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Bulgarien in der Dauerkrise

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Von: Daniela Vates

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Sofia rechnet mit Neuwahlen. Es wären die vierten seit April 2021

Nach einem halben Jahr ist die Erneuerermission von Bulgariens frühzeitig ausgebremstem Hoffnungsträger vorbei. „Eines Tages werden wir ein Bulgarien ohne Mafia haben, ohne Leute, die im Schatten regieren,“ hat Premierminister Kiril Petkow (PP) nach seiner Abwahl per Misstrauensvotum am Mittwochabend gesagt: Es sei für ihn „eine Ehre“ gewesen, eine Regierung zu führen, die von der russischen Botschaft, Ex-Premier Bojko Borissow (Gerb), Oligarch Deljan Peewski (DSP) und dem TV-Moderator Slawi Trifonow (ITN) zu Fall gebracht worden sei.

Proteste von Regierungssympathisant:innen und Unterstützer:innen der prorussischen Oppositionspartei „Wiederbelebung“ überschatteten die Abstimmung über das schließlich mit 123:116 Stimmen vom Parlament abgesegnete Misstrauensvotum. Das Scheitern von Petkow zeichnete sich bereits nach dem Rückzug der populistischen Protestpartei ITN aus der Wackelkoalition mit der Antikorruptionspartei PP, der liberalen DB und der sozialistischen BSP Mitte Juni ab.

Offiziell hatte die ITN den Koalitionsbruch mit der „Hinterzimmerpolitik“ von Petkow begründet, der ohne Absprache Geheimverhandlungen mit Skopje über die von der ITN abgelehnte Aufhebung des Vetos gegen den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien führen würde. Die PP warf dem Partner hingegen vor, die mazedonische Frage nur als „Nebelwand“ zur Verschleierung von korruptionsanrüchigen Interessen zu nutzen.

Als größte Parlamentspartei hat die PP nun sieben Tage Zeit, eine neue Regierungsmehrheit zu finden. Danach käme als zweitgrößte Parlamentskraft die rechte Gerb zum Zug. Doch die langjährige Regierungspartei hat deutlich gemacht, nur an Neuwahlen interessiert zu sein: Laut Meinungsumfragen könnten Gerb und die russophile „Wiederbelebung“ mit den größten Zugewinnen rechnen.

Nach dem frühen Scheitern von Petkow steht das ärmste EU-Mitglied vor einem heißen Sommer und erneuten Parlamentswahlen im Herbst: Es wäre der vierte vorzeitige Urnengang seit April vergangenen Jahres. Bulgariens Dauerkrise mitten im Ukrainekrieg macht nicht nur den Bulgaren selbst, sondern auch den Nachbarn zu schaffen.

Zum Kollateralschaden dieser Politturbulenzen sind die EU-Anwärter Nordmazedonien und Albanien geworden: Wegen des bulgarischen Vetos bleibt der Auftakt ihrer Beitrittsverhandlungen weiter blockiert.

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