Dass der Besuch bei von der Leyen nur Show ist, glaubt von Bismarck aber nicht. „Johnson hätte einen No-Deal-Brexit in Kauf genommen, er war aber nicht sein Ziel“, sagte sie. Im direkten Gespräch sieht die Expertin sogar leichte Vorteile für Johnson. „Er kann eine politische Entscheidung für oder gegen einen Deal treffen, von der Leyen ist an ihr Mandat gebunden.“
Update vom 8. Dezember, 19.22 Uhr: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Regierungschef Boris Johnson treffen sich am Mittwoch in Brüssel, um mit einem letzten Kraftakt den Weg für einen Brexit-Handelspakt zu ebnen. „Ich freue mich darauf, UK-Premierminister Boris Johnson morgen Abend zu begrüßen“, schrieb von der Leyen am Dienstagabend auf Twitter. „Wir werden unsere Gespräche über einen Handelsvertrag fortsetzen.“ Downing Street teilte mit, dass sich beiden Politiker zum Abendessen treffen. In einem Telefonat hatten Johnson und von der Leyen am Montagabend verabredet, sich bald in Brüssel zu treffen.
Die Brexit-Unterhändler verhandeln seit Monaten. Auch zwei längere Telefonate zwischen von der Leyen und Johnson brachten wenig. Auf drei Feldern sehen sie immer noch „bedeutende Differenzen“: Fischerei, fairer Wettbewerb und der Rahmen zur Durchsetzung der Vereinbarungen. Zum 31. Dezember endet die Brexit-Übergangsphase, in der trotz des Austritts aus der EU für Großbritannien bislang alles beim Alten blieb. Sollten sich beide Seiten bis dahin nicht auf einen Deal geeinigt haben, droht auf beiden Seiten Chaos unter anderem mit kilometerlangen Staus.
Update vom 8. Dezember, 16.55 Uhr: Nach langem Ringen scheinen Großbritannien und die Europäische Union zu einem Kompromiss bezüglich des zukünftigen Status von Nordirland gekommen zu sein. In einem Treffen zwischen Vertreten der EU und Großbritannien konnte eine Grundsatzeinigung erreicht werden. Demnach hat Großbritannien eingewilligt, drei der umstrittenen Klauseln aus seinem Brexit-Binnenmarktgesetz zu streichen. Der Gesetzesentwurf wurde einseitig von Großbritannien eingebracht und widerspricht Regelungen aus dem Austrittsabkommen. Großbritannien wollte mit den Klauseln Zollregelungen im Warenhandel für Nordirland und Vorgaben zu Staatsbeihilfen für britische Unternehmen umgehen.
Update vom 7. Dezember, 20.08 Uhr: Ein Telefonat zwischen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem britischen Premier Boris Johnson hat am Montagabend keinen Durchbruch im Streit um einen Brexit-Handelspakt ergeben - Johnson erbat sich offenbar „Bedenkzeit“ (siehe Update von 19.08 Uhr). Doch die Hoffnung wollen EU und UK noch nicht aufgeben: Boris Johnson soll nun selbst zu Gesprächen nach Brüssel reisen, um die schwierigsten Fragen zu klären.
Das teilte von der Leyen am Montagabend mit. „Die Bedingungen für eine Einigung sind wegen Differenzen bei entscheidenden Punkten noch nicht gegeben“, hieß es in einer von der Kommission verbreiteten gemeinsamen Erklärung. „Wir haben unsere Chefunterhändler gebeten, eine Übersicht über die bleibenden Differenzen vorzubereiten, damit diese persönlich in den nächsten Tagen besprochen werden können.“ Ein Sprecher der EU-Kommission bestätigte, dass Johnson in den nächsten Tagen in Brüssel erwartet wird.
Damit wechselt das Gezerre um die wirtschaftliche Zukunft nach dem Ausscheiden Großbritanniens aus der EU auf die höchste politische Ebene. Möglich scheint, dass bereits die Reise Johnsons über den Ärmelkanal auf ein Entgegenkommen hinweist. Das Drama um das Abkommen geht damit jedenfalls abermals in die Verlängerung. Es soll bereits am 1. Januar ratifiziert und in Kraft sein.
