Die Wahrheit über China-Drohnen im Kriegsgebiet: Russland und die Ukraine nutzen sie

Berichte über eine abgeschossene chinesische Drohne in der Ukraine sorgen für Aufregung. Beide Seiten nutzen im Krieg solche aufgemotzten Fluggeräte. Trotzdem kommt der Fall für China zur Unzeit.
Peking/Kiew/Frankfurt – Gerade erst hat China sich als Vermittler im Ukraine-Krieg ins Spiel gebracht. Da sorgen Berichte über Lieferungen von Drohnen und kleineren Waffen an Moskau für Aufregung. So soll die Ukraine eine von Russland gesteuerte umgebaute chinesische Drohne abgeschossen haben, wie der US-Sender CNN am Donnerstag exklusiv berichtete. Sie sei mit einer 20 Kilogramm schweren Bombe bewaffnet gewesen. Eigentlich produziert der Hersteller Mugin Limited diese Drohnen – eine Art ferngesteuertes Flugzeug mit einer Spannweite von fünf Metern – nur für zivile Zwecke.
Auch der Bundesregierung liegen nach Angaben des Spiegel Informationen vor, wonach aus China Drohnen an russische Abnehmer gelangen, die zu Aufklärungszwecken im Krieg genutzt werden können. Allerdings verwendet die Ukraine ebenfalls nachgerüstete zivile Drohnen – auch die Mugin-5 (siehe Foto oben). Berichten und Hinweisen zufolge nutzen beide Kriegsparteien auch nachgerüstete zivilen Drohnen des weltgrößten Herstellers DJI aus Shenzhen, etwa das Modell Mavic2, auf dem Schlachtfeld.
China: Berichte über Sturmgewehre stellen Vermittlerfunktion in Frage
Die Drohnen zweier Privatfirmen stellen für Peking vielleicht noch kein Glaubwürdigkeitsproblem dar. Sturmgewehre sind da eine andere Sache. Rund 1000 solcher Gewehre des Typs CQ-A soll die chinesische Staatsfirma Norinco im zweiten Halbjahr 2022 laut Politico an Russland geliefert haben. Das zeigten Zoll- und Handelsdaten. Darin seien die Waffen allerdings als „zivile Jagdgewehre“ getarnt worden. Auch Drohnenteile und 12 Tonnen Schutzausrüstung wie kugelsichere Westen sollen geliefert worden sein – und zwar über die Türkei. Keine große Menge. Dennoch steht die Frage im Raum: Hat die Regierung in Peking davon gewusst, die Lieferungen gar initiiert? Oder agieren die Firmen auf eigene Faust?
So oder so: Die Berichte kommen für Peking zur Unzeit. Staatschef Xi Jinping reist kommende Woche für drei Tage zu Wladimir Putin. Das bestätigten beide Seiten am Freitag. Im Anschluss will Xi mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sprechen, wenn auch nur per Videoschalte. Bisher lehnen sowohl Kiew als auch Moskau den kürzlich von China herausgegebenen Zwölfpunkteplan für eine Rückkehr zur Diplomatie ab. China gilt in Kiew nicht als neutrale Macht. Kein Wunder: Im Ukraine-Krieg hat sich Peking verbal klar auf die Seite Russlands geschlagen. Auch wenn es sich offiziell als „neutral“ bezeichnet. Doch Waffenlieferungen würden das Bild des neutralen Mittlers endgültig zerstören.
Aufgemotzte Drohnen: In Russland und der Ukraine im Einsatz
Der Fall der von der Ukraine abgeschossenen Drohne zeigt indes vor allem, wie problemlos solche Güter ihren Weg ins Kriegsgebiet zu finden scheinen. Die Mugin-5-Drohne war ganz simpel in Chinas größtem Online-Kaufhaus Alibaba.com weltweit ab 10.000 US-Dollar zu erwerben. Doch affenbar hat Mugin das Fluggerät nun vorerst aus dem Verkehr gezogen: Am Freitag hieß es im entsprechenden Alibaba-Shop: „Dieses Produkt ist nicht mehr verfügbar.“ Das Unternehmen hatte CNN gegenüber bestätigt, dass es sich bei dem abgeschossenen Fluggerät tatsächlich um Teile seiner Drohnen handele und nannte den Zwischenfall „sehr unglücklich“. Ein Sprecher sagte, das Unternehmen billige diese Art der Nutzung nicht. Damit reagierte Mugin für ein chinesisches Unternehmen ungewöhnlich offen. Die Firma hatte laut Golem.de bereits Anfang März die militärische Nutzung seiner Produkte verurteilt.
Der chinesische Hersteller DJI wiederum hatte im April offiziell die Geschäfte mit Russland suspendiert. Doch betonte das Unternehmen, es könne nicht garantieren, dass seine Kunden die Drohnen nicht über Drittstaaten nach Russland weiterverkaufen. Laut Politico lieferte DJI im November und Dezember Drohnenteile wie Batterien oder Kameras über die Vereinigten Arabischen Emirate an eine kleine russische Vertriebsfirma. Ob DJI selbst oder irgendein Zwischenhändler die Ware dorthin verkaufte, erwähnte das Portal aber nicht.
China und Russland: Berichte auch über mögliche Lieferungen von Kamikazedrohnen und Waffen
Berichte über mögliche chinesische Waffenlieferungen an Russland gibt es immer wieder. Peking weist dies stets zurück. So soll der chinesische Drohnenhersteller Xi’an Bingo Intelligent Aviation Technology nach Informationen des Spiegel mit dem russischen Militär über die Lieferung von Kamikazedrohnen verhandeln. Bingo soll sich bereit erklärt haben, 100 solcher Drohnen bis April zu liefern. Das Design ähnele den iranischen Kamikazedrohne, die Russland zu Hunderten in der Ukraine eingesetzt hat, etwa zur Zerstörung ziviler Infrastruktur. Bisher gibt es für den Bericht allerdings keine weiteren Quellen.
In der US-Regierung und im Kongress soll laut Politico seit Monaten eine Liste mit Kriegsausrüstung zirkulieren, die China an Russland zu liefern erwäge. Darauf: Drohnen, Munition und andere Kleinwaffen. Bundeskanzler Olaf Scholz drohte China Anfang März im CNN-Interview in Washington für den Fall von Waffenlieferungen an Russland mit „Konsequenzen“ – äußerte aber Optimismus, dass es dazu nicht kommen werde.
Bei Dual-Use-Produkten, also Geräten, die sowohl zivil als auch militärisch eingesetzt werden, lässt sich der wahre Einsatz indessen leichter verschleiern. Laut dem Politico-Bericht importierte das staatliche russische Verteidigungsunternehmen Rosoboronexport 2022 Mikrochips, Wärmebildgeräte und Ersatzteile wie einen Gasturbinenmotor aus verschiedenen Ländern wie China, Serbien und Myanmar. Die Aufmerksamkeit westlicher Sanktionshüter auf solche Güter dürfte sich durch solche Berichte erhöhen.