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Wenige Tage vor dem Brexit: Boris Johnson kassiert Niederlage im Oberhaus

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Von: Stefan Krieger, Christian Stör

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Boris Johnson hat vor allem ein Ziel: endlich den Brexit abzuschließen.
Boris Johnson hat vor allem ein Ziel: endlich den Brexit abzuschließen. © picture alliance/dpa

Zehn Tage vor dem geplanten Brexit-Termin hat Großbritanniens Premier eine Niederlage im Oberhaus erlitten. Dabei ging es um das Bleiberecht von EU-Bürgern.

Den neuen Entwicklungen entnehmen Sie bitte unserem aktuellen Brexit-Ticker

Update vom Dienstag, 21. Januar 2020, 06.50 Uhr: Rund zehn Tage vor dem planmäßigen Brexit-Termin hat Großbritanniens Premierminister Boris Johnson im Oberhaus eine Niederlage erlitten. Die Mitglieder des House of Lords stimmten am Montag für eine Anpassung des Brexit-Gesetzes, mit der das Bleiberecht von in Großbritannien lebenden EU-Bürgern nach dem Brexit zusätzlich abgesichert werden soll.

Mit 270 zu 229 Stimmen votierten die nichtgewählten Mitglieder des Oberhauses dafür, die rund 3,6 Millionen in Großbritannien lebenden EU-Bürger und Schweizer mit einem Dokument auszustatten, mit dem sie ihren Aufenthaltsstatus in Großbritannien jederzeit dokumentieren können.

In seiner jetzigen Fassung sieht das Brexit-Gesetz vor, dass die europäischen Ausländer in Großbritannien einen Antrag auf künftiges Bleiberecht stellen müssen. Wird ihnen dieses gewährt, sollen sie laut dem Gesetz einen elektronischen Code erhalten, mit dem sie bei Behörden oder an Flughäfen ihren Aufenthaltsstatus nachweisen können.

Ping-Pong-Prozess droht

Ein elektronischer Code sei jedoch nicht praktikabel, sagte der zur liberalen Opposition gehörende Oberhaus-Abgeordnete Jonathan Oates unter Verweis auf mögliche Schwächen in der IT-Infrastruktur. „Im wahren Leben und aus Respekt vor dem permanenten Bleiberecht“ müsse der Nachweis für den Aufenthaltsstatus ein „physisches Dokument“ sein, sagte Oates vor den Abgeordneten.

Die vom Oberhaus beschlossene Anpassung des Brexit-Gesetzes muss am Mittwoch von den Abgeordneten des Unterhauses gebilligt werden. Sollten die Unterhausabgeordneten die Anpassung ablehnen, geht der Gesetzentwurf zurück an das House of Lords. In diesem Fall könnte ein sogenannter Ping-Pong-Prozess beginnen, der so lange andauert, bis eine der Kammern ihren Widerstand aufgibt.

Am heutigen Dienstag stimmen die Abgeordneten im Oberhaus erneut über eine kontroverse Anpassung des Brexit-Gesetzes ab. Dabei geht es um das Recht unbegleiteter Flüchtlingskinder, zu Verwandten in Großbritannien zu ziehen.

Update vom Mittwoch, 8.1.2020, 10.25 Uhr: Nun ist es bald soweit. Am 31. Januar 2020 wird das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen. Zuvor wird aber noch weiter verhandelt. So auch heute. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist nämlich nach London, wo sie den britischen Premierminister Boris Johnson treffen wird. Bei einem Gespräch in der Downing Street soll es um den Brexit und die kommenden knapp zwölf Monate gehen. Bis Ende 2020 sollen die künftigen Beziehungen zwischen London und Brüssel geklärt sein.

In einer Mitteilung betonte Johnson in der Nacht zum Mittwoch erneut, dass er nicht zu einer Verlängerung bereit sei. Die Briten hätten bereits vor mehr als drei Jahren für den Brexit gestimmt. Ziel sei nun ein ambitioniertes Freihandelsabkommen. An dem Gespräch wird zeitweise auch Brexit-Minister Stephen Barclay teilnehmen.

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Begleitet wird von der Leyen von EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Der Franzose leitete bereits die Gespräche über den Austritt und soll nun im Auftrag der EU auch über das künftige Verhältnis verhandeln. Nötig ist dafür jedoch ein Mandat, das die EU-Staaten Ende Februar erteilen könnten. Erst danach können die Verhandlungen starten.

