichzeitig stellt sich China in dem Konflikt als neutraler Beobachter dar. Zudem fordert Peking, den Krieg auf diplomatischem Wege zu beenden. „Entweder die Feindseligkeiten hören auf, Frieden wird wiederhergestellt und der Prozess einer friedlichen Beilegung beginnt – oder mehr Öl wird ins Feuer gegossen und die Krise weitet sich aus und gerät außer Kontrolle“, sagte Qin am Dienstag. „Konflikt, Sanktionen und Druck werden das Problem nicht lösen. Was jetzt gebraucht wird, sind Ruhe, Vernunft und Dialog.“ Konkrete Schritte, um Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu schaffen, ist Peking bislang allerdings schuldig geblieben. Zuletzt hatte Chinas Regierung zudem ein Zwölf-Punkte-Papier zum Ukraine-Krieg veröffentlicht, darin aber lediglich altbekannte Positionen wiederholt. Viele Beobachter zeigten sich enttäuscht von dem Papier, in dem China erneut keine konkreten Schritte für einen Frieden in der Ukraine skizzierte.

Zudem lässt Peking weitgehend offen, wie ein solcher Frieden aussehen könnte. China fordert zwar, die Souveränität und territoriale Integrität aller Länder müssten gewahrt bleiben; was genau das für die von Russland besetzten Gebiete in der Ukraine bedeutet, erklärt Peking hingegen nicht. Einen Rückzug der russischen Truppen forderte Peking bislang jedenfalls nicht explizit.

In Peking wehrte sich Außenminister Qin Gang erneut gegen Vorwürfe, China plane, Russland Waffen zu liefern. „China hat die Krise nicht geschaffen. Es ist keine Partei in der Krise und hat keine Waffen an eine der beiden Seiten geliefert“, so Qin. US-Außenminister Antony Blinken hatte vor wenigen Wochen erklärt, Peking erwäge, „Russland bei seiner Aggression gegen die Ukraine tödliche Unterstützung zukommen zu lassen“, und zwar „alles von Munition bis zu den Waffen selbst“. Beweise für seine Behauptung legte Blinken bislang nicht vor. Allerdings gibt es bereits seit Längerem Anzeichen, dass staatliche chinesische Rüstungsunternehmen Güter nach Russland liefern, die auch militärisch genutzt werden könnten – ein Verstoß gegen US-Sanktionen, die China zwar nicht übernommen hat, offiziell aber auch nicht umgeht.

China und Russland: „grenzenlose“ Partnerschaft gegen die USA

So befindet sich China im Ukraine-Krieg in einem Dilemma. Auf der einen Seite kommt der Konflikt des Westens mit Russland Peking gelegen, weil sich China ausdrücklich gegen die von den USA angeführte Weltordnung stellt. So hatten sich Moskau und Peking kurz vor Kriegsbeginn ihrer „grenzenlosen“ Partnerschaft versichert, mit dem Ziel, die Dominanz der USA zu brechen. Zudem wird China für Russland als Handelspartner immer wichtiger und erwirbt etwa günstiges Öl und Gas; umgekehrt wird beispielsweise der Marktanteil chinesischer Autohersteller in Russland immer größer. Im vergangenen Jahr stieg der Handel zwischen beiden Ländern auf ein Rekordhoch von umgerechnet knapp 180 Milliarden Euro.

Gleichzeitig scheint Peking aber nicht damit gerechnet zu haben, dass der Krieg auch nach mehr als einem Jahr die Beziehungen zum Westen dominiert. Vor allem das geeinte Auftreten der Europäer und der USA scheint Chinas Führung überrascht zu haben. Außenminister Qin erklärte am Dienstag, er hoffe, „dass Europa, das das Leiden durch den Krieg in der Ukraine durchgemacht hat, von seinem Schmerz lernt und wirklich strategische Autonomie und langfristige Stabilität erreicht“ – offenbar der Versuch, einen Keil in die transatlantischen Beziehungen zu treiben.

Dass China den Ukraine-Krieg vor allem mit Blick auf die Konfrontation mit den USA betrachtet, machte am Montag auch Staats- und Parteichef Xi Jinping deutlich: „Insbesondere die westlichen Länder, angeführt von den USA, verfolgen eine umfassende Eindämmung, Einkreisung und Unterdrückung Chinas, was nie da gewesene schwere Herausforderungen für die Entwicklung Chinas mit sich bringt“, sagte Xi während der Jahrestagung des Volkskongresses vor Delegierten der Konsultativkonferenz, eines beratenden Gremiums. Derart offene, aggressive Worte in Richtung Washington hört man von Xi sonst nicht. (sh)

Auch interessant

Kommentare