Update vom 7. Dezember, 19.08 Uhr: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premierminister Boris Johnson haben ihr Telefonat zum Stand der Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt am frühen Montagabend nach mehr als einer Stunde unterbrochen. Dies erfuhr die dpa aus informierten Kreisen. Johnson habe um Bedenkzeit gebeten.
Ob es um konkrete inhaltliche Fortschritte, um die Fortsetzung oder den Abbruch der Gespräche ging, war zunächst unklar. Von der Leyen und Johnson hatten sich zu dem Telefonat verabredet, um Bilanz der jüngsten Verhandlungsrunde zu ziehen. Diese hatte aus EU-Sicht zunächst keine Fortschritte gebracht.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich unterdessen mit EU-Spitzen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron abgestimmt. Bei einer Video-Konferenz am Montagnachmittag sei es auch um die schwierigen Verhandlungen mit Großbritannien über ein Handelsabkommen nach dem Brexit gegangen, sagte ein EU-Vertreter der Nachrichtenagentur AFP.
Update vom 7. Dezember, 18.00 Uhr: Die britische Regierung von Boris Johnson hat sich zur Überarbeitung ihres umstrittenen Brexit-Gesetzes bereit erklärt, das Teile des Austrittsvertrags zu Nordirland außer Kraft setzen könnte. Es habe „konstruktive“ Gespräche zwischen dem britischen Staatssekretär Michael Gove und dem Vize-Präsidenten der EU-Kommission, Maros Sefcovic, über die Umsetzung des bestehenden Austrittsvertrages gegeben, teilte die Regierung in London am Montag mit. Wenn es in den kommenden Tagen eine endgültige Einigung auf die in diesen Diskussionen besprochenen Lösungen gebe, werde London die umstrittenen Klauseln aus dem Binnenmarktgesetz streichen.
Dennoch ist weiter keine Einigung auf einen Handelspakt in Sicht. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier sah am Montag noch immer große Differenzen in drei zentralen Bereichen. Nach Angaben von Verhandlungs-Teilnehmern gibt es weiter keinen Durchbruch in Sachen faire Wettbewerbsbedingungen, Kontrolle eines künftigen Abkommens und Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern.
Irlands Regierungschef Micheal Martin sagte, die Chancen für eine Einigung stünden „fünfzig-fünfzig“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Premierminister Boris Johnson wollen am Montagabend entscheiden, ob eine Fortsetzung der Gespräche noch sinnvoll ist .„Die Zeit läuft schnell ab“, warnte ein EU-Diplomat. Die EU sei bereit, „noch einen Schritt weiterzugehen“, um „ein faires, nachhaltiges und ausgewogenes Abkommen“ zu vereinbaren. Es liege nun an Großbritannien, ob es einen Deal oder einen No-Deal wolle. „Dies werden entscheidende Stunden“, sagte ein weiterer Diplomat.
Update vom 7. Dezember, 15.27 Uhr: Sollten die derzeit festgefahrenen Gespräche mit der EU über ein Handelsabkommen nach dem Brexit scheitern, lehnt die britische Regierung eine Wiederaufnahme der Verhandlungen im nächsten Jahr ab. Ein Sprecher von Boris Johnson sagte: „Wir sind bereit, so lange zu verhandeln, wie die Zeit reicht, wenn wir denken, ein Abkommen ist noch möglich.“ Mit Blick auf eine Verlängerung der Gespräche ins nächste Jahr hinein betonte er aber: „Ich kann das ausschließen.“
Update vom 7. Dezember, 12.53 Uhr: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Boris Johnson wollen am heutigen Montag um 17.00 Uhr den Stand der Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt erörtern.
Wegen des starken Zeitdrucks für einen Post-Brexit-Handelspakt äußern sich jedoch immer mehr Brexit-Experten im Europaparlament zunehmend ungehalten. „Dass das Parlament die Katze im Sack kaufen muss, ist völlig inakzeptabel“, sagte Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan am Montag der dpa.