Brexit: Von der Leyen schließt Verlängerung der Übergangsphase nicht aus

Update, 27.12, 11.00 Uhr: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich offen für eine längere Übergangsphase nach dem Brexit gezeigt. „Ich bin sehr besorgt über die kurze Zeit, die wir zur Verfügung haben“, sagte sie der französischen Wirtschaftszeitung „Les Echos“ vom Freitag mit Blick auf die elfmonatigen Verhandlungen, die nach dem britischen EU-Austritt am 31. Januar angesetzt sind. „Wir müssen nicht nur ein Freihandelsabkommen schließen, sondern auch über zahlreiche andere Themen sprechen“, sagte von der Leyen.

Die EU und Großbritannien sollten sich deshalb „ernsthaft fragen, ob die Verhandlungen in so kurzer Zeit machbar sind“, betonte die Kommissionschefin. „Es wäre vernünftig, Mitte des Jahres Bilanz zu ziehen und sich - wenn nötig - auf eine Verlängerung der Übergangsphase zu verständigen“, sagte von der Leyen.

Boris Johnson will nicht verlängern

Nach dem bisherigen Zeitplan wollen sich die EU und das Vereinigte Königreich bis Ende 2020 auf ein Handelsabkommen verständigen. Gelingt dies nicht, könnten Zölle und andere Handelshemmnisse den Waren- und Dienstleistungsaustausch beeinträchtigen. In so kurzer Zeit wurde jedoch noch nie eine solche Vereinbarung mit der EU geschlossen.

Der britische Premierminister Boris Johnson schließt es bislang aus, die Übergangsphase über 2020 hinaus zu verlängern. Beobachtern zufolge will er so Druck auf Brüssel ausüben, um Zugeständnisse etwa bei den Standards für Umwelt- und Verbraucherschutz in den künftigen Handelsbeziehungen zu erzwingen.

Update, 20.12., 15.45 Uhr:  Das britische Parlament in London hat am Freitag für das Brexit-Abkommen von Premierminister Boris Johnson gestimmt. Der Entwurf für das entsprechende Ratifizierungsgesetz wurde mit großer Mehrheit in zweiter Lesung angenommen. Großbritannien ist damit einem Austritt am 31. Januar einen großen Schritt näher gekommen.

Die weiteren Stufen im Gesetzgebungsverfahren sollen im Januar vollzogen werden. Doch das gilt beinahe als Formalie, denn nach dem überwältigenden Wahlsieg Johnsons hat die Opposition keine Möglichkeiten mehr, ihm Steine in den Weg zu legen. Auch vom Oberhaus, das dem Gesetz zustimmen muss, wird kein Widerstand erwartet.

Der Deal bahne den Weg zu einem neuen Abkommen über die künftige Beziehung mit der EU, basierend auf einem ambitionierten Freihandelsabkommen „ohne Bindung an EU-Regeln“, so Johnson während der Debatte. Er weckte damit Befürchtungen der Opposition, er könnte das Land auf ein dereguliertes Wirtschaftsmodell nach US-Vorbild zusteuern.

Für Kritik sorgte vor allem die Absage an eine mögliche Verlängerung der Übergangsfrist nach dem Brexit, die in dem Gesetzentwurf festgelegt ist. Beide Seiten haben nun nur bis Ende 2020 Zeit, um ein Anschlussabkommen auszuhandeln. Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, bezeichnete Johnsons mit Brüssel nachverhandelten Deal als „schrecklich“ und schädlich für das Land*.

Update, 19.12., 15.30 Uhr: Heute war mal wieder Königin Elizabeth II. an der Reihe. Die 93-Jährige verlas die Regierungserklärung von Premier Boris Johnson vor den Parlamentariern beider Kammern im Oberhaus und benannte dabei den Brexit als oberstes Ziel der neuen Regierung. „Die Priorität meiner Regierung ist es, den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zum 31. Januar abzuschließen“, sagte die Queen bei der Zeremonie zur Eröffnung der neuen Sitzungsperiode des britischen Parlaments.

Nach dem Abschluss des Brexit-Verfahrens werde sich die Regierung um „die künftige Beziehung mit der EU auf der Grundlage eines Freihandelsabkommens“ kümmern, das „dem ganzen Königreich zugutekommt“, kündigte die Königin an. Zu den zentralen Vorhaben der Regierung Johnsons zählt zudem eine gesetzliche Verankerung staatlicher Zahlungen für den chronisch überlasteten Gesundheitsdienst NHS (National Health Service).

