Alibaba-Gründer ist zurück – aber andere Milliardäre bleiben in China „verschwunden“
Jack Ma ist zurück in China. Sein öffentliches Erscheinen soll offenbar dabei helfen, neues Vertrauen bei ausländischen Investoren und dem Privatsektor zu schaffen.
Doch während der einst aufmüpfige Alibaba-Gründer rehabilitiert wird, bleiben andere Unternehmer verschwunden.
Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn China.Table am 31. März 2023
Die Kraft der Bilder hat in autokratischen Staaten nahezu überbordende Bedeutung. Als am Montag ein Foto von Alibaba-Gründer Jack Ma auf der Sonnenterrasse einer Schule in Hangzhou in die Welt gesetzt wurde, folgten umgehend optimistische Interpretationen. Die öffentliche Rückkehr des Alibaba-Gründers in die Volksrepublik wurde als Symbol dafür gewertet, dass der Tech-Sektor in China ein Stück weit aus dem Würgegriff der Behörden entlassen werden könnte.
Ma, so wurde berichtet, habe mit dem Leiter der Yungu-Schule über die künftige Ausrichtung des Bildungssektors in China gesprochen und dabei die wachsende Bedeutung von innovativen Technologien diskutiert. Es sei um die Frage gegangen, wie sich der Mensch Künstliche Intelligenz zunutze machen könne, um Probleme zu lösen, statt von den Technologien der Zukunft kontrolliert zu werden.
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Dass nun ausgerechnet wieder Jack Ma zu dieser Frage Anregungen vermitteln darf, die weit über den Campus der Schule hinaus Interesse wecken dürften, gilt einerseits als Signal an Investoren aus aller Welt, dass deren Kapital bei chinesischen Tech-Firmen gut angelegt ist. Andererseits als Signal an den chinesischen Privatsektor, dass der Staat dessen Unterstützung benötigt und fördert.
Li Qiang als Strippenzieher?
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass Chinas neuer Ministerpräsident Li Qiang dem 58-Jährigen schon seit Ende vergangenen Jahres mehrfach über Mittelsmänner angetragen haben soll, im Land wieder öffentlich in Erscheinung zu treten. Li hoffe demnach darauf, den privaten Firmen neuen Anlass zu geben, an die unternehmerische Freiheit im Land zu glauben.
Deswegen war auch der Ort für die verbreitete Fotoaufnahme von großer symbolischer Bedeutung. Die Yungu-Schule war vor sechs Jahren von Alibaba unter dem Leitsatz „Lokal handeln und global denken“ gegründet worden. Die Einrichtung sieht sich als „Mittel zur Verwirklichung individualisierter Bildung durch fortschrittliche Technologien wie Big Data, Cloud-Computing und Internet der Dinge (IoT)“.
In den vergangenen Jahren hatten Alibaba und andre Firmen aus dem Tech-Sektor wenig zum öffentlichen Diskurs beitragen dürfen, da dies der Regulierungswut des Staates widersprach. Stattdessen waren die Topmanager der Branche gezwungen, den Behörden nach dem Mund zu reden. Die Zustimmung sollte Einigkeit propagieren zwischen privaten Unternehmen und der Kommunistischen Partei auf dem Weg Chinas zum „gemeinsamen Wohlstand“. Doch internationale Investoren fühlten sich zunehmend abgeschreckt. Prognosen zur Entwicklung des Sektors schienen weniger von der Innovationskraft und Marktakzeptanz der Unternehmen abhängig zu sein, als von der staatlichen Regulierungswut.

Ma als Bedrohung für das Machtmonopol
Ma persönlich hatte für das harte Durchgreifen wohl ungewollt den Auslöser geliefert. Sein zu forsches Auftreten gegenüber der Partei diente als Startschuss. Ma hatte die Regulatoren des Landes als rückwärtsgewandt dargestellt, die Staatsbanken als altmodisch, das System als unflexibel. Diese vernichtende Bewertung verstand Parteichef Xi Jinping vordergründig als Gefahr für die gesellschaftliche Rückbesinnung auf sozialistische Werte. Doch wohl auch als Bedrohung für das Machtmonopol der Partei.
Ma tauchte erst monatelang nicht mehr in der Öffentlichkeit auf, zog sich schrittweise von allen Firmenposten zurück und verkündete schließlich, er wolle seine Zeit künftig mehr zum Malen statt fürs Unternehmertum nutzen. Zuletzt hatte er China sogar verlassen und war bis Ende vergangener Woche rund ein Jahr lang nicht mehr zurückgekehrt.
Doch weil Ma eben mehr ist als ein Unternehmensgründer, sondern vielmehr von der Generation Y als Star einer Popkultur verehrt wird, besann sich offenbar auch die Partei eines Besseren.
Die teilweise Rehabilitierung des Aufmüpfigen könnte jedoch auch ein Hinweis auf den wahren Zustand der chinesischen Wirtschaft sein. Die Null-Covid-Strategie hat die Konjunktur des Landes arg gebeutelt – vermutlich mehr, als staatliche Daten und Statistiken es verraten.
Dabei gab es zumindest aus Sicht internationaler Investoren schon im vergangenen Jahr Zeichen der Entspannung. So hatte JP Morgan seine Bewertung von Aktien der Branchengrößen nach oben korrigiert und prognostiziert, dass die Papiere eine höhere Gesamtrendite erzielen könnten als der Durchschnitt der Aktien im Erfassungsbereich der Analysten.
Milliardär Bao Fan bleibt verschwunden
Freies Unternehmertum wird aber auch mit einem Jack Ma auf dem Präsentierteller weiter an der Leine der Partei bleiben. Parteichef Xi wird von seiner Linie kaum abweichen. Seit Jahren schon verschwinden immer wieder namhafte Firmenbosse oder Prominente in China, die viel Einfluss und Geld angehäuft haben. Fosun-Gründer Guo Guangchang, Investment-Unternehmer Xiao Jianhua, Mode-Milliardär Zhou Chengjian, Immobilienmogul Ren Zhiqiang, aber auch die Schauspielerin Fan Bingbing oder der Genforscher He Jiankui waren allesamt von heute auf morgen teils monatelang spurlos verschwunden, angeblich um chinesische Behörden bei Ermittlungen in Strafverfahren zu unterstützen.
Der jüngste Fall betrifft den Investmentbanker Bao Fan. Er befindet sich seit Wochen an einem unbekannten Ort. Baos Unternehmen, die China Renaissance Holdings, betreut unter anderem den chinesischen Fahrservice Didi Chuxing und den Lieferservice Meituan – zwei Schwergewichte in Chinas Tech-Industrie. Diese Verbindung in die Internetbranche mag reiner Zufall sein. Die Zuversicht in den chinesischen Privatsektor stärkt sie wohl nicht. Jack Mas Rückkehr nach China scheint insofern zeitlich bestens koordiniert.
Von
Marcel Grzanna