China erhöht die Militärausgaben: Wird ein Krieg mit Taiwan unausweichlich?

China will sich Taiwan einverleiben – und erhöht seit Jahren die Militärausgaben. Wird ein Krieg unausweichlich?
München/Peking – Im Jahr 2027 wird Chinas Volksbefreiungsarmee den 100. Jahrestag ihrer Gründung feiern. Bis dahin will Peking die Modernisierung seiner Armee weiter vorantreiben. Seit vielen Jahren erhöht China deshalb regelmäßig die Militärausgaben. In diesem Jahr soll das Budget um 7,2 Prozent auf umgerechnet 211 Milliarden Euro steigen, wie der scheidende Premierminister Li Keqiang am Sonntag bei der jährlichen Tagung von Chinas Nationalem Volkskongress bekannt gab. Bereits in den vergangenen Jahren war Chinas Militärhaushalt ähnlich stark angewachsen. Die Armee, so Li, müsse bis 2027 „an der Durchführung militärischer Operationen, der Verbesserung der Kampfbereitschaft und der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten“ arbeiten.
Insgesamt will China die Staatsausgaben im laufenden Jahr um 5,7 Prozent erhöhen, die Wirtschaft soll um „etwa fünf Prozent“ wachsen, wie Li ankündigte. Das Militärbudget wächst also deutlich stärker als die Gesamtwirtschaft des Landes. Zudem dürfte China in Wirklichkeit mehr für die Armee ausgeben als offiziell verkündet. So schätzt das Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri, dass Peking 2021 rund 275 Milliarden Euro in seine Armee gesteckt hat – mehr als jedes andere Land der Welt, mit Ausnahme der USA.
Chinas Regierung beschreibt ihre Rüstungsausgaben als „angemessen und vernünftig“. So erklärte der Sprecher des Nationalen Volkskongresses, Wang Chao, am Wochenende, die Erhöhung der Ausgaben sei „notwendig, um die komplexen Sicherheitsherausforderungen zu bewältigen und unserer Verantwortung als Großmacht gerecht zu werden“. Vor allem mit Blick auf Taiwan sorgt Chinas Aufrüstung allerdings für Beunruhigung bei westlichen Regierungen. Denn China betrachtet die demokratisch regierte Insel als Teil des eigenen Staatsgebiets und strebt eine „Wiedervereinigung“ an – notfalls auch mit Gewalt.
China erhöht Militärausgaben – gibt aber deutlich weniger aus als die USA
Im internationalen Vergleich gibt China jedoch nicht übermäßig viel für seine Volksbefreiungsarmee aus. Nimmt man die Sipri-Zahlen als Basis, dann lagen Chinas Militärausgaben 2021 bei 1,7 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das ist weniger als das offizielle Ziel der Nato-Staaten, jedes Jahr mindestens zwei Prozent ihres BIP in den Verteidigungshaushalt zu stecken – ein Ziel, das Deutschland übrigens in diesem Jahr wieder einmal verfehlen dürfte. Die USA hingegen investierten rund 752 Milliarden Dollar in ihre Streitkräfte, das entspricht satten 3,2 Prozent des amerikanischen BIP.
Fraglich ist zudem, wie schlagkräftig Chinas Armee wirklich ist. Das Land will zwar schon bald einen dritten Flugzeugträger namens „Fujian“ in Dienst stellen; auch wird Peking Staatsmedien zufolge in diesem Jahr „fortschrittlichere Kampfflugzeuge“ in Betrieb nehmen, darunter J-20 Tarnkappen-Kampfflugzeuge und J-16 Mehrzweck-Kampfflugzeuge. Außerdem verfügt Peking schon heute über die größte Marine der Welt. Allerdings soll die Modernisierung der Armee erst 2035 weitgehend abgeschlossen sein. Über Streitkräfte auf „Weltklasseniveau“ wird China eigenen Angaben zufolge sogar erst Mitte des Jahrhunderts verfügen.
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping „will Chinas bis 2049 zu einer Weltmacht machen“, sagt die China-Expertin Helena Legarda vom Merics-Institut für China-Studien. „Das heißt nicht zwangsläufig, dass es bis dahin zu einer großangelegten Invasion Taiwans kommen muss. Aber bis 2049 müssen zumindest signifikante Schritte unternommen werden, um die Taiwan-Frage zu klären“, so Legarda im Gespräch mit dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA.
Kriegssimulation: China würde Kampf um Taiwan wahrscheinlich verlieren
Die meisten Militärexperten sind sich einig, dass China in den kommenden Jahren noch nicht in der Lage wäre, einen groß angelegten Angriff auf Taiwan zu starten. Eine solche „konventionelle“ Invasion würde China einer Simulation des Zentrums für internationale und strategische Studien (CSIS) in Washington zufolge wohl verlieren – vorausgesetzt, die USA und Japan greifen aufseiten Taiwans in den Konflikt ein, was derzeit als wahrscheinlich gilt. Allerdings wäre der Sieg Taiwans und seiner Verbündeten teuer erkauft: „Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten verlieren Dutzende von Schiffen, Hunderte von Flugzeugen und Zehntausende von Militärangehörigen. Die Wirtschaft Taiwans wäre am Boden zerstört“, so die CSIS-Analysten. Auch China hätte demnach hohe Verluste zu verkraften.
Viele Analysten halten deshalb andere Szenarien für wahrscheinlicher. Etwa eine Blockade Taiwans oder großangelegte Cyberangriffe auf die Insel. Möglich wäre auch eine Salami-Taktik, also ein Angriff zunächst auf eine oder mehrere der kleinen Inseln, die zu Taiwan gehören und unweit des chinesischen Festlands liegen. Das mögliche Kalkül dahinter: Sollte China zunächst beispielsweise die Insel Kinmen angreifen, würden sich die USA oder Japan noch nicht in den Konflikt einmischen – die Insel wäre es nicht wert, einen Weltkrieg zu riskieren. China könnte sich in der Folge ermutigt fühlen, weitere Inseln anzugreifen und schließlich Taiwans Hauptinsel zu erobern.
Klar ist jedenfalls: Von dem grundsätzlichen Ziel, sich Taiwan eines Tages einzuverleiben, wird Peking nicht abrücken. Im vergangenen Oktober, beim Parteitag von Chinas Kommunisten, bekräftigte Xi Jinping einmal mehr: „Die Lösung der Taiwan-Frage und die Verwirklichung der vollständigen Wiedervereinigung Chinas sind für die Partei eine historische Mission und eine unerschütterliche Verpflichtung.“