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Royaler Auftritt und konservative Politik

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Von: Sebastian Borger

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Charles und Camilla auf Tour
Charles und Camilla.jpg © IMAGO/i-Images / Pool

Charles und Camilla sind auf Tour. Der britische König Charles war schon oft in Deutschland, aber sein erster Besuch im neuen Amt bringt Neues.

Wie gut, dass in Deutschland sogar Streiks gesittet und in geordneten Bahnen verlaufen: Mag dem Land in Europas Mitte und seiner Politik in britischen Augen auch stets ein wenig Langeweile anhaften – als Besuchsziel eignet sich sogar die notorisch dysfunktionale Hauptstadt Berlin allemal besser als die Barrikaden-Metropole Paris, wo es Blaublütern bei der Erinnerung an prominente Guillotine-Opfer leicht einmal gruselt.

Die Visite von König Charles III. und seiner Gattin Camilla in Frankreich musste am Wochenende in letzter Minute abgesagt werden, weil die französischen Sicherheitsbehörden um die Unversehrtheit der hohen Gäste bangten. Was des Präsidenten Emmanuel Macrons Leid (und Peinlichkeit) ist, wird Deutschland zur Freude: Denn so kommt das Land seiner Ahnen zu der Ehre, das erste Ziel von Charles zu einem Staatsbesuchs im Ausland zu sein, seit der 74-Jährige sein Amt innehat.

Dass diese erste Reise eigentlich auch nach Frankreich gehen sollte, hat wenig mit königlicher Europa-Begeisterung zu tun. Vielmehr spiegelt es die Prioritäten der konservativen Regierung von Premierminister Rishi Sunak wider. Der will die chaotischen Brexit-Jahre und Amtszeiten seiner unmittelbaren Vorgänger Boris Johnson und Liz Truss hinter sich lassen. Dem will der neue Mann in der Downing Street ruhige Regierungsarbeit und eine Annäherung an die EU entgegensetzen. Als deren wichtigste Mitglieder gelten nun einmal Frankreich und Deutschland.

Wie ein Heimspiel

In der Agenda, um die es Sunak dabei geht, spiegelt sich aber auch das politische Programm seiner Regierung wieder: In Paris war Thema, dass britische Millionen dafür sorgen sollen, dass Frankreich energischer gegen jene Migrant:innen vorgeht, die in Schlauchbooten über den Ärmelkanal setzen. Auch im Verhältnis zu Berlin ist ein Streitpunkt, dass Deutschland in der Bekämpfung organisierter Schlepperbanden nicht so viel Einsatz zeige wie von London erhofft.

Davon gibt es sonst aber wenige. So dürften die Tage in der Bundesrepublik für den König so etwas wie ein Heimspiel werden. Von der „engen und herzlichen Freundschaft zwischen unseren Ländern und unseren Bürgerinnen und Bürgern“ schwärmt schon vorab Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Die „Stärke unseren bilateralen Verhältnisses“ und das „dauerhafte Vermächtnis von Zusammenarbeit und Aussöhnung“ besingt die Pressestelle in Buckingham Palace.

Zu beidem haben gewiss jene fünf Staatsbesuche beigetragen, die Charles’ Mutter Elizabeth II. im Lauf ihrer langen Amtszeit beim einstigen Kriegsgegner und späteren engen Verbündeten absolvierte. Dabei und bei den Gegenbesuchen begegnete sie den meisten der mittlerweile zwölf Präsidenten, die der Bundesrepublik seit 1949 als Staatsoberhaupt dienten. Vor allem aber wurde sie immer wieder begeistert von der Bevölkerung empfangen.

DAS REISEPROGRAMM

21 Schüsse Ehrensalut markieren die Ankunft von Charles III. und seiner Frau Camilla an diesem Mittwochmittag in Berlin. Danach gibt es nochmal militärische Ehren am Brandenburger Tor, bevor das königliche Paar sich in Schloss Bellevue in das Gästebuch des Bundespräsidenten einträgt. Dort ist dann auch ein Empfang zum Thema „Energiewende und Nachhaltigkeit“ und am Abend ein Staatsbankett.

