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Ermittlungen mit Palantir-Software: Bundesländer müssen nachbessern

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Von: Ursula Knapp

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Mit der Software von Palantir werden unterschiedlichste Informationen über Menschen verbunden
Mit der Software von Palantir werden unterschiedlichste Informationen über Menschen verbunden © Getty Images/iStockphoto

Das Bundesverfassungsgericht urteilt, dass die Polizeigesetze von Hessen und Hamburg teils gegen die Verfassung verstoßen

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat Regelungen in den Polizeigesetzen von Hessen und Hamburg für verfassungswidrig erklärt, die die automatisierte Analyse großer Datenmengen erlauben. Das Gesetz, das der vorbeugenden Bekämpfung schwerer Straftaten und der Gefahrenabwehr dient, verstoße in seiner jetzigen Form gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts begründet sein Urteil damit, dass in den Vorschriften die Eingriffsschwelle fehlt. Stattdessen werde von „begründeten Einzelfällen“ gesprochen. Es müsse aber in aller Regel eine „hinreichend konkretisierte Gefahr“ vorliegen, bevor mit einer speziellen Software große Datenmengen durchsucht werden.

Allerdings wird das Zusammenführen und die automatisierte Analyse großer Mengen personenbezogener Daten nicht verboten. Vielmehr wird der Einsatz der neuen Technik als „erforderlich und geeignet“ beurteilt, um schwere Straftaten schon im Vorfeld zu bekämpfen. Das hessische und das Hamburger Polizeigesetz seien in der gegenwärtigen Fassung aber unverhältnismäßig. Gerichtspräsident Stephan Harbarth sagte in der Urteilsverkündung wörtlich, die betroffenen Bundesländer hätten die Möglichkeit, „die gesetzlichen Grundlagen zur Weiterverarbeitung gespeicherter Datenbestände verfassungsgemäß auszugestalten“.

Datenanalyse mit Palantir: Aus bestehenden Daten neues Wissen erlangen

Das Gesetz in Hessen muss bis zum 30. September 2023 nach den Vorgaben des Karlsruher Urteils neu gefasst werden. Bis dahin ist es unter Auflagen anwendbar. In Hamburg kam das Gesetz bisher nicht zum Einsatz, auch dort ist ein neues Gesetzgebungsverfahren erforderlich. Mit dem Urteil hatten die Verfassungsbeschwerden von elf Klägerinnen und Klägern ganz überwiegend Erfolg. Sie wurden von der Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstützt. Die Kläger:innen begrüßten, dass das Urteil der Datenanalyse Grenzen setzt. Sie bedauerten jedoch, dass der Gesetzgeber weiterhin Spielraum habe. Man müsse nun die Umsetzung des neuen Gesetzes abwarten, sagte der Prozessvertreter der Kläger:innen, Bijan Moini.

Das Urteil hat Pilotcharakter. Denn auch Nordrhein-Westfalen hat bereits ein entsprechendes Polizeigesetz mit automatisierter Datenanalyse verabschiedet. Auch dagegen liegen bereits Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe vor. Andere Bundesländer planen den Einsatz. Zu den Datensätzen, die bei einer Analyse zusammengeführt werden können, gehören sowohl Verkehrsdaten zu Geschwindigkeitsübertretungen oder Unfällen als auch Straftäterdateien bis hin zu hochsensiblen Daten aus heimlichen Computerüberwachungen, aber auch Handydaten aus Funkzellenüberwachungen. Somit können die Daten von sehr vielen unbeteiligten Personen einbezogen sein. In diesen großen Pool werden dann Suchfunktionen eingegeben, sodass Verbindungen zwischen Personen und Organisationen hergestellt, aber auch Orte herausgefiltert werden können, an denen eine erhöhte Gefahr von Straftaten besteht. Die automatisierte Technik ist darauf angelegt, aus bestehenden Daten neues Wissen zu erlangen. In Hessen wird dazu seit 2018 unter dem Namen Hessendata die Analyse-Software Gotham der US-Firma Palantir eingesetzt.

Datenanalyse mit Palantir: Urteil gibt dem Gesetzgeber Spielraum

Die Karlsruher Verfassungsrichter:innen sehen in dem Einsatz der Verfahren einen „legitimen Zweck, die Wirksamkeit der vorbeugenden Bekämpfung schwerer Straftaten gerade unter Zeitdruck zu steigern“, aber sie fordern neben einer konkretisierten Gefahrenprognose auch eine Abstufung nach der Schwere der zu erwartenden Straftat.

Besteht etwa eine konkretisierte Gefahr für Leib, Leben oder die Freiheit von Personen, könnten auch schwerwiegende Eingriffe in die informationelle Selbstbestimmung durch die Analyse von Datenbeständen zulässig sein. In solchen Fällen könnten wohl auch Handydaten von Personen in der Umgebung ausgewertet werden.

Bei Straftat von erheblichem Gewicht, man könnte hier an Bandenkriminalität denken, könnten hingegen nur weniger gewichtige Eingriffe in Persönlichkeitsrechte gerechtfertigt sein. Eine Ausnahme macht das Urteil beim Schutz von überragend wichtigen Rechtsgütern. Man könnte hier an den geplanten Angriff auf den Bundestag denken, der im Urteil aber nicht erwähnt wird. Hier könnte die Datenanalyse wohl ausnahmsweise schon ohne konkretisierte Gefahr, sondern bei einem begründeten Verdacht zum Einsatz kommen. Das Urteil nennt allerdings nur allgemeine Maßstäbe und gibt dem Gesetzgeber somit Spielraum bei der Neufassung.

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