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Bulgarien und die ewige Regierungssuche

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Von: Thomas Roser

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Die ehemalige EU-Kommissarin für Forschung, Bildung und Jugend, Mariya Gabriel, versucht mit einem Expertenkabinett die Regierungskrise in Bulgarien zu beenden.
Die ehemalige EU-Kommissarin für Forschung, Bildung und Jugend, Mariya Gabriel, versucht mit einem Expertenkabinett die Regierungskrise in Bulgarien zu beenden. © Emmi Korhonen / Lehtikuva / AFP

Die Ex-EU-Kommissarin Mariya Gabriel soll das Land aus der Wahlwiederholungs-Schleife führen, aber auch sie hat große Schwierigkeiten, eine Mehrheit für ihre Regierung zu finden.

Fünf Parlamentswahlen in zwei Jahren hat Bulgarien hinter sich – und noch immer keine Regierung. Eine prominente Heimkehrerin aus Brüssel will ihr Land nun aus der Dauerwahl-Sackgasse führen: Bis Montag hat Bulgariens bisherige EU-Kommissarin Mariya Gabriel noch Zeit, im zersplitterten Parlament eine Mehrheit für ihr Technokraten-Kabinett zu finden.

Erweist sich die Heimkehr für die Hoffnungsträgerin der rechten Gerb-Partei als Karrieresprung oder -knick? Noch zeichnet sich die von der 43-Jährigen erhoffte Mehrheit nicht ab, im Gegenteil. Von dem liberalen Antikorruptionsbündnis PP-DB über die pro-russische „Wiedergeburt“ bis hin zur sozialistischen BSP schließen bisher drei der fünf größten Parlamentsfraktionen eine Unterstützung aus. Nur die Oligarchenpartei DPS der türkischen Minderheit hat bisher zustimmend reagiert. Die populistische Protestpartei ITN wiederum behauptet, von Gabriel noch gar nicht kontaktiert worden zu sein, seit diese von Präsident Rumen Radew zu Wochenbeginn mit der Regierungsbildung beauftragt wurde.

Brüssel und Washington ist mit Blick auf den Ukraine-Krieg an einem stabilen Bündnis der beiden größten und prowestlichen Kräfte Gerb und PP-DB gelegen, um den russischen Einfluss im Balkanstaat zurückzudrängen. Doch es ist weniger die in Frankreich studierte und bereits seit 2009 in Brüssel wohnhafte Gabriel als der Gerb-Chef und langjährige Ex-Premier Bojko Borissow, der in Reihen der PP-DB auf Skepsis stößt: In den 15 Jahren seiner Ägide hat sich Gerb den zweifelhaften Ruf einer oligarchennahen Partei der florierenden Korruption und politisch gesteuerten Justiz verschafft. Mit der Nominierung von Gabriel, die in Brüssel einen guten Ruf als effizient und produktiv genießt, ist es Borissow zwar gelungen, eine unbelastete Premierkandidatin aus dem Hut zu zaubern.

Doch obwohl sich PP-Chef und Ex-Premier Kiril Petkov bei einem ersten Treffen von Gabriel, ihrer proeuropäischen Orientierung und langer Auslandserfahrung durchaus angetan zeigten, hält seine Partei an der Ablehnung einer Gerb-geführten Expertenregierung weiter fest.

Um die PP-DB zumindest für die Tolerierung ihres geplanten Kabinetts zu ködern, ist Gabriel bereit, sich hinter deren Forderung nach Ablösung des umstrittenen Generalstaatsanwalts Iwan Geschew zu scharen. Sollte ihre Regierungsmission dennoch bereits vor Amtsantritt scheitern, dürfte sich die PP-DB als zweitstärkste Fraktion an einer Regierungsbildung versuchen. In Sofia wird bereits über das vertraute Szenario von Neuwahlen spekuliert: Im Herbst könnte es schon wieder dazu kommen – ohne erkennbare Aussicht auf klarere Mehrheitsverhältnisse.

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