Brutale Schwulenhatz in Tschetschenien

Die Sicherheitsorgane der Kaukasusrepublik machen Jagd auf Homosexuelle. Betroffene berichten von Willkür, Folter und Mord.
Es beginnt oft mit Täuschung. Der 23-jährige Hasan lernte im Internet einen jungen Mann kennen. Wie Hasan Radio Swoboda erzählte, verabredeten sie nach sechs Wochen Chatten ein Treffen. Sein neuer Bekannter schlug vor, auf eine Datscha nahe Grosny zu fahren, bog aber dann in ein Waldstück ab. Dort warteten Männer in schwarzen Polizeiuniformen. „Sie zogen mich aus, einer filmte mit dem Handy, drei schlugen mich zusammen, traten mich, brachen mir den Kiefer. Sie sagten, schwule Missgeburten hätten in Tschetschenien nichts zu suchen.“
Sie nahmen Hasan das Telefon mit den Kontakten seiner Freunde ab und ließen ihn laufen. Aber danach pressten sie ihm mit der Drohung, das Video seiner Misshandlung ins Netz zu stellen, umgerechnet knapp 5000 Euro ab. Als sich im März die Gerüchte verdichteten, Schwule würden nun immer häufiger festgenommen, floh Hasan nach Moskau.
Sicherheitsorgane machen Jagd auf Homosexuelle
Unter den Füßen der Homosexuellen in der Kaukasusrepublik „brennt die Erde“, sagt Tatjana Winnitschenko vom Webportal LGBT-Set, das sich für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzt. Seit Monaten machten die Sicherheitsorgane Jagd auf sie. Laut der Moskauer Zeitung „Nowaja Gaseta“ sollen allein im Februar und März etwa 100 Schwule in Tschetschenien verhaftet, mindestens drei von ihnen getötet worden sein.
Unter den Festgenommenen seien auch hohe islamische Geistliche, außerdem zwei bekannte TV-Moderatoren. Laut Radio Swoboda werden Dutzende Schwule wochenlang in Geheimgefängnissen festgehalten. Ein Freigelassener erzählt, er und seine Leidensgenossen seien dort täglich erniedrigt und verprügelt worden. Man habe sie mit Elektroschocks gequält, um sie zu zwingen, andere Homosexuelle preiszugeben. Schließlich wurden die Gefangenen ihren Verwandten übergeben. Die beteiligten Polizisten und Soldaten seien überzeugt gewesen, dass man Schwule bekämpfen und umerziehen müsse. In Tschetschenien herrscht extremer Druck auf sexuelle Minderheiten. „Die Republik ist sehr klein, es ist für sie kaum möglich, sich zu verbergen“, sagt der Ethnologe Hamret Baikalow der Frankfurter Rundschau. „Nach den Coming out gehen sehr viele Schwule in russische Großstädte.“ Anderenfalls drohe ihnen offener Hass und sogar „Ehrenmorde“ durch die eigenen Familien.
Selbst die tschetschenische Menschenrechtlerin Heda Saratowa äußerte im Gespräch mit einem Moskauer Verständnis für solche Taten. „Wenn wir heute die Augen verschließen, zerfällt unsere Gesellschaft morgen.“
„Es gibt keine Schwulen“
Ein Sprecher des Tschetschenenchefs Ramsan Kadyrow bezeichnete die Berichte als Desinformation; in Tschetschenien gebe es keine Homosexuellen. „Sonst würden ihre Verwandten sie dorthin schicken, woher es kein Zurück gibt.“ Und der Mufti der Republik stellte sich hinter eine Resolution von angeblich über 20 000 islamischen Gläubigen bei einem Gottesdienst in der Hauptmoschee von Grosny, die den „Anstiftern“ unbefristete „Vergeltung“ angedroht hatten. Ein Kadyrow-Berater bezeichnete dabei laut dem Nachrichtenportal RBK die Journalisten der „Nowaja Gaseta“ als „Feinde unseres Volkes und unserer Heimat“.
Wegen der Berichte aus Tschetschenien fordert nun die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Moskau auf, Homosexuelle im Kaukasus besser zu schützen. „Die russischen Behörden müssen den schrecklichen Berichten nachgehen und die Schuldigen ermitteln und bestrafen“, forderte der Direktor des OSZE-Büros für Menschenrechte (ODIHR), Michael Link.
Schwule Tschetschenen entscheiden sich indes oft für Flucht, wie der 27-jährige Said. Im Herbst wurde er von Freunden, denen er sich anvertraut hatte, erpresst. Ein Offizier aus seiner Familie erklärte ihm dann: „Ich weiß alles, uns bleibt nichts anderes übrig, als dich umzubringen.“ Inzwischen ist Said nach Europa geflohen. (mit dpa)