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Charles-Biografin vor Krönung: „Es geht um die Zukunft der Institution“

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Von: Sebastian Borger

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„Die Monarchie wird nicht über Nacht verschwinden, das ist klar“, sagt die Autorin Catherine Mayer. Aber seit dem Tod der Queen, so sagt sie, habe sich etwas verändert. Foto: Imago Images.
„Die Monarchie wird nicht über Nacht verschwinden, das ist klar“, sagt die Autorin Catherine Mayer. Aber seit dem Tod der Queen, so sagt sie, habe sich etwas verändert. Foto: Imago Images. © IMAGO/ZUMA Wire

Biografin Catherine Mayer über die Monate seit dem Tod der Queen, die drei ungelöste Fragen der Windsors und die Tragweite des Ausstiegs von Prinz Harry und seiner Frau Meghan.

Frau Mayer, der König ist nun ein gutes halbes Jahr im Amt. Welche Note geben Sie ihm?

Naja, da gibt es ein paar Beobachtungen. Die Leute hat ja sehr belustigt, dass er nicht nur mit einem, sondern gleich mit zwei Füllern in Streit geriet. Dieses gereizte Verhalten kenne ich, es hat mich nicht überrascht. Zudem stand der Trauernde im schonungslosen Licht der Öffentlichkeit. Sie meinen aber doch eher die Staatsgeschäfte, oder? Da würde ich sagen: Eine 2 plus, vielleicht sogar Eins minus.

In Ihrer Biographie des Prinzen, die in aktualisierter Fassung im November als „Charles III – Mit dem Herzen eines Königs“ erschien, hatten Sie prophezeit, er werde die Trauerzeremonien nach dem Tod seiner Mutter gut bewältigen.

Das hat er tatsächlich sehr gut gemacht. Gleiches gilt für die Kontroverse rund um die UN-Klimakonferenz COP27 in Ägypten.

Ausgerechnet dem langjährigen Klimaschützer Charles verbot die damalige Premierministerin Liz Truss die Teilnahme.

Er hatte es mit einer durchgeknallten Regierung zu tun. Statt ihn vor politischen Tagesproblemen zu bewahren, wie es ihre Pflicht wäre, hat die Regierung den neuen König direkt hineingestoßen. Mit dieser schwierigen Situation ist er souverän umgegangen.

Auch der Staatsbesuch in Deutschland, Charles’ erster in seiner neuen Funktion, wurde als Erfolg gewertet.

Das stimmt, wenn auch hier in Großbritannien manche Leute nicht glücklich darüber waren, wie stark er die Bedeutung guter Verbindungen zu Europa bekräftigte. Dabei war er natürlich nur deshalb in Deutschland, weil die Regierung das so wollte.

Nach der festlichen Krönung wird nun der königliche Alltag beginnen. Welche Schwierigkeiten sehen Sie am Horizont?

Als ich vor mehr als zehn Jahren mit der Arbeit an meinem Buch begann, galten im Palast für die Zeit nach dem Tod der Queen drei Fragen als ungelöst: Erstens der Status von Camilla, den hat die Queen im vergangenen Jahr noch selbst geklärt. Zweitens die Leitung des Commonwealth …

… also des losen Verbands früherer britischer Kolonien …

… auch dies hat die Queen zu Charles‘ Gunsten entschieden. Und drittens bestand Unsicherheit darüber, wie viele der unabhängigen Staaten, deren Staatsoberhaupt die Queen war, den Zeitpunkt ihres Todes zu einer Statusänderung nutzen würden. Besonders hohe Aufmerksamkeit galt dabei den Inselstaaten in der Karibik.

Barbados wurde bereits im November 2021, zur Republik.

Genau, und gewiss werden andere folgen. Die Ausdehnung der Monarchie schrumpft vor unseren Augen, der Verlust kleinerer Staaten ist sozusagen eingepreist. Ich glaube, die Hoffnung des Palastes konzentriert sich darauf, dass die drei großen früheren Kolonien Australien, Kanada und Neuseeland am Monarchen als Staatsoberhaupt festhalten. Charles hat ja insbesondere an Australien starke Bindungen. Man kann wohl sagen, dass er dort die einzige glückliche Zeit seiner Kindheit erlebt hat.

Welche Probleme stellen sich dem König aktuell?

