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EU und China: Schlagabtausch aus Sanktionen - Pekings Überreaktion

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Von: Fabian Kretschmer

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Hier ist klar, wer Recht hat: Kinder mit Flaggen der Kommunistischen Partei.
Hier ist klar, wer Recht hat: Kinder mit Flaggen der Kommunistischen Partei. © AFP

Eskalationsspirale zwischen dem Westen und China: Die Kommunistische Partei dürfte sich bei ihrer Vergeltung für die EU-Sanktionen verkalkuliert haben.

Peking - Pekings Antwort ließ nicht lange auf sich warten – fast so, als hätte sie bereits vorbereitet in der diplomatischen Schublade von Pekings Außenministerium gelegen. Nachdem die Europäische Union erstmals seit über drei Jahrzehnten vier chinesische Parteikader sanktionierte, kündigte die Staatsführung in Peking ihrerseits Repressionen gegen zehn europäische Politiker:innen und Akademiker:innen sowie vier Institutionen an. Diese dürfen künftig weder nach China einreisen noch dort Geschäfte machen.

Ganz gleich, wie man zu dieser Reaktion steht: Unter praktisch allen Fraktionen der China-Beobachter:innen herrscht der Konsens, dass es sich um einen Wendepunkt in den gegenseitigen Beziehungen handelt. Matej Šimalcík von der slowakischen Denkfabrik „Central European Institute of Asian Studies“ bezeichnet Chinas Vergeltungsaktion öffentlich als „schwerwiegende strategische Misskalkulation“.

Unverhältnismäßige Sanktionen: Wendepunkt in der Beziehung zwischen China und EU

Zum einen weil Pekings Antwort unverhältnismäßig ausfällt – die EU sanktionierte vier Personen, China hingegen zehn – und damit die Spannungen weiter eskalieren lässt. Zudem bringt Pekings Vergeltung die EU und die USA einander näher und lässt die Fraktion, die der Volksrepublik gegenüber gutmütig eingestellt ist, endgültig schwinden. „Lasst es mich klar ausdrücken: Diese Sanktionen sind mein Ehrenabzeichen. Der Kampf geht weiter!“, schreibt etwa der französische EU-Parlamentarier Raphaël Glucksmann auf Twitter.

Wie kontraproduktiv Chinas Ansatz ist, demonstriert vor allem die völlig überraschende Sanktionierung der Mercator-Stiftung. „Es ist das größte China-Forschungszentrum, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa“, schreibt die ultranationalistische „Global Times“: „Wenn dessen Beziehungen zu China abgebrochen werden, wird sein Einfluss kritisch getroffen“.

Dem EU-Abgeordneten und Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer wird von der Chinesischen Zeitung „Global Times“ vorgeworfen, er stecke hinter den Randalen in Hongkong.
Dem EU-Abgeordneten und Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer wird von der Chinesischen Zeitung „Global Times“ vorgeworfen, er stecke hinter den Randalen in Hongkong. © Mathieu Cugnot

USA und EU: Austausch zwischen dem Westen und China bricht ein

Was wie eine Jubelmeldung klingt, ist doch tatsächlich ein politischer Schuss ins Knie: Denn Mercator ist eine jener wenigen Institutionen, die trotz der aufgeheizten politischen Stimmung zu differenzierten Sichtweisen und gegenseitigem Verständnis aufrufen. Wenn der Austausch zwischen China und dem Westen also vollständig abgeschnitten wird – wie im übrigen auch immer mehr Stimmen aus den USA fordern - dann bleiben am Ende nur mehr die Hardliner übrig.

Pekings Gegensanktionen zeigen auch die unterschiedlichen Auffassungen der zwei politischen Systeme: Zwar kritisiert auch Chinas Regierung vermeintliche Menschenrechtsverbrechen des Westens und dessen Doppelmoral, doch würde sie niemals die Politiker:innen hinter Washingtons Angriffskriegen oder den Lagern in Guantanamo sanktionieren. Der Volksrepublik geht es fast ausschließlich darum, sich die Einmischung in „innere Angelegenheiten“ zu verbieten.

Denn das, was die Kommunistische Partei (KP) vor allem umtreibt, ist die eigene Machtsicherung. Das bedeutet allerdings auch, dass sie zumindest in Teilen auf eine Umformung demokratischer Staaten hinarbeitet: Dort nämlich, wo die öffentliche Meinung den Herrschaftsanspruch der KP bedroht, möchte sie den Diskurs unterbinden.

„Global Times“: Grüner EU-Politiker aus Deutschland stecke hinter Randalen in Hongkong

Die „Global Times“ widmet dem sanktionierten EU-Parlamentarier Reinhard Bütikofer gar einen eigenen Artikel, der sich wie zu Zeiten der Kulturrevolution liest. Darin wird dem deutschen Grünen-Politiker vorgeworfen, sein Sinologie-Studium nicht beendet zu haben, „hinter den Randalen in Hongkong“ zu stecken und von der Nato als Vorhut gegen China eingesetzt zu werden. Die gegenseitige Eskalationsspirale dreht sich unterdessen weiter.

Ein für Dienstag angesetztes Treffen im europäischen Parlament zur Diskussion des EU-chinesischen Investitionsabkommens wurde bereits abgesagt. Gleichzeitig hat das Außenministerium in Peking den EU-Botschafter Nicolas Chapuis einbestellt. Auch Deutschland hat einen Chinesischen Botschafter ins Auswärtige Amt bestellt.

China: Menschenrechtsverletzungen gegen Uiguren wird als Lüge der EU abgetan

An einer Aufarbeitung des Kernproblems, den Menschenrechtsverbrechen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren in Xinjiang, ist Chinas Regierung jedoch nicht im Ansatz interessiert. Stattdessen wird jede Kritik grundsätzlich als Diffamierung und Lüge abgetan. Am Dienstag sagte Außenministeriumssprecherin Hua Chunying, die Meinung der EU-Parlamentarier:innen basiere auf „Lügen und Falschinformation“ und die „unschuldigen Opfer“ – also die chinesische Regierung – habe das „Recht, seine eigenen Interessen und seine Würde zu verteidigen“. (Fabian Kretschmer)

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