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Janine Wissler gegen Alice Weidel in ARD und ZDF: Sachkenntnis trifft auf Zwangsseriosität

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Von: Daland Segler

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ARD und ZDF warten wieder mit Wahlsendungen auf: Die Aufeinandertreffen der „kleineren“ Parteien leidet unter den Strukturen. Und: Warum war eigentlich die CSU dabei?

Berlin - Das nennt man wohl Kondition: Linken-Chefin Janine Wissler und die Fraktionsvorsitzende der AfD Alice Weidel bestritten am Montagabend gleich beide Wahlkampf-Sendungen zur Bundestagswahl 2021 mit den kleineren Parteien im ZDF („Schlagabtausch“) und im Ersten („Vierkampf“). Das Zweite sendete nicht live, so war der Doppel-Auftritt möglich, der den beiden Politikerinnen gut drei Stunden Stehvermögen in physischer und psychischer Hinsicht abverlangte. Das war allerdings auch (fast) die einzige Gemeinsamkeit der Konkurrentinnen. Während Weidel sich angestrengt bemühte, in Diktion und Habitus möglichst seriös zu wirken, gab Wissler mit Sachkenntnis und Lebendigkeit das Kontrastprogramm.

Die Parteien, die Chancen hätten, in den Bundestag einzuziehen, sollten Gelegenheit haben, ihre Positionen darzustellen, so ZDF-Moderator Matthias Fornoff. Was die CSU in der Runde zu suchen hatte, die ja mit der CDU eine Fraktionsgemeinschaft bildet, bleibt das Geheimnis der Anstalten – zeigt aber die wahren Kräfteverhältnisse im so gern als „links“ diffamierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Denn ob hier oder schon früher in den diversen Elefantenrunden: Die CSU ist immer dabei.

ARD sendet „Vierkampf“, ZDF „Schlagabtausch“ - Linder und Kubicki gegen Wissler

Wie üblich wurden brav die diversen Themen abgearbeitet, aufgelockert (wenn man so will) durch Fragen, die kurz zu beantworten waren. Dabei leistete sich die ARD einen Missgriff, indem die Vertreter:innen auf Fragen wie die nach dem Rentenalter nur mit Daumen hoch oder runter reagieren durften – und auch immer wieder von Ellen Ehni oder BR-Chefredakteur Christian Nitsch ermahnt werden musste, nicht zu reden, wenn eigentlich eine differenzierte Antwort nötig war. Ob es bei der ohnehin gegebenen Kurzatmigkeit von solchen Formaten unbedingt nötig ist, dergleichen Spielchen einzuflechten (beim ZDF war es das „Kreuzverhör“), darf bezweifelt werden.

Beim ZDF war Fornoff alleiniger Moderator, und es lag vielleicht auch an seiner behäbigen Art, dass der Verlauf der Debatte bisweilen langatmig wirkte, zumal eine sinnvolle Struktur nicht erkennbar war. Aber es waren ja in den zurückliegenden Wochen auch alle Argumente und Positionen schon einmal ausgetauscht worden, und zu Überraschungen wollte sich niemand hinreißen lassen.

Live-Sendung "Der Vierkampf nach dem TV-Triell"
In der ARD-Sendung „Der Vierkampf nach dem Triell“ führten Alice Weidel (AfD), Alexander Dobrindt (CSU), Christian Lindner (FDP) und Janine Wissler (Die Linke) hitzige Diskussionen. © Annette Riedl/dpa

Während Alice Weidel so ziemlich alle Steuern abschaffen wollte und unverständlicherweise davon verschont blieb, zu ihren Nazifreunden befragt zu werden, möchten die Freidemokraten – Wolfgang Kubicki im ZDF und Christian Lindner in der ARD – den Soli abschaffen und damit die Gutverdienenden entlasten. Janine Wissler erklärte verständlich, warum die Vermögenssteuer notwendig sei, und CSU-Generalsekretär Markus Blume, der sich im ZDF ansonsten betont sachlich gab, begann seinen Auftritt mit einem Angriff auf Weidel.

Beim „Vierkampf“ in der ARD geht es lebhafter zu als beim „Schlagabtausch“ im ZDF

Die Positionen der Parteien ließ das ZDF zwischendurch vom Marcel Fratzscher kommentieren, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Weidel allerdings reagierte darauf mit solch unsinnigen Behauptungen wie der, dass in Deutschland die höchsten Spritpreise zu bezahlen seien. Und dass wir in den vergangenen 20 Jahren einen „Braindrain“ erlebt hätten, gehört gleichfalls ins Reich der Fabel.

Dass sich Moderator Matthias Fornoff am Ende für die „intensive Diskussion“ bedankte, muss man wohl unter dem Rubrum „Eigenwerbung“ verbuchen.

Im blutrot ausgeleuchteten Saal des ARD-„Vierkampfs“ ging es lebendiger zu, auch weil Moderator Nitsch seine Gäste immer wieder unterbrach. Beim Thema Rente stiegt das Erregungslevel leicht, weil hier die Unterschiede deutlich hervortraten. So will die Linke (wie übrigens auch die AfD), dass alle in die Rentenkasse einzahlen, während FDP-Chef Lindner mit Anleihen am Kapitalmarkt arbeiten will. Dessen Schwankungen kamen dabei nicht zur Sprache, und CSU-Mann Alexander Dobrindt durfte noch einmal behaupten, dass die von seiner Partei verlangte (und von der CDU abgelehnte) Mütterrente durch Wachstum finanziert werde. Das könnte man auch einen ungedeckten Scheck nennen...

Janine Wissler weist Wolfgang Kubicki im ZDF „Schlagabtausch“ zurecht

Interessant vielleicht für viele die Information von Wissler, dass die Wohnungsbau-Gesellschaft Vonovia zuletzt eine Milliarde Dividende an ihre Aktionäre ausgeschüttet habe. Deshalb, so die Linke komme auch eine Enteignung infrage, aber nur wenn ein Wohnungsbau-Unternehmen mehr als 3000 Wohnungen besitze. Keine Scheu vor Klarheit hatte die Linken-Chefin auch beim Thema Nato. Sie sei für eine Auflösung und die Schaffung eines kollektiven Sicherheits-Bündnisses. Da erinnerte sich Dobrindt an seine Rolle als Wadenbeißer und fragte Wissler, ob sie denn schon mit SPD-Chefin Saskia Esken geredet habe...

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Die Redezeit war in der ARD ungleich verteilt, vor allem, weil die beiden Herren langatmige Ausführungen bevorzugten. Im ZDF hatte Janine Wissler noch den Kollegen Kubicki stoppen können, indem sie ihn anfuhr, er solle „aufhören, dauernd dazwischen zu blubbern.“ (Daland Segler)

„Schlagabtausch“, ZDF, Montag, 19.15 Uhr; „Vierkampf“, ARD, Montag, 20.15 Uhr.

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