Es gebe Forderungen, einen Bruch ohne Vertrag zum Jahreswechsel zu akzeptieren und danach die Verhandlungen ohne Zeitdruck neu anzusetzen, fügte Schirdewan hinzu. „Ich halte das nicht für den schlechtesten Weg, wenn man sieht, dass bisher nur ein schlechtes Abkommen möglich scheint. Die No-Deal-Wahrscheinlichkeit ist größer als die Deal-Wahrscheinlichkeit“, so der Abgeordnete.
Selbst bei einem sofortigen Verhandlungserfolg könnte ein Vertrag in einer offiziellen Fassung erst am 23. Dezember ins Parlament eingebracht werden. Dauert es noch einige Tage, wäre der erste Termin der 27. Dezember. Das lasse keine gründliche Prüfung zu. „Ich halte das für sehr problematisch“, sagte Schirdewan.
Update vom 7. Dezember, 12.53 Uhr: Die deutsche Bundesregierung sieht „schwierige Verhandlungen“ über einen Brexit-Handelspakt der Europäischen Union mit Großbritannien. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte am Montag in Berlin, es müsse Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten geben, aber beide Seiten hätten auch rote Linien.
„Es bleibt nur noch wenig Zeit bis zum Ende der Übergangsphase.“ Kanzlerin Angela Merkel werde fortlaufend über den Stand der Verhandlungen informiert. Es sei im Interesse beider Seiten, zu einem Abschluss zu kommen, sagte Seibert.
Ohne Handelsabkommen drohen zum Jahreswechsel Zölle und andere Handelshürden zwischen Großbritannien und der EU. Dann läuft die Brexit-Übergangsfrist aus, während der trotz des britischen EU-Austritts Anfang des Jahres fast alles beim Alten geblieben war.
Erstmeldung vom 6. Dezember 2020: Brüssel - Die überaus zähen Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien könnten bald ein jähes Ende finden. Denn die Zeit zur Schließung eines gemeinsamen Handelsabkommens läuft ab. Nach acht Monaten ergebnisloser Verhandlungen kamen die Delegationen beider Seiten am Sonntag in Brüssel zur mutmaßlich letzten Verhandlungsrunde zusammen. Zeit haben sie bis Montagabend - dann wollen EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Großbritanniens Premierminister Boris Johnson Bilanz ziehen. Beide hatten am Samstag von fortbestehenden „erheblichen Differenzen“ gesprochen.
Beide Seiten arbeiteten „hart daran, einen Deal zu finden“, sagte der britische Chefunterhändler David Frost nach seiner Ankunft in Brüssel am Sonntagmittag vor Journalisten. „Wir werden sehen, was in den heutigen Verhandlungen passiert.“ Ein EU-Vertreter sagte, es sei mit langwierigen Verhandlungen zu rechnen.
Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten*. Bis Jahresende bleibt es aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Diese Übergangsphase wollten beide Seiten eigentlich nutzen, um ein Handelsabkommen auszuhandeln. Die Gespräche kommen aber seit Monaten kaum voran. Inzwischen ist die Zeit für eine rechtzeitige Ratifizierung eines möglichen Abkommens bis zum 1. Januar schon äußerst knapp.
In einem Telefonat am Samstag begrüßten von der Leyen und Johnson laut einer gemeinsamen Erklärung Fortschritte „in vielen Bereichen“. Allerdings gebe es „nach wie vor erhebliche Differenzen in drei entscheidenden Fragen“. Dabei gehe es um gleiche Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle eines künftigen Abkommens und die Fangrechte für EU-Fischer in britischen Gewässern. Von der Leyen und Johnson betonten, „dass keine Einigung möglich ist, wenn diese Fragen nicht gelöst werden“.
Besonders für Küstenstaaten wie Frankreich, Spanien oder Dänemark sind diese Fangrechte für ihre Fischer entscheidend. Frankreich drohte sogar mit einem Veto für ein eventuelles Handelsabkommen, sollten diese nicht berücksichtigt werden.
