ChatGPT für eine bessere Welt: „Wir können mit künstlicher Intelligenz den Hunger auf der Welt beenden“

Ob Armut, Klimawandel oder Krankheiten – alle Probleme lassen sich mit künstlicher Intelligenz lösen, sagt IT-Experte Paul Springer. Doch eine Sache wird die KI nie verstehen.
Köln – Etwa 40 Prozent der Deutschen sind davon überzeugt, dass künstliche Intelligenz (KI) in den nächsten zehn Jahren negative Folgen haben wird. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey. Weitere 40 Prozent erwarten gemischte Auswirkungen. An einen „positiven Einfluss auf die Welt“ glauben nur 14 Prozent. Zu ihnen zählt Paul Springer. Der promovierte Physiker hat lange als IT-Berater gearbeitet. Jetzt ist Springer ehrenamtlicher Geschäftsführer von „MI4People“. Ein Unternehmen, das mit KI die Welt retten will. Wie soll das gehen?
Herr Springer, haben Sie wirklich keine Angst vor der Zukunft?
Nein. Ich habe genug Vertrauen in uns Menschen. Wir werden alle Herausforderungen lösen.
Dabei sagen Sie doch: Maschinen werden die Probleme der Zukunft lösen.
Maschinen lösen keine Probleme, das sind immer noch die Menschen. Aber Künstliche Intelligenz ist das perfekte Hilfsmittel, um Entscheidungen zu treffen.
Lassen Sie uns konkret werden.
Nehmen wir die Medizin. Die KI kann anhand von Röntgenbildern jetzt schon genauso treffsichere Diagnosen stellen wie ein Arzt. Das hat unglaublich große Auswirkungen. In der westlichen Welt können wir die Wartezeiten auf einen Termin beim Radiologen drastisch verkürzen. In Entwicklungsländern ist die Lage etwas anders, da fehlen einfach Ärzte, sodass die KI hier unterstützen kann. So eine KI entwickeln wir gerade bei MI4People. Wichtig ist aber: Unterstützen, nicht selbst entscheiden – das ist eine ganz wichtige Einschränkung.
Kann KI auch die Klimakrise lösen?
Wir machen gerade ein Projekt, wo es um Müll in unseren Meeren geht. Dass das so ist, wissen wir. Wir wissen aber nicht, wo genau sich der Müll befindet und über welches Volumen wir reden. Das mag viele überraschen, aber alle Zahlen, die es dazu gibt, sind Schätzungen. Die beruhen auf Beobachtungen, die Menschen von Schiffen oder Stränden aus machen. Eigentlich absurd, aber wir haben keinen Überblick. Wenn wir den Müll aber aus den Ozeanen holen wollen, müssen wir aber ein genaues Bild haben.
Und wie kann die KI da jetzt helfen?
Sie kann Satellitenbilder viel besser auswerten als Menschen. Dann können wir sozusagen live sehen und uns voraussagen lassen, zu welchem Zeitpunkt welche Menge an welcher Stelle sein wird. Dann wissen die Boote, die bereits jetzt schon Müll aus dem Wasser fischen, wohin sie fahren müssen – und schippern nicht auf „auf gut Glück“ herum.

Lässt sich die KI noch stoppen? „Dafür ist es zu spät“
Das klingt beeindruckend, aber auch beängstigend. Mit der gleichen Technologie lassen sich doch Bewegungen von Menschen feststellen.
Absolut. Mithilfe von Satellitenbildern kann man problemlos Menschen ausspionieren. Die KI ist nur ein Tool – wie ein Hammer. Damit kann ich Möbel bauen, aber eben auch Menschen erschlagen. Es ist unsere Aufgabe, die KI für gute Zwecke einzusetzen.
Oder wir stoppen einfach alles, wie Elon Musk es sogar kürzlich forderte.
Dafür ist es zu spät. Außerdem bin ich optimistisch, dass wir verantwortungsvoll mit KI umgehen können – und damit sogar den Hunger auf der Welt lösen können.
Wie soll das gehen?
Mit KI können wir die Qualität von Böden sehr gut bestimmen. In der westlichen Welt läuft es so: Es werden Bodenproben entnommen und im Labor ausgewertet. Danach weiß man, welche Samen man am besten einsetzt, wie viel man düngen muss und so weiter. Entwicklungsländer können sich das nicht leisten. Hier kommt KI ins Spiel. Sie kann auf Basis von Satellitenbildern ähnliche Vorhersagen über die Böden in einer bestimmten Region treffen. Das wäre eine enorme Hilfe für Millionen Landwirte auf der Welt.
Brauchen wir wirklich KI, um den Hunger auf der Welt zu lösen? Vielleicht ist der Wille einfach nicht groß genug, wenn jedes Jahr elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Abfall landen – und das Aufbrechen der Abfalleimer („Containern“) kriminalisiert wird.
Das ist völlig richtig. Im schlimmsten Fall liefert uns die KI die Lösung für alle unsere Probleme – und wir handeln trotzdem nicht. Wenn es nicht genug Menschen gibt, die sich für eine bessere Welt einsetzen, wird KI nur dazu eingesetzt werden, mehr Geld zu verdienen. Das schafft sehr wahrscheinlich neue Probleme. Trotzdem bleibe ich dabei: Für alle Menschen, die eine bessere Welt wollen, ist KI ein Geschenk.
KI als Grundschulfach: „Das hätten wir längst debattieren müssen“
All das, worüber wir reden, beruht darauf, dass wir der KI vertrauen. Tun Sie das?
Jein. Ich würde nicht den Entscheidungen einer KI vertrauen. Aber wenn die KI auf Basis eines Röntgenbilds eine Diagnose stellt und ein Arzt dann entscheidet, was und wie operiert wird, dann würde ich mich als Patient damit wohlfühlen. Und wenn ich ein Landwirt wäre und die KI mir Daten zu Stickstoff- und Kohlenstoffanteilen in meinen Böden liefert, dann würde ich auf Basis dieser Daten entscheiden, was ich anbaue.
Sie wollen KI gemeinwohlorientiert nutzen. Ist das ein Vorhaben, mit dem Sie alleine sind?
Bisher gibt es weltweit leider nur eine Handvoll Initiativen, die KI für Gemeinwohl entwickeln, und vor allem viel zu wenige in Europa und Deutschland. Zum überwiegenden Teil wird gerade an einer KI geforscht, die die wirtschaftliche Produktivität erhöht. Das ist an sich nicht falsch. Aber wir müssen aufpassen. Die Einführung von Dampfmaschine und Elektrizität war ebenfalls profitgetrieben. Das hat vieles erleichtert, aber auch neue Probleme geschaffen.
Sollte die Politik also schärfere Gesetze erlassen?
Die Frage ist: Auf Basis welche Informationen sollen diese Gesetze geschrieben werden? Die Politik hat das Thema jahrelang verschlafen. Es wird immer so getan, als sei ChatGPT in den letzten Monaten plötzlich vom Himmel gefallen. Ähnliche Software gab es aber schon 2018. Schon damals war einigen Programmierern klar, wohin die Reise geht. Es ist jetzt wichtig, aufzuklären. Ich hätte mir gewünscht, dass man in den Kultusministerien bereits vor Jahren debattiert hätte, ob wir KI als Grundschulfach einführen.
Was wird die KI niemals können?
Liebe verstehen. Bei der Partnersuche wird es auch in Zukunft nur darauf ankommen, was wir denken, fühlen und spüren.