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ChatGPT revolutioniert alles: „Diese Menschen werden sich einen neuen Job suchen müssen“

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Von: Max Müller

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Roboter stehen während einer KI-Konferenz auf dem Gelände der TU München.
Arbeitnehmer der Zukunft? Zumindest standen Roboter bei einer KI-Konferenz der TU München im Mittelpunkt des Interesses. © Sven Hoppe/dpa

ChatGPT und Künstliche Intelligenz werden nicht mehr verschwinden. Chance oder Risiko? Das hat komischerweise wenig damit zu tun, wie gut Menschen die KI bedienen können, sagt eine Expertin.

Köln – Wo waren Sie am 11. September 2001? Es ist diese eine Frage, die fast jeder beantworten kann. Sie könnte bald Konkurrenz bekommen. Die neue Frage lautet: Was war der Moment, als Sie die unendlichen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) begriffen haben? Als man sich das erste Gedicht in Mundart generieren ließ? Als man in Sekundenbruchteilen einen Vertrag in lettischer Sprache aufsetzen konnte? Oder als man das erste Mal eine zweistellige Punktzahl im Deutsch-Aufsatz bekam? Jeder wird diesen Moment haben, da sind sich Experten einig. Denn die Künstliche Intelligenz dringt immer schneller und immer tiefgreifender in den Alltag ein.

ChatGPT ist erst der Anfang. Ende November wurde der Chatbot veröffentlicht. Er versteht menschliche Eingaben und kann sie beantworten – mal besser, mal schlechter. Neben dem Entwickler OpenAI sind längst weitere Unternehmen in das KI-Rennen eingestiegen: Microsoft, Google und auch Tesla-Chef Elon Musk haben sich bereits in Stellung gebracht. Doch über allem steht die Frage: Sind die Entwicklungen eine große Chance oder ein unkalkulierbares Risiko?

Informatik-Experte zu ChatGPT: „Langweilige Aufgaben fallen weg“

Ganz klar eine Chance, sagt Albrecht Schmidt. Er ist Professor für Informatik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihn stört die Betonung der negativen Aspekte sehr. „Der Eroberungszug der KI ist mit der Einführung des geschriebenen Wortes vergleichbar. Plötzlich konnten Menschen Gedanken festhalten, das war die erste technische Revolution der Geschichte.“ Auch damals habe es vergleichbare Ängste gegeben, zum Beispiel, dass viele Fähigkeiten wertlos werden. „Wir unterschätzen aber, wie sehr wir uns auch anpassen und wandeln können“, so Schmidt.

Bisher kann ChatGPT vor allem Standard-Aufgaben gut erledigen. „Je spezieller eine Aufgabe ist, desto schwieriger wird es. Aber auch da kann die KI schon helfen: Sie schreibt vielleicht keine perfekte Hausarbeit, spuckt aber sehr schnell eine mögliche Gliederung aus“, sagt Schmidt. Noch könne man ChatGPT also nicht großflächig einsetzen.

Die Betonung liegt auf noch. Denn für den Experten steht fest, dass die KI gerade in der Arbeitswelt von morgen eine große Erleichterung sein wird. „Aufgaben, die langweilig sind, fallen weg. Für sehr viele Tätigkeiten gilt: Man braucht wenig Kreativität und Intelligenz, um einen Standardvertrag aufzusetzen.“ Das Ganze hat natürlich auch eine Kehrseite: „Menschen, die so etwas jetzt gerade machen, werden sich in spätestens fünf Jahren einen neuen Job suchen müssen.“

Besser spät als nie: „Wir müssen jetzt aktiv werden“

Doch auch für diese Menschen gibt es Hoffnung. Es wird eine neue Qualifikation geben. Und zwar: Wer kann die KI am besten bedienen? Schmidt vergleicht das mit einer anderen Fähigkeit, die sich erst mit den Jahren entwickelt hat: die richtige Online-Suche. „Es gibt Menschen, die sehr gut googeln können und sehr schnell an die Information kommen, die sie brauchen. Und es gibt Leute, die bekommen es einfach nicht hin.“

Wer früher eine Information brauchte, musste einen wesentlich größeren Aufwand betreiben als heute. Auch Kommunikation ist erheblich leichter. Für Schmidt schließt sich daran zwingend eine Frage an, die er selbst nicht beantworten kann: „Wollen wir die Produktivitätsgewinne nutzen, um den Wohlstand zu erhöhen oder um die Arbeitszeit zu verringern? Das müssen wir gemeinsam entscheiden.“

Für Nina Weimann-Sandig ist die positive Nachricht, dass wir überhaupt noch etwas selbst entscheiden können. Sie ist Professorin für Soziologie an der Evangelischen Hochschule Dresden. „Wir müssen jetzt aktiv werden“, fordert Weimann-Sandig. Erste Anzeichen, wie Menschen unbedacht mit KI umgehen, beobachtet sie immer häufiger. „Vor drei Tagen habe ich eine Radiomoderatorin gehört, die sagte, dass sie mit ChatGPT über ihre Beziehungsprobleme spricht. Das ist haarsträubend. Eine KI hat keine emotionale Intelligenz, sie wird lediglich auf das Erkennen von Emotionen trainiert – auf Basis von Statistik, nicht von Gefühlen.“

Bundestag gibt Studie zu ChatGPT in Auftrag

Stattdessen fordert die Expertin mehr Anstrengung, um Medienkompetenz zu lehren. Damit meint Weimann-Sandig nicht, dass Arbeitnehmer, Schüler und Studenten verstehen, wie sie ChatGPT richtig benutzen. „Wir müssen durchdringen, was ChatGPT eigentlich macht. Wir müssen die Ergebnisse und Vorgehensweise hinterfragen können – dafür fehlt aber vielen Menschen noch das Know-how.“

Insofern sei das Schlaglicht, das der Siegeszug von ChatGPT auf die Entwicklungen im Bereich der KI allgemein wirft, ein Glücksfall. „Endlich beginnt die Diskussion, wie wir mit KI umgehen. Wie bereiten wir unsere Schulen, Universitäten und Ausbildungen darauf vor? Da haben wir in Deutschland viel zu lange geschlafen.“ Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages hat vor einigen Tagen eine Studie zu den Auswirkungen von ChatGPT auf Bildung und Forschung in Auftrag gegeben. Das richtige Signal, sagt Weimann-Sandig – auch, wenn es zu spät komme. „Das haben Kolleginnen und Kollegen schon vor fünf Jahren gefordert. Wir dürfen jetzt keine Zeit mehr verlieren.“

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