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„Vom Sondervermögen für die Bundeswehr ist 2022 kein Cent angekommen“

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 CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte
Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte fordert mehr Geld für die Bundeswehr. © Christian Spicker/IMAGO

Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte fordert eine Aufstockung des Wehretats auf mindestens 70 Milliarden Euro. Das Geld müsse aber auch ankommen, sagt er.

Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 2. Mai 2023. Das Interview führte Markus Bickel.

Der Satz „Die Bundeswehr steht schlechter da als vor einem Jahr“ stammt von der Wehrbeauftragten Eva Högl ebenso wie von Ihnen. Was muss die Bundesregierung tun, damit sich das ändert?

Leider ist von dem Sondervermögen in Höhe von hundert Milliarden Euro 2022 kein Cent bei der Bundeswehr angekommen. Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, schnellstmöglich Gelder aus diesem Topf freizumachen – und den originären Haushalt aufzustocken. Unter CDU/CSU-Führung ist der sogenannte Einzelplan 14 in der letzten Legislaturperiode um 30 Prozent erhöht worden – die Ampel hat ihn für die nächsten vier Jahre abgesenkt und eingefroren auf 50,1 Milliarden Euro. Das ist alles Sachstand vor Ausbruch des Krieges und müsste dringend geändert werden. Das ist im Übrigen auch die Erwartungshaltung unserer Nachbarn in Europa.

Verteidigungsminister Boris Pistorius fordert 60 Milliarden Euro im Jahr.

Ich halte 70 Milliarden Euro für notwendig. Dass der Verteidigungsminister zehn Milliarden mehr fordert, ist zwar berechtigt, aber eigentlich brauchen wir mindestens 20 Milliarden mehr aus dem laufenden Haushalt und nicht aus dem Sondervermögen, was ja eher ein Hilfsmittel ist, um schnell an Geld zu kommen. Denn nur mit mehr Investitionen lässt sich die Kaltstartfähigkeit der Bundeswehr erhöhen, und darum geht es in der jetzigen sicherheitspolitischen Lage. Hinzu kommen Lohnanpassungen und die Inflation, sodass es letztlich ein Vielfaches von dem braucht, was die Bundesregierung bereit ist, zur Verfügung zu stellen.

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Deutschland hinkt nicht nur beim Zweiprozentziel der Nato hinterher, sondern auch, was die Höhe von Investitionen in neue Ausstattung anbelangt. Was müsste Verteidigungsminister Pistorius tun, um das zu ändern?

Der investive Anteil im Verteidigungsetat muss wesentlich erhöht werden, da sollten wir die von der Nato verlangten zwanzig Prozent endlich konsequent anstreben. Nur so lässt sich die Modernisierung der Bundeswehr wirklich angehen.

„Wir halten einen Nationalen Sicherheitsrat für notwendig“

Wenn der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und der Minister sich in wesentlichen Punkten einig sind – warum passiert das dann nicht?

Eigentlich müsste es offenkundig sein, dass mehr in die Verteidigungsbereitschaft Deutschlands und mithin der Nato investiert werden muss. Mein Eindruck ist, dass es Kräfte in der SPD gibt, die sich davor scheuen, langfristige Rüstungsentscheidungen zu erteilen. Sie würden das Geld lieber für andere Dinge ausgeben.

Das Lob für Pistorius reicht bis tief in die Opposition, wie erklären Sie sich das?

Mir scheint, dass es ein Bedürfnis gibt nach klarer Ansprache, verbindlichem Auftreten und engagiertem Führen, das er erfüllt – zumindest bis jetzt. Seine Achillesferse wird darin liegen, ob ihm die SPD-Bundestagsfraktion folgt, der er nicht angehört. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass ihm die volle Unterstützung der Fraktion in Haushaltsfragen fehlt.

Bedauern Sie, dass sich die Regierung gegen Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats entschieden hat?  

Ich vermisse ehrlich gesagt, dass es bis heute nicht einmal eine Nationale Sicherheitsstrategie gibt, obwohl Außenministerin Annalena Baerbock diese schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar vorstellen wollte. Dieses Vorgehen reiht sich ein in eine Serie von Defiziten der Ampel – keine nationale Sicherheitsstrategie, keine Sahel-Strategie, keine China-Strategie. Für mich ist das Ausdruck einer außen- und sicherheitspolitischen Unbestimmtheit, die auf den Bundeskanzler zurückzuführen ist, dem es offensichtlich nicht gelingt, die Fäden seiner Koalition zusammenzuführen.

Wird die CDU für die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats werben im Wahlkampf 2025?

Wir halten einen Nationalen Sicherheitsrat für notwendig und von besonderer Bedeutung – das haben wir auch schon deutlich gesagt im Wahlprogramm zur letzten Bundestagswahl. Um herauszukommen aus dem Silodenken einzelner Ministerien ist ein vernetzter Ansatz notwendig, das hat der russische Angriff auf die Ukraine noch einmal sehr deutlich gemacht. Ein Nationaler Sicherheitsrat könnte das Vorgehen besser koordinieren und Antworten auf die sicherheitspolitischen Veränderungen geben.

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