Sturgeon fordert neues Referendum über Unabhängigkeit Schottlands

Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte derweil ein neues Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands von Großbritannien. Die Fixierung Johnsons auf den Brexit hat in Schottland die Kritik an der seit mehr als 300 Jahren bestehenden Union mit England und Wales angeheizt. Sturgeon bezeichnete es als einen klaren „demokratischen Fall“, dass es nun eine neue Volksabstimmung geben müsse. 

Es sei „unbestreitbar“ erforderlich, die Schotten in einer Volksabstimmung über ihre Zukunft entscheiden zu lassen, sagte Sturgeon. Die Schotten hätten es durch ihr Wahlverhalten „sehr klar“ gemacht, dass sie nicht von einer konservativen Mehrheit unter Premierminister Johnson „aus der Europäischen Union herausgenommen werden“ wollten. Dies sei allerdings die vorhersehbare Zukunft, sofern die Schotten nicht „die Alternative der Unabhängigkeit in Betracht“ zögen. Sturgeon erwartet von der Regierung in London die Vollmacht zum Abhalten eines Referendums. Es ist jedoch nicht absehbar, dass sie diese erhält. Johnson sagte zu dem Thema mehrfach, eine solche Abstimmung könne nur „einmal in einer Generation“ abgehalten werden.

Am Freitag will die Regierung den Abgeordneten das mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen vorlegen, damit Großbritannien wie von Johnson geplant Ende Januar die EU verlassen kann.

Erneute Furcht vor einem No-Deal-Brexit: Boris Johnson setzt seinen harten Kurs fort

Erstmeldung, 17.12.

London - Der Brexit scheint unausweichlich. Spätestens seit dem klaren Wahlsieg der britischen Konservativen ist der EU-Austritt des Vereinigten Königreichs wohl nicht mehr aufzuhalten. Noch vor Weihnachten will Boris Johnson die Ratifizierung des Austrittsabkommens im britischen Unterhaus einleiten. Bereits am Freitag (20.12.) will der Premier seinen Brexit-Deal den Abgeordneten zur Abstimmung vorlegen. Da Johnsons Konservative einen Vorsprung von 80 Sitzen vor allen anderen Parteien haben, gilt die Zustimmung zum Abkommen als sicher.

Brexit: Boris Johnson will Übergangsphase per Gesetz beschränken

Außerdem will Johnson offenbar eine Verlängerung der Übergangsphase nach dem Brexit per Gesetz ausschließen. Johnson will Großbritannien am 31. Januar aus der EU führen. In einer Übergangsphase bis Ende 2020 bleibt aber zunächst so gut wie alles beim Alten. Bis dahin wollen beide Seiten ein Freihandelsabkommen aushandeln. Die Zeit gilt dafür jedoch als äußerst knapp.

Eine Verlängerung der Übergangsphase um bis zu zwei Jahre ist noch bis Juli möglich, doch Johnson lehnt das vehement ab. Trotzdem wurde spekuliert, der Regierungschef könne möglicherweise seine Meinung noch ändern. Doch das soll nun eine ergänzende Passage im Ratifizierungsgesetz für den Brexit-Deal ausschließen. Die Labour-Opposition warnte, der Schritt erhöhe die Gefahr eines EU-Austritts ohne Anschlussabkommen und damit die Einführung von erheblichen Handelshemmnissen.

Auch in Brüssel traf Johnsons Plan auf Unverständnis und Kritik. „Es wird verdammt schwierig, in nur elf Monaten einen Deal fertig und ratifiziert zu bekommen“, sagte ein EU-Diplomat. Die Verhandlungen würden sehr schwierig und im Falle eines Scheiterns drohe doch noch ein harter Bruch Ende 2020. „Es scheint nicht logisch, sofort die Tür zu einer Verlängerung zu schließen“, sagte der Diplomat. „Wenn man seine Optionen ohne Not begrenzt, indem man Türen verrammelt, hat man wohl besser einen David Copperfield im Raum, um nötigenfalls einen Ausweg zu finden.“

Die Position der Europäischen Union habe sich nicht verändert. „Wir wollen ein gutes Abkommen mit unseren engen britischen Nachbarn abschließen.“ Sollte Großbritannien jedoch wie ein Schlafwandler in ein No-Deal-Szenario taumeln, das niemand wolle, werde die EU vorbereitet sein, die Auswirkungen auf ihre Mitglieder in Grenzen zu halten, sagte der Diplomat.