„Wenn das Abkommen jedoch nicht gut ist und unseren Interessen, insbesondere den Interessen der Fischer, nicht entspricht, könnten wir, Frankreich, wie jeder Mitgliedstaat, ein Veto einlegen,“ sagte der französische Europa-Staatssekretär Clément Beaune der Sonntagszeitung Le Journal Du Dimanche. Beaune sagte weiter, es gebe keinen Grund, die französischen Fischer für die „dramatischen Folgen“ des Brexit-Referendums*, an dem sie nicht teilgenommen hätten, zahlen zu lassen.
Sorgen bereitet auch ein Vorstoß der britischen Regierung. Denn trotz der stockenden Handelspakt-Verhandlungen mit der EU will sie am umstrittenen Binnenmarktgesetz festhalten, mit dem Teile des bereits gültigen Brexit-Austrittsabkommens ausgehebelt würden. Das bestätige Umwelt- und Agrarminister George Eustice am Sonntag in einem Sky News-Interview. Die umstrittenen Klauseln waren vom britischen Oberhaus entfernt worden, das Unterhaus soll sie nach dem Willen der Regierung am Montag jedoch wieder einfügen.
Das sogenannte Binnenmarktgesetz soll den Warenverkehr innerhalb Großbritanniens nach der Brexit-Übergangsphase sichern, die zum Jahresende ausläuft. Allerdings verstoßen einige Klauseln gegen den mühsam ausgehandelten und schon geltenden Brexit-Deal - und damit gegen internationales Recht. Betroffen ist das Nordirland-Protokoll, das eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der zur EU gehörenden Republik Irland garantieren soll. Die EU ist empört über den geplanten Vertragsbruch - ein Festhalten an den umstrittenen Plänen dürfte für weiteren Zündstoff zwischen beiden Seiten sorgen.
Kann es trotz der riesigen Differenzen noch eine gemeinsame Lösung geben? „Wir werden sehen, ob es einen Weg voran gibt“, schrieb EU-Chefunterhändler Michel Barnier nach dem Telefonat vom Samstag auf Twitter. Der deutsche EU-Botschafter Michael Clauß lud Barnier nach Angaben eines Sprechers ein, die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten am Montagmorgen um 07.30 Uhr über den Verhandlungsstand zu informieren.
Der britische Umweltminister George Eustice räumte im Sender Sky News ein, dass sein Land in einer „schwierigen Position“ sei. „Wir werden weiter an diesen Verhandlungen arbeiten, solange bis es keinen Sinn mehr hat, weiterzumachen“, sagte er. Die Bundesregierung hatte zuvor die Fortsetzung der Gespräche begrüßt. Am Freitagabend sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, dass Deutschland ein Abkommen unterstütze, „aber eben auch nicht um jeden Preis“. Im EU-Parlament wuchs indessen die Sorge, dass die rechtzeitige Ratifizierung eines Handelsabkommen nicht mehr möglich sein könnte.
Aus informierten Kreisen hieß es mit Blick auf ein mögliches Verhandlungsergebnis, es sei „alles möglich“. Die drei strittigen Themen seien unmittelbar mit der Absicht Großbritanniens verbunden, die nationale Souveränität als Priorität zu bewahren und mit der Angst Europas vor einem britischen „Schmarotzertum“, sagte eine Quelle der Nachrichtenagentur AFP.
Boris Johnson* hat seinen Landsleuten versprochen, dass Großbritannien unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen „prosperieren“ werde. Kritiker warnten den Regierungschef jedoch vor einem No-Deal-Brexit. Ein solcher werde „massive internationale Auswirkungen haben“, sagte der Ex-Premier und frühere Vorsitzende der Labour-Partei, Gordon Brown, bei Sky News. Großbritannien würde dann in einen „Wirtschaftskrieg mit Europa“ eintreten, „der uns sehr teuer zu stehen kommen würde“. (dpa/AFP) *Merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerkes.