Im Geiste der konstruktiven Zusammenarbeit hat die Kommission über ein Jahr lang auf die Einleitung bestimmter Vertragsverletzungsverfahren verzichtet, um Raum für die Suche nach gemeinsamen Lösungen mit dem Vereinigten Königreich zu schaffen. Die mangelnde Bereitschaft Großbritanniens, sich auf eine sinnvolle Diskussion einzulassen, [...] widersprechen jedoch diesem Geist.
Es sei mehr als ein Jahr lang versucht worden, im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit gemeinsame Lösungen zu finden. Großbritannien sei jedoch nicht bereit, ernsthafte Gespräche zu diesem Thema zu führen. Stattdessen werde im britischen Parlament weiter über einseitige Änderungen am Protokoll debattiert. Die von der EU angestrengten Verfahren könnten für London vor dem Europäischen Gerichtshof enden.
Die britische Regierung unter dem noch amtierenden Premierminister Boris Johnson ist seit einiger Zeit bestrebt, die meisten Kontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien abzuschaffen und den britischen Handel für Waren nach Nordirland von der Pflicht zur EU-Zollanmeldung zu befreien.
Grund für die neuen Verfahren ist unter anderem, dass am 20. Juli das britische Unterhaus einen umstrittenen Gesetzentwurf zum Nordirland-Protokoll in dritter Lesung angenommen hatte. Mit dem geplanten Gesetz sollen die Brexit-Vereinbarungen zur britischen Provinz einseitig von London außer Kraft gesetzt werden können. Die EU-Kommission hatte schon zuvor Konsequenzen angedroht.
London argumentiert, das Nordirland-Protokoll untergrabe den Frieden in der Region, indem es die dortige Regierung blockiere. Die pro-britische Partei DUP widersetzt sich seit Wochen der Regierungsbildung in Nordirland und fordert die Abschaffung des Protokolls. Die EU lehnt eine grundsätzliche Überarbeitung des Abkommens ab – ist aber zu Kompromissen bereit. Kompletten Neuverhandlungen erteilte die EU jedoch in der Vergangenheit stets eine Absage. (skr/afp/dpa)