Konflikt mit China: EU-Außenbeauftragter will europäische Kriegsschiffe in Taiwanstraße schicken

Josep Borrell fordert ein deutliches Signal an China: In der Taiwanstraße sollen europäische Schiffe patrouillieren, so der Außenbeauftragte der EU.
München/Brüssel – Wie soll sich die Europäische Union in der Taiwan-Frage verhalten – eher zurückhalten, wie es Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unlängst gefordert hat? Oder soll die EU so selbstbewusst auftreten wie Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem jüngsten China-Besuch? Josep Borrell, der Außenbeauftragte der EU, plädiert nun für ein deutliches Signal an Peking: „Ich fordere die europäischen Marinen auf, in der Taiwanstraße zu patrouillieren, um Europas Engagement für die Freiheit der Schifffahrt in diesem absolut entscheidenden Bereich unter Beweis zu stellen“, schrieb Borrell am Wochenende in einem Gastbeitrag für die französische Sonntagszeitung Journal du Dimanche.
Peking betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz und will den demokratisch regierten Inselstaat notfalls mit Gewalt mit der Volksrepublik „wiedervereinigen“. Seit dem Taiwan-Besuch der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi im vergangenen Sommer hat China seine Drohgebärden in Richtung Taipeh noch verstärkt: Peking ließ mehrfach Militärübungen in der Region durchführen, zuletzt wurde unter anderem eine Abriegelung der Insel geprobt. Zuvor hatte sich Pelosis Nachfolger Kevin McCarhty in den USA mit der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen getroffen.
Wie soll Europa mit China umgehen?
Im Umgang mit China würden sich für die Europäer zwei Fragen stellen, so Borrell nun in seinem Gastbeitrag: „Wie wird China seine Macht einsetzen, und wie können wir damit umgehen?“ Es sei wichtig, bei globalen Themen wie Klimawandel, Biodiversität und Pandemien mit Peking zusammenzuarbeiten. Bei vielen anderen Themen gebe es aber „tiefe Meinungsverschiedenheiten“ mit China. So versuche Peking, „die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte infrage zu stellen, die es doch unterzeichnet und ratifiziert hat“. Zudem benachteilige China europäische Unternehmen systematisch – „die glückliche Globalisierung ist vorbei“, so Borrell. Europa müsse deshalb „Risiken reduzieren, ohne eine Abkopplung unserer Volkswirtschaften von China anzustreben“.
In der Taiwan-Frage müsse Europa „sehr präsent sein“, schließlich sei die EU „wirtschaftlich, handelspolitisch und technologisch“ betroffen, sollte der Konflikt eskalieren. Borrell bezieht sich damit indirekt auf Äußerungen von Emmanuel Macron, der anlässlich seines China-Besuchs vor wenigen Woche gesagt hatte, der Taiwan-Konflikt gehe Europa nichts an. Borrell schreibt nun, die Anwendung von Gewalt zur Lösung der Taiwan-Frage dürfe keine Option sein; vielmehr müsse der Status quo erhalten bleiben. In diesem Zusammenhang forderte Borrell auch die Patrouillenfahrten europäischer Marinen in der Taiwanstraße, also in jenem Gewässer, das Taiwan und China voneinander trennt und das Peking seit einiger Zeit als eigenes Hoheitsgebiet betrachtet.
USA patrouillieren regelmäßig in der Taiwanstraße
Die USA patrouillieren in der Region regelmäßig, zuletzt fuhr Mitte April der Zerstörer „USS Milius“ durch die gut 150 Kilometer breite Meeresenge. Auch Frankreich hatte unlängst ein Kriegsschiff in die Taiwanstraße geschickt. Wie das Magazin Politico schreibt, gelten in der EU neben Frankreich nur Deutschland und die Niederlande als befähigt, ebenfalls Schiffe in die Region zu entsenden.
Borrell, der kürzlich eine für April geplante China-Reise wegen einer Corona-Infektion absagen musste, ist mit seiner harten Haltung gegenüber China in der EU nicht allein. So hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende März in einer Grundsatzrede der chinesischen Führung „Desinformation und wirtschaftliche und handelspolitischen Nötigung“ sowie ein „verstärktes militärisches Auftreten“ vorgeworfen. „Dies ist eine bewusste Politik, die auf andere Länder abzielt und sicherstellt, dass sie sich fügen und anpassen“, so von der Leyen. Mit Blick auf Taiwan ergänzte sie: „Jede Schwächung der regionalen Stabilität in Asien – der am schnellsten wachsenden Region der Welt – beeinträchtigt die globale Sicherheit, den freien Fluss des Handels und unsere eigenen Interessen in der Region.“ (sh)