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China: Ein Abnicken für Xi

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Obwohl noch im Amt, hängt Chinas Präsident Xi Jinping schon überlebensgroß im Museum der Kommunistischen Partei in Peking.
Obwohl noch im Amt, hängt Chinas Präsident Xi Jinping schon überlebensgroß im Museum der Kommunistischen Partei in Peking. © Greg Baker/afp

Chinas Scheinparlament wird an diesem Sonntag aller Voraussicht nach die Macht des Staatschefs Xi Jinping zementieren. Er strebt eine noch engere Verflechtung von Staat und Partei an. Von Sven Hauberg.

Als Chinas Nationaler Volkskongress (NVK) vor einem Jahr zuletzt zusammenkam, war die Welt noch in Ordnung. Zumindest, wenn man von Peking aus auf die Dinge blickte. Die Corona-Pandemie schien unter Kontrolle, die Wirtschaft brummte. Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine tobte damals, Anfang März, zwar schon seit ein paar Tagen. Aber Kiew war weit weg. Und überhaupt, würde Putin das Land nicht sowieso bald einnehmen? Der Ukraine-Krieg beschäftigte die rund 3 000 NVK-Delegierten jedenfalls kaum.

Wenn sich aber vom Sonntag an Chinas Scheinparlament erneut für rund eine Woche in der Großen Halle des Volkes im Herzen Pekings trifft, um Pläne und Gesetzentwürfe der Regierung brav abzunicken, lässt sich der Krieg im fernen Europa nicht mehr ignorieren. Zwar behauptet Chinas Regierung noch immer, der Konflikt gehe das Land nichts an, außerdem verhalte man sich neutral. Der Westen allerdings blickt seit dem russischen Angriff auch auf China kritischer als je zuvor: Das Land, so die Lesart, mache gemeinsame Sache mit dem Kreml, überlege gar, Waffen an die Russen zu liefern. Das Verhältnis zwischen Peking und den Demokratien des Westens, vor allem mit den USA, ist angespannt wie nie.

Chinas Wachstum ist eingesackt

Auch China selbst hat sich gewandelt im vergangenen Jahr. Die Pandemie wurde erst durch Lockdowns in Schach gehalten, geriet dann außer Kontrolle. Im November gingen Tausende Menschen im ganzen Land gegen die Null-Covid-Politik auf die Straße, es waren die größten Proteste seit Jahrzehnten. Nach nur einem Wochenende aber war der Spuk schon wieder vorbei. Das Wirtschaftswachstum brach 2022 ein, auf den zweitniedrigsten Wert seit vier Jahrzehnten – statt 5,5 Prozent, wie prognostiziert, waren es am Ende nur drei. Für ein Land, das noch mehrere Hundert Millionen Menschen aus der Armut holen muss, ist das ein zu niedriger Wert.

Trotzdem sicherte sich Xi Jinping im Oktober eine dritte Amtszeit als Chef der Kommunistischen Partei und umgab sich in Chinas oberstem Führungsgremium, dem Ständigen Ausschuss des Politbüros, ausschließlich mit loyalen Ja-Sagern. Die Abgeordneten des 14. Volkskongresses dürften ihn nun auch im Amt des Staatspräsidenten ein drittes Mal bestätigen. Damit hätte Xi Jinping seine Macht endgültig zementiert. Zumal der Volkskongress seinen treuen Weggefährten Li Qiang ins Amt des Ministerpräsidenten „wählen“ dürfte. Auch andere leitende Funktionen, etwa in der Zentralbank, wird Xi voraussichtlich mit Vertrauten besetzen. „Der Nationale Volkskongress besiegelt die Beförderung weiterer loyaler Verbündeter Xis an die oberste Staatsspitze“, sagt Nis Grünberg von der China-Denkfabrik Merics. „Der Partei- und Staatschef kann damit dann auf die Unterstützung der Regierung für sein politisches Programm zählen.“

Die „zwei Sitzungen“

Der Nationale Volkskongress (NVK) ist mit 2 977 Abgeordneten das größte Parlament der Welt. Wirkliche Macht hat er aber nicht: Die Parlamentarier und Parlamentarierinnen nicken lediglich bereits von der Parteiführung getroffene Entscheidungen ab. Nur einmal, bei einer Entscheidung über ein Autobahngesetz im Jahr 2000, verweigerten sie ihre Zustimmung.

Die jährliche Sitzung des NVK dauert ein bis zwei Wochen und wird an diesem Sonntag mit dem Arbeitsbericht des scheidenden Ministerpräsidenten eröffnet.

Bereits einen Tag zuvor beginnt die jährliche Tagung der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, eines beratenden Gremiums, dem gut 2 000 Mitglieder der Kommunistischen Partei und anderer Organisationen angehören. Politisch hat die Konsultativkonferenz eine untergeordnete Bedeutung. (Sven Hauberg)

Zudem will Xi einen „Plan zur Vertiefung der Reform von Partei und staatlichen Institutionen“ vorlegen, wie es im Vorfeld hieß. Fachleute erwarten, dass damit die Kontrolle der KP über den Staat weiter gestärkt werden soll.

Li Qiang folgt auf den scheidenden Ministerpräsidenten Li Keqiang, der ebenso wie sein ebenfalls ausscheidender Vize Hu Chunhua zu den wenigen Xi-kritischen Stimmen in Chinas Machtzentrale gehört. Li Qiang hatte im vergangenen Jahr als Parteichef von Schanghai den chaotischen Knallhart-Lockdown der Wirtschaftsmetropole zu verantworten. „Das hatte aber keinen größeren Einfluss auf seine Karriere“, glaubt Grünberg. Der Analyst bezeichnet Li als „wirtschaftsfreundlich“; Menschen, die mit Li zu tun hatten, würden ihn als „ziemlich pragmatischen Menschen“ beschreiben, „der nicht viel über Ideologie redet, sondern eher die Dinge erledigt“, so Grünberg. „Das entspricht ziemlich genau der typischen Rolle eines Ministerpräsidenten.“ Als blinde Gefolgsleute sieht Grünbergs Kollege Jacob Gunter Li und die anderen Xi-Loyalisten aber nicht. „Sie sind Ja-Sager, aber sie sind qualifizierte Ja-Sager.“

China: Sinkende Bevölkerung, schwächelnder Binnenkonsum

Li Qiang übernimmt sein Amt in Zeiten großer wirtschaftlicher Herausforderungen. So ist in China jeder fünfte junge Mensch ohne Arbeit, die Immobilienkrise schwelt weiter, zudem meldete Peking unlängst erstmals seit sechs Jahrzehnten einen Bevölkerungsrückgang – das Land überaltert, bevor es reich geworden ist. Außerdem schwächelt der Binnenkonsum, der China eigentlich unabhängiger vom Exportgeschäft und damit vom Ausland machen sollte. „Hier war Xi vielleicht nicht so erfolgreich, wie er gehofft hatte“, sagt der Merics-Analyst Gunter. Er und sein Kollege Nis Grünberg gehen davon aus, dass China rund fünf Prozent als Wachstumsziel für das kommende Jahr vorgeben werde.

Auf dem Volkskongress wird in den kommenden Tagen noch eine andere Zahl bekanntgegeben, die vor allem im Westen aufmerksam zur Kenntnis genommen werden dürfte: die Steigerung des Militärhaushaltes. Erwartet wird eine Zuwachsrate, die wie im vergangenen Jahr bei rund sieben Prozent liegt. Zuletzt gab China offiziellen Angaben zufolge umgerechnet rund 216 Milliarden Euro aus, Schätzungen zufolge dürften es aber deutlich mehr gewesen sein. Die militärische Aufrüstung erfolgt immer auch mit Blick auf Taiwan, das China als abtrünnige Provinz betrachtet. Peking hat eine gewaltsame Wiedervereinigung nie ausgeschlossen. Vor allem mit Blick auf die Taiwan-Straße ist das stetig anwachsende Militärbudget für viele daher eine beunruhigende Entwicklung.

Gewinnt an Gewicht: der wirtschaftsnahe Li Qiang.
Gewinnt an Gewicht: der wirtschaftsnahe Li Qiang. © Noel Celis/afp

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