Boris Johnson forciert nun die Abstimmung über seinen Brexit-Deal.
Boris Johnson forciert nun die Abstimmung über seinen Brexit-Deal. © picture alliance/dpa

Wegen der erneuten Furcht vor einem möglichen No-Deal-Brexit verlor das Pfund an der Börse kräftig, nachdem es seit der Wahl vom 12. Dezember massiv dazugewonnen hatte.

Brexit: Britisches Parlament wählt Präsidenten

Das Parlament tritt schon am heutigen Dienstag (17.12.) zur konstituierenden Sitzung nach der Wahl vom 12. Dezember zusammen. Als erste Amtshandlung wählen die Abgeordneten einen Parlamentspräsidenten. Der ehemalige Labour-Politiker Lindsay Hoyle gilt für den Posten als gesetzt. Er trat erst im November die Nachfolge von John Bercow an. Der Speaker of the House of Commons legt seine Parteizugehörigkeit mit dem Amt traditionell nieder und ist zu politischer Neutralität verpflichtet. Bercow wurde immer wieder vorgeworfen, gegen diese Regel zugunsten der Brexit-Gegner im Unterhaus verstoßen zu haben.

Außerdem steht noch die Vereidigung der 650 Abgeordneten an, bevor Königin Elizabeth II. am Donnerstag das Parlament mit der Queen’s Speech offiziell wiedereröffnet. Die Königin verliest bei der feierlichen Zeremonie das Regierungsprogramm des Premierministers.

Wie geht es mit dem Brexit weiter?

Doch wie geht es mit dem Brexit weiter? Nach dem Austritt beginnen erst mal äußerst schwierige Verhandlungen über die künftigen Beziehungen. Hier ein Überblick über den geplanten Ablauf:

20. Dezember 2019: Boris Johnson bringt den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag in das britische Unterhaus zur Ratifizierung ein. Die 535 Seiten starke Vereinbarung legt unter anderem die finanziellen Verpflichtungen Londons gegenüber der EU sowie die künftigen Rechte der Bürger beider Seiten fest.

13. bis 16. Januar 2020: Nach der Billigung durch das Unterhaus könnte auch das Europaparlament bei seiner Plenarsitzung in Straßburg über den Brexit-Vertrag abstimmen. Wird er angenommen, wäre der Ratifizierungsprozess auch auf EU-Seite abgeschlossen. Nationale Parlamente müssen den Vertrag nicht billigen.

31. Januar 2020: Um Mitternacht deutscher Zeit endet die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens (23.00 Uhr britischer Zeit).

1. Februar 2020: Nun beginnt eine Übergangsphase bis mindestens Ende 2020. Großbritannien bliebe vorerst noch im Binnenmarkt und in der Zollunion. Diese Periode wollen beide Seiten nutzen, um die künftigen Beziehungen und insbesondere ein Freihandelsabkommen auszuhandeln.

25. Februar 2020: Nach den Beschlüssen des letzten EU-Gipfels würden die Europaminister der Mitgliedstaaten das Mandat für die Verhandlungen verabschieden. Sie kommen Ende Februar zusammen. Nehmen sie das Mandat an, könnten die Gespräche über das Freihandelsabkommen voraussichtlich im März starten. Auf EU-Seite werden sie wie schon die Austrittsverhandlungen von dem Franzosen Michel Barnier geführt.

1. Juli 2020: Die britische Regierung muss bis zu diesem Termin entscheiden, ob sie die Verhandlungsphase für das Freihandelsabkommen über Ende 2020 hinaus verlängert. Nach den Bestimmungen im Austrittsvertrag ist dies einmal für ein oder zwei Jahre möglich - also bis Ende 2021 oder Ende 2022. Johnsons Konservative haben eine Verlängerung bisher aber ausgeschlossen.

Oktober/November 2020: Ohne Verlängerung müssen die Verhandlungen jetzt abgeschlossen sein, um die Vereinbarung noch zu ratifizieren. Geht es um ein reines Handelsabkommen, muss auf EU-Seite nur das Europaparlament zustimmen. Sind aber auch Bereiche wie Dienstleistungen, Finanzgeschäfte, Daten- oder Investitionsschutz enthalten, könnte auch das grüne Licht der nationalen - und je nach Mitgliedstaat - sogar regionaler Parlamente nötig sein.

31. Dezember 2020: Ist das Freihandelsabkommen verabschiedet, scheidet Großbritannien auch aus dem Binnenmarkt und der Zollunion aus. Damit wären die letzten direkten Verbindungen aus 47 Jahren britischer EU-Mitgliedschaft endgültig gekappt. (mit dpa/afp)

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