Es gibt drei Krisenherde. Erstens Charles‘ Vergangenheit als Spendensammler für diverse wohltätige Zwecke. Ich hatte 2014 einmal die – für Journalisten sehr seltene – Gelegenheit, bei einer jener Abendeinladungen dabei zu sein, die der Thronfolger regelmäßig für reiche Unterstützer veranstaltete. Von den insgesamt dreizehn Geldgebern dieses Abends haben elf für negative Schlagzeilen gesorgt: wegen des Verdachts auf Geldwäsche, Korruption oder sonstiger dunkler Geschäfte.

Zur Person

Catherine Mayer (62) ist gebürtige US-Amerikanerin und kam als Kind mit ihrem Vater nach Großbritannien. Sie arbeitete als Journalistin für den „Economist“ und „Focus“. Neben der Arbeit als Autorin machte sie sich als Mitgründerin der feministischen Women’s Equality Party einen Namen. FR Imago Images

Eine Millionenspende wurde Charles’ Leuten bar in einer Plastiktüte übergeben. „Wird nicht wieder vorkommen“, heißt es im Palast.

In diesen Spenden-Geschichten steckt noch allerlei Potential. Nicht zuletzt ermittelt ja die Kriminalpolizei gegen Charles‘ langjährigen engsten Mitarbeiter Michael Fawcett. Wenn dieser tatsächlich, wie von Medien behauptet wurde, potenziellen Spendern Orden bis hin zum Ritterschlag versprochen hat, wäre dies eine Straftat.

Was ist der zweite Krisenherd?

Der trägt den Namen Andrew.

Der jüngere Bruder des Monarchen musste wegen seiner Freundschaft zu zwei verurteilten Sexualverbrechern schließlich alle öffentlichen Auftritte aufgeben.

Aber er will partout immer noch zurückkehren in eine öffentliche Rolle. Ich weiß von mehreren Journalisten, die in seiner Vergangenheit stöbern. Da wird gewiss demnächst noch einiges ans Licht kommen, was dem Königshaus nicht gefallen dürfte.

Und drittens?

Aus meiner Sicht das größte Problem ist der Ausstieg von Prinz Harry und seiner Frau Meghan aus der Rolle als aktive Mitglieder des Königshauses. Ich glaube, diese Angelegenheit wird von den hiesigen Medien missverstanden. Zu viele Journalisten wollen immer nur das Paar attackieren. Dabei übersehen sie, dass der Vorgang großen Schaden unter jüngeren Leuten und unter ethnischen Minderheiten angerichtet hat. Viele frühere Desinteressierte empfinden jetzt aktive Feindseligkeit. Hier geht es um die Zukunft der Institution.

Können das Thronfolgerpaar William und Kate eine Brücke zur modernen Gesellschaft darstellen?

Das scheint mir fragwürdig zu sein. Sie ist 41, er ist 40 Jahre alt. Wenn wir mal annehmen, dass Charles rund zehn Jahre im Amt bleibt, werden sie bei Williams Thronbesteigung die 50 überschritten haben. Und schon jetzt kommen sie nicht jung rüber. Sie sehen nicht aus wie die Zukunft, eher wie die Vergangenheit, wie englischer Landadel eben. Damit lässt sich keine Verbindung zur „normalen“ Bevölkerung herstellen.

Und Sie meinen, Harry und Meghan schaffen das?

Meghan ist die älteste dieses Quartetts, aber gemeinsam mit Harry hat sie einen Appeal für ganz andere Altersgruppen und Bevölkerungsschichten. Den Umgang mit Harry und Meghan halte ich für einen wirklich schweren Fehler des Königshauses.

Wackelt da die gute Note für Charles?

Na, die gilt ohnehin nur für ihn, nicht für sein Team. Von dem halte ich nicht viel, vor allem bin ich ziemlich skeptisch gegenüber der PR-Abteilung. Immer wieder holen sich die Royals frühere Boulevard-Journalisten als Kommunikationsberater ins Haus. Die machen dann Deals mit ihren früheren Kollegen und reden sich ein, dass sie damit den Royals einen Gefallen tun. Tun sie aber nicht.

Insgesamt scheinen Sie die royale Zukunft in Großbritannien eher düster zu sehen.

Die Monarchie wird nicht über Nacht verschwinden, das ist klar. Aber ebenso klar ist, dass sie unter Elizabeth II lange Jahre keiner echten Herausforderung ausgesetzt war. Es gab höchstens geringe, wirkungslose Opposition. Meinem Eindruck nach verändert sich das.

Catherine Mayer. Foto: Imago Images.
Catherine Mayer. Foto: Imago Images. © imago images/Geoff Swaine/Photos

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