Am Donnerstag wird Charles III. als erster Monarch überhaupt eine Rede im Bundestag halten. Im Ukraine-Ankunftszentrum im ehemaligen Flughafen Tegel will er sich zudem mit just eingetroffenen Geflüchteten treffen. Am Nachmittag ist dann ein Besuch in Brandenburg und des dort stationierten deutsch-britischen Pionierbrückenbataillons 130 avisiert. Anschließend steht eine Besichtigung des Biobetriebs Brodowin auf dem Programm. Derweil besucht Camilla mit Steinmeiers Ehefrau Elke Büdenbender die Berliner Komische Oper.

Am Freitag fährt das Königspaar nach Hamburg, wo es am Kindertransportdenkmal für die Rettung jüdischer Kinder nach Großbritannien Blumen niederlegen will. Charles und Camilla werden außerdem Kränze an der Ruine St. Nikolai, Mahnmal für die Opfer der NS-Diktatur. Mit einem Empfang in der britischen Botschaft endet der Staatsbesuch. afp

Das nahm manchmal fast beängstigende Ausmaße an, beispielsweise während einer elftägigen Reise im Mai 1965, der längsten der Queen in einem europäischen Land. Die West-Berliner skandierten damals „E-li-sa-beth, E-li-sa-beth“, was die derart Hofierte „allzu sehr an das Nazi-Geschrei erinnerte“, wie der damalige Außenminister Michael Stewart später schrieb. Zuletzt, im Juni 2015, war der Empfang nicht weniger herzlich, aber zurückhaltender und voller Respekt vor der Lebensleistung der Dame, die im September 96-jährig – nach 70 Jahren auf dem Thron – verstorben ist.

Während dieser Jahrzehnte wurde Charles der am längsten amtierende Thronfolger in der Geschichte der Monarchie. Kein Wunder, dass nun schon sein 29. offizieller Besuch in Deutschland stattfindet. Immer wieder weilte Charles über die Jahre in jenem Land, aus dem nicht nur sein Vorfahre Albert, Prinzgemahl von Queen Viktoria stammt. Auch Charles’ Urgroßmutter Mary von Teck sowie sein Vater Philip aus dem Hause Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg verlebten ihre prägenden Kindheitsjahre in Deutschland und sprachen dessen Sprache hervorragend.

Mögliches Novum

Wie gut Charles’ Deutsch-Kenntnisse sind, war schon bei einer Rede anlässlich des Volkstrauertages 2020 im Bundestag zu hören. „Wir werden immer Freunde, Partner und Verbündete sein“, sagte er damals. Etwa die Hälfte seiner Ansprache trug er in flüssigem Deutsch vor.

Wenn Charles nun dort sprich, ist das aber ein Novum: Zum ersten Mal tritt ein amtierender britischer Monarch ans Rednerpult des deutschen Parlaments. Die Queen hatte es bei Reden auf Staatsbanketten belassen. Am Donnerstag will Charles einer Demonstration durch britische und deutsche Pioniere in Brandenburg zuschauen – eine Erinnerung an seine Rolle als (nomineller) Oberbefehlshaber der britischen Streitkräfte und Zeichen der Solidarität mit der Ukraine. Nach Deutschland geflüchtete Bürger:innen des von Russland überfallenen Landes wollen dem Monarchen über ihre Situation berichten. Am Freitag erhält der Öko-Pionier eine Einweisung in die neueste umwelt-freundliche Technik im Hamburger Hafen. Zuvor werden Charles und Präsident Steinmeier Kränze am ausgebrannten Turm der alten Nikolaikirche niederlegen, die durch die Royal Air Force zerstört wurde.

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