Höherer Sold statt Waffen: Tarifabschluss bringt Zeitenwende bei Bundeswehr ins Wanken

Die Bundeswehr braucht dringend moderne Ausrüstung und Waffen. Doch der Haushalt ist knapp bemessen. Die Union fordert mehr Geld für die Verteidigung.
Berlin – Der Zustand der Bundeswehr hat sich über die vergangenen Jahre kontinuierlich verschlechtert. Die Relevanz einsatzfähiger Streitkräfte ist in Deutschland spätestens durch die Aussetzung der Wehrpflicht immer mehr in den Hintergrund geraten. Der Ukraine-Krieg legte die dadurch entstanden Löcher innerhalb der Truppe radikal offen. Das Ausmerzen der begangenen Fehler steht nun ganz oben auf der politischen Tagesordnung – und dürfte teuer werden.
Im Jahr 2023 sind dafür 50 Milliarden Euro aus dem Verteidigungshaushalt vorgesehen. Außerdem stehen 8,4 Milliarden aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr zur Verfügung. Doch ein Großteil des Geldes wird wohl alleine benötigt, um die Soldatinnen und Soldaten in Zukunft zu bezahlen.
Bundeswehr braucht neue Ausrüstung – Tarifabschluss stellt Pistorius vor Herausforderung
„Um die Lücken vergangener Jahre zu schließen, wird in die Ausrüstung der Bundeswehr – vor allem in den Bereichen Fähigkeitserhalt, -entwicklung und Digitalisierung - und damit in unsere Sicherheit und Freiheit investiert werden“, verkündete das Verteidigungsministerium auf seiner Website. Doch wie Welt.de am Freitag berichtete, fließen wohl lediglich 23 Prozent (11,7 Milliarden Euro) der Summe tatsächlich in militärische Beschaffungen, Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Knapp 20,6 Milliarden (46 Prozent) fließen alleine in laufenden Personalkosten der Bundeswehr.
Die Summe dürfte sich dabei in naher Zukunft noch deutlich erhöhen. Die Truppenstärke der Bundeswehr soll in den kommenden Jahren deutlich erhöht werden. Bis 2031 soll die Truppenstärke von aktuell 183.000 auf 203.000 Soldaten anwachsen. Hinzu kommt jetzt der jüngste Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Dieser sieht eine Sonderzahlung in Höhe von 3.000 Euro pro Mitarbeiter und eine Anhebung der Entgelte vor. Der Beschluss bedeutet für das Verteidigungsministerium Mehrkosten in Höhe von 3,1 Milliarden Euro. Das geht aus einem internen Papier hervor, das dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vorliegt.
Zeitenwende bei der Bundeswehr: CDU setzt Ampel-Regierung unter Druck
Auch wenn die Einigung für die Soldatinnen und Soldaten in Deutschland eine gute Nachricht ist, wirft sie mit Blick auf den maroden Zustand der Ausrüstung jedoch Fragen auf. Braucht, es trotzt des Sondervermögens mehr Geld für die Bundeswehr? Das fordert zumindest die CDU.
„In absoluten Zahlen muss der Verteidigungshaushalt um mehr als zehn Milliarden Euro jedes Jahr wachsen, um genug Mittel für den weiteren Aufbau und die Modernisierung der Truppe und die Lohn- und Gehaltserhöhungen aufbringen zu können“, sagte Unions-Fraktionsvize Johann David Wadephul (CDU) gegenüber welt.de. Das gesamte Bundeskabinett sei gefordert, nun „Farbe zu bekennen, wie es wirklich die Zeitenwende voranbringen will.“
Bundeswehr: Högl will Sondervermögen wieder auffüllen – Linke warnen vor „schwarzem Loch“
Anfang der Woche brachte bereits die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), gegenüber der Berliner Zeitung die Möglichkeit ins Spiel, das Sondervermögen der Bundeswehr nach dem Verbrauch noch einmal aufzufüllen. Es sei wichtig, darüber nachzudenken, „es wieder aufzufüllen, wenn es verbraucht ist, um Projekte überjährig zu finanzieren - ohne dass die Beteiligungsrechte des Parlaments eingeschränkt werden“, erklärte Högl.
Kritik an dem Vorschlag äußerten sowohl Grüne als auch Linke gegenüber FR.de von IPPEN.MEDIA. Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Amira Mohamed Ali, beklagte vor allem „strukturelle Probleme im Beschaffungswesen“ bei der Bundeswehr. „Wenn das so bleibt, fällt auch ein erhöhtes Sondervermögen nur in ein schwarzes Loch“, sagte die Linken-Politikerin.
Video: Verteidigungsminister Boris Pistorius seit 100 Tagen im Amt
„Verteidigung ist teuer“: Pistorius fordert mehr Geld für die Bundeswehr
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) müssen nun also handeln, wenn die angekündigte Zeitenwende nicht bereits kurz nach ihrer Verkündung scheitern soll. Pistorius sprach sich im April im Bundestag für die strikte Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels der Nato aus. „Verteidigung ist teuer und sie wird noch teurer werden“, hatte der SPD-Politiker im April im Bundestag gesagt und ebenfalls eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts gefordert. (fd